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Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827.

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Staunitz scharf an, "ich sehe Thränen in Euren
Augen, lieber Vetter; was soll das heißen?"

"Sie gelten der herzlichen Freude über Tinas
Glück," sagte Staunitz gerührt. "Es ist mir
dies ein wichtiger Tag, er hat mir eine Nachricht
gebracht, die ich nicht genug schätzen kann. Die
Stunde ist gekommen, wo Ihr alle, meine Lieben,
die nöthige Aufklärung erhalten sollt; ich hoffe,
ich werde bald vor Euch gerechtfertigt dastehn,
da ich es weiß, daß mir meine geliebte Albertine
verziehen. Meine Erzählung ist nicht allzu kurz;
schlagen sie uns einen Ort vor, Vetter Heinrich,
wo ich ungestöhrt erzählen kann!"

"I, da wäre ja wohl kein Plätzchen im gan¬
zen Hause schicklicher, als der Gartensallon," sagte
dieser. "Allein ich schlage vor, daß wir sämmtlich
erst ein Frühstück, oder das Mittagsmahl einneh¬
men, denn mit hungriger Seele hört man nicht
gern dergleichen vortragen, ohnehin ist es schon
ziemlich spät, und in einigen Stunden läßt sich
gar Manches erzählen!" --

Die jungen Männer waren diesen Vorschlag
zufrieden. Tina machte an Blauensteins Seite
die Wirthin mit so unnachahmlicher Grazie und

Staunitz ſcharf an, „ich ſehe Thraͤnen in Euren
Augen, lieber Vetter; was ſoll das heißen?“

„Sie gelten der herzlichen Freude uͤber Tinas
Gluͤck,“ ſagte Staunitz geruͤhrt. „Es iſt mir
dies ein wichtiger Tag, er hat mir eine Nachricht
gebracht, die ich nicht genug ſchaͤtzen kann. Die
Stunde iſt gekommen, wo Ihr alle, meine Lieben,
die noͤthige Aufklaͤrung erhalten ſollt; ich hoffe,
ich werde bald vor Euch gerechtfertigt daſtehn,
da ich es weiß, daß mir meine geliebte Albertine
verziehen. Meine Erzaͤhlung iſt nicht allzu kurz;
ſchlagen ſie uns einen Ort vor, Vetter Heinrich,
wo ich ungeſtoͤhrt erzaͤhlen kann!“

„I, da waͤre ja wohl kein Plaͤtzchen im gan¬
zen Hauſe ſchicklicher, als der Gartenſallon,“ ſagte
dieſer. „Allein ich ſchlage vor, daß wir ſaͤmmtlich
erſt ein Fruͤhſtuͤck, oder das Mittagsmahl einneh¬
men, denn mit hungriger Seele hoͤrt man nicht
gern dergleichen vortragen, ohnehin iſt es ſchon
ziemlich ſpaͤt, und in einigen Stunden laͤßt ſich
gar Manches erzaͤhlen!“ —

Die jungen Maͤnner waren dieſen Vorſchlag
zufrieden. Tina machte an Blauenſteins Seite
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[188/0194] Staunitz ſcharf an, „ich ſehe Thraͤnen in Euren Augen, lieber Vetter; was ſoll das heißen?“ „Sie gelten der herzlichen Freude uͤber Tinas Gluͤck,“ ſagte Staunitz geruͤhrt. „Es iſt mir dies ein wichtiger Tag, er hat mir eine Nachricht gebracht, die ich nicht genug ſchaͤtzen kann. Die Stunde iſt gekommen, wo Ihr alle, meine Lieben, die noͤthige Aufklaͤrung erhalten ſollt; ich hoffe, ich werde bald vor Euch gerechtfertigt daſtehn, da ich es weiß, daß mir meine geliebte Albertine verziehen. Meine Erzaͤhlung iſt nicht allzu kurz; ſchlagen ſie uns einen Ort vor, Vetter Heinrich, wo ich ungeſtoͤhrt erzaͤhlen kann!“ „I, da waͤre ja wohl kein Plaͤtzchen im gan¬ zen Hauſe ſchicklicher, als der Gartenſallon,“ ſagte dieſer. „Allein ich ſchlage vor, daß wir ſaͤmmtlich erſt ein Fruͤhſtuͤck, oder das Mittagsmahl einneh¬ men, denn mit hungriger Seele hoͤrt man nicht gern dergleichen vortragen, ohnehin iſt es ſchon ziemlich ſpaͤt, und in einigen Stunden laͤßt ſich gar Manches erzaͤhlen!“ — Die jungen Maͤnner waren dieſen Vorſchlag zufrieden. Tina machte an Blauenſteins Seite die Wirthin mit ſo unnachahmlicher Grazie und

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Zitationshilfe: Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clauren_liebe_1827/194>, abgerufen am 25.05.2024.