Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827.

Bild:
<< vorherige Seite

Adeline reichte mir lächlend die kleine Schwa¬
nenhand, und meinte, sie wolle die Sache ein
wenig überlegen. Übrigens müsse sie mir und
meinem Freunde zu ihrer Rechtfertigung mit¬
theilen, weshalb sie ganz wider ihre Neigung
zum Klosterleben verdammt worden sei. Ich war
natürlich nebst meinem Reisegefährten höchst be¬
gierig, welche Verhältnisse diesem Engel solchen
Kummer bereitet, und sie führte uns denn fol¬
gendermaßen in ihr früheres Leben ein.

Adelinens Mutter, nach ihrer Beschreibung
war sie der Tochter Ebenbild, wurde von dem
Freiherrn von Rosen geliebt, und sie reichte ihm
nach kurzen Bewerbungen ihre Hand. Die er¬
wähnte Äbtissin, welche damals noch an kein
Kloster, geschweige an ihre Nonnenschaft dachte,
lernt den Freiherrn vor seiner Verbindung kennen,
und in ihrem vielleicht zu warmen Herzen ent¬
zündet sich eine heftige Leidenschaft, die der junge
liebenswürdige Mann nicht erwiedern konnte, weil
er theils die nachmalige Äbtissin als eine höchst
unleidliche, zudringliche Person nicht leiden mogte,
theils sein Herz bereits weit besser untergebracht
hatte.

Die Äbtissin, ich weiß mich für jetzt ihres

Adeline reichte mir laͤchlend die kleine Schwa¬
nenhand, und meinte, ſie wolle die Sache ein
wenig uͤberlegen. Übrigens muͤſſe ſie mir und
meinem Freunde zu ihrer Rechtfertigung mit¬
theilen, weshalb ſie ganz wider ihre Neigung
zum Kloſterleben verdammt worden ſei. Ich war
natuͤrlich nebſt meinem Reiſegefaͤhrten hoͤchſt be¬
gierig, welche Verhaͤltniſſe dieſem Engel ſolchen
Kummer bereitet, und ſie fuͤhrte uns denn fol¬
gendermaßen in ihr fruͤheres Leben ein.

Adelinens Mutter, nach ihrer Beſchreibung
war ſie der Tochter Ebenbild, wurde von dem
Freiherrn von Roſen geliebt, und ſie reichte ihm
nach kurzen Bewerbungen ihre Hand. Die er¬
waͤhnte Äbtiſſin, welche damals noch an kein
Kloſter, geſchweige an ihre Nonnenſchaft dachte,
lernt den Freiherrn vor ſeiner Verbindung kennen,
und in ihrem vielleicht zu warmen Herzen ent¬
zuͤndet ſich eine heftige Leidenſchaft, die der junge
liebenswuͤrdige Mann nicht erwiedern konnte, weil
er theils die nachmalige Äbtiſſin als eine hoͤchſt
unleidliche, zudringliche Perſon nicht leiden mogte,
theils ſein Herz bereits weit beſſer untergebracht
hatte.

Die Äbtiſſin, ich weiß mich fuͤr jetzt ihres

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0220" n="214"/>
        <p>Adeline reichte mir la&#x0364;chlend die kleine Schwa¬<lb/>
nenhand, und meinte, &#x017F;ie wolle die Sache ein<lb/>
wenig u&#x0364;berlegen. Übrigens mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e &#x017F;ie mir und<lb/>
meinem Freunde zu ihrer Rechtfertigung mit¬<lb/>
theilen, weshalb &#x017F;ie ganz wider ihre Neigung<lb/>
zum Klo&#x017F;terleben verdammt worden &#x017F;ei. Ich war<lb/>
natu&#x0364;rlich neb&#x017F;t meinem Rei&#x017F;egefa&#x0364;hrten ho&#x0364;ch&#x017F;t be¬<lb/>
gierig, welche Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e die&#x017F;em Engel &#x017F;olchen<lb/>
Kummer bereitet, und &#x017F;ie fu&#x0364;hrte uns denn fol¬<lb/>
gendermaßen in ihr fru&#x0364;heres Leben ein.</p><lb/>
        <p>Adelinens Mutter, nach ihrer Be&#x017F;chreibung<lb/>
war &#x017F;ie der Tochter Ebenbild, wurde von dem<lb/>
Freiherrn von Ro&#x017F;en geliebt, und &#x017F;ie reichte ihm<lb/>
nach kurzen Bewerbungen ihre Hand. Die er¬<lb/>
wa&#x0364;hnte Äbti&#x017F;&#x017F;in, welche damals noch an kein<lb/>
Klo&#x017F;ter, ge&#x017F;chweige an ihre Nonnen&#x017F;chaft dachte,<lb/>
lernt den Freiherrn vor &#x017F;einer Verbindung kennen,<lb/>
und in ihrem vielleicht zu warmen Herzen ent¬<lb/>
zu&#x0364;ndet &#x017F;ich eine heftige Leiden&#x017F;chaft, die der junge<lb/>
liebenswu&#x0364;rdige Mann nicht erwiedern konnte, weil<lb/>
er theils die nachmalige Äbti&#x017F;&#x017F;in als eine ho&#x0364;ch&#x017F;t<lb/>
unleidliche, zudringliche Per&#x017F;on nicht leiden mogte,<lb/>
theils &#x017F;ein Herz bereits weit be&#x017F;&#x017F;er untergebracht<lb/>
hatte.</p><lb/>
        <p>Die Äbti&#x017F;&#x017F;in, ich weiß mich fu&#x0364;r jetzt ihres<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[214/0220] Adeline reichte mir laͤchlend die kleine Schwa¬ nenhand, und meinte, ſie wolle die Sache ein wenig uͤberlegen. Übrigens muͤſſe ſie mir und meinem Freunde zu ihrer Rechtfertigung mit¬ theilen, weshalb ſie ganz wider ihre Neigung zum Kloſterleben verdammt worden ſei. Ich war natuͤrlich nebſt meinem Reiſegefaͤhrten hoͤchſt be¬ gierig, welche Verhaͤltniſſe dieſem Engel ſolchen Kummer bereitet, und ſie fuͤhrte uns denn fol¬ gendermaßen in ihr fruͤheres Leben ein. Adelinens Mutter, nach ihrer Beſchreibung war ſie der Tochter Ebenbild, wurde von dem Freiherrn von Roſen geliebt, und ſie reichte ihm nach kurzen Bewerbungen ihre Hand. Die er¬ waͤhnte Äbtiſſin, welche damals noch an kein Kloſter, geſchweige an ihre Nonnenſchaft dachte, lernt den Freiherrn vor ſeiner Verbindung kennen, und in ihrem vielleicht zu warmen Herzen ent¬ zuͤndet ſich eine heftige Leidenſchaft, die der junge liebenswuͤrdige Mann nicht erwiedern konnte, weil er theils die nachmalige Äbtiſſin als eine hoͤchſt unleidliche, zudringliche Perſon nicht leiden mogte, theils ſein Herz bereits weit beſſer untergebracht hatte. Die Äbtiſſin, ich weiß mich fuͤr jetzt ihres

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/clauren_liebe_1827
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/clauren_liebe_1827/220
Zitationshilfe: Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827, S. 214. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clauren_liebe_1827/220>, abgerufen am 26.11.2024.