erforschen, ob sie sich freiwillig dem Klosterleben weihe, oder was sie außerdem zwinge, ihr junges Leben im Kloster zu vertrauren. Da schüttelte Schwester Beata das Köpfchen, und ein Seufzer schwellte ihre Brust, indem sie sagte: Glauben Sie denn, Sie eifriger Fremdling, daß uns blos ein hartes Schicksal, ein zerknirschtes Herz oder dergleichen hieher treibt in die geweihten Mauren? Es giebt Augenblicke im Leben, die keine Sprache zu bezeichnen vermag; in ihnen erschließt sich eine andere, schönere Welt, wir sehnen uns nach geistiger Ruhe, nach geistiger Reinheit. -- Können Sie sich, fuhr sie fort, und ihre Purpurlippen schienen mir besser zum Kusse, als zum Beten geformt, können Sie sich einen Begriff davon machen, was man Klosterberuf nennt? -- Ich nannte aber das Klosterleben ein verkehrtes, das aller menschlichen und gesellschaftlichen Bildung zuwider sei, und behauptete keck, die holde Schwester Beata mögte wohl freiwillig auch nicht hinter dem schweren Eisengitter stehn. Zuletzt schlug ich mich ihr als ehrsamen Beichtvater vor; allein sie meinte, dergleichen ehrwürdige Leute, wie ich, taugten für kein Kloster; ich möge mir immerhin eine Gemahlin erwählen, und diese er¬ kenne mich vielleicht als Beichtvater an, allein sie selbst sei bereits gut versorgt. Ich war durch
erforſchen, ob ſie ſich freiwillig dem Kloſterleben weihe, oder was ſie außerdem zwinge, ihr junges Leben im Kloſter zu vertrauren. Da ſchuͤttelte Schweſter Beata das Koͤpfchen, und ein Seufzer ſchwellte ihre Bruſt, indem ſie ſagte: Glauben Sie denn, Sie eifriger Fremdling, daß uns blos ein hartes Schickſal, ein zerknirſchtes Herz oder dergleichen hieher treibt in die geweihten Mauren? Es giebt Augenblicke im Leben, die keine Sprache zu bezeichnen vermag; in ihnen erſchließt ſich eine andere, ſchoͤnere Welt, wir ſehnen uns nach geiſtiger Ruhe, nach geiſtiger Reinheit. — Koͤnnen Sie ſich, fuhr ſie fort, und ihre Purpurlippen ſchienen mir beſſer zum Kuſſe, als zum Beten geformt, koͤnnen Sie ſich einen Begriff davon machen, was man Kloſterberuf nennt? — Ich nannte aber das Kloſterleben ein verkehrtes, das aller menſchlichen und geſellſchaftlichen Bildung zuwider ſei, und behauptete keck, die holde Schweſter Beata moͤgte wohl freiwillig auch nicht hinter dem ſchweren Eiſengitter ſtehn. Zuletzt ſchlug ich mich ihr als ehrſamen Beichtvater vor; allein ſie meinte, dergleichen ehrwuͤrdige Leute, wie ich, taugten fuͤr kein Kloſter; ich moͤge mir immerhin eine Gemahlin erwaͤhlen, und dieſe er¬ kenne mich vielleicht als Beichtvater an, allein ſie ſelbſt ſei bereits gut verſorgt. Ich war durch
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erforſchen, ob ſie ſich freiwillig dem Kloſterleben
weihe, oder was ſie außerdem zwinge, ihr junges
Leben im Kloſter zu vertrauren. Da ſchuͤttelte
Schweſter Beata das Koͤpfchen, und ein Seufzer
ſchwellte ihre Bruſt, indem ſie ſagte: Glauben
Sie denn, Sie eifriger Fremdling, daß uns blos
ein hartes Schickſal, ein zerknirſchtes Herz oder
dergleichen hieher treibt in die geweihten Mauren?
Es giebt Augenblicke im Leben, die keine Sprache
zu bezeichnen vermag; in ihnen erſchließt ſich
eine andere, ſchoͤnere Welt, wir ſehnen uns nach
geiſtiger Ruhe, nach geiſtiger Reinheit. — Koͤnnen
Sie ſich, fuhr ſie fort, und ihre Purpurlippen
ſchienen mir beſſer zum Kuſſe, als zum Beten
geformt, koͤnnen Sie ſich einen Begriff davon
machen, was man Kloſterberuf nennt? — Ich
nannte aber das Kloſterleben ein verkehrtes, das
aller menſchlichen und geſellſchaftlichen Bildung
zuwider ſei, und behauptete keck, die holde
Schweſter Beata moͤgte wohl freiwillig auch nicht
hinter dem ſchweren Eiſengitter ſtehn. Zuletzt
ſchlug ich mich ihr als ehrſamen Beichtvater vor;
allein ſie meinte, dergleichen ehrwuͤrdige Leute,
wie ich, taugten fuͤr kein Kloſter; ich moͤge mir
immerhin eine Gemahlin erwaͤhlen, und dieſe er¬
kenne mich vielleicht als Beichtvater an, allein
ſie ſelbſt ſei bereits gut verſorgt. Ich war durch
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Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827, S. 200. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clauren_liebe_1827/206>, abgerufen am 18.05.2024.
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