Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827.

Bild:
<< vorherige Seite

Namens nicht zu erinnern, wirft nun auf die
junge, engelschöne Frau ihres angebeteten Lieblings
einen tödtlichen, unmenschlichen Haß, sie wird
gegen sich selbst zur Furie und gelobt sich, an
der Unschuldigen Rache zu nehmen, indem sie sich
einbildet, des Freiherrn junge Gemahlin habe sie
durch alle schändlichen Künste der Koquetterie
in seinen Augen herabgesetzt und verkleinert.
Das liebenswürdige Weib wußte hiervon kaum
ein Wort, wenn gleich ihrer Nebenbuhlerin un¬
kluges Benehmen allgemein bekannt war, und
lebte in der Liebe zu ihrem Gatten die schönsten
Stunden, da rief der unerbittliche, ernste Todes¬
engel den Heißgeliebten von ihrer Seite ab. Ihre
Ehe hatte kaum sechs Jahre gedauert.

Wie oft irrt das menschliche Herz, dem die
Zukunft dicht verschleiert ist! Sie wandte allen
Fleiß auf die Erziehung ihres einzigen Kindes,
Adeline, und nahm die ihr bezeigte Aufmerksam¬
keit des erwähnten Commercienraths, eines hab¬
süchtigen Heuchlers, für reine Freundschaft, und
reicht ihm, in der Hoffnung, als Witwe in ihm
einen kräftigen Schutz zu haben, nach einigen
Jahren die Hand. Der Schändliche wollte nichts,
als ihr Vermögen erringen, er zeigte sich bald
in seiner wahren Gestalt, und machte die Arme

Namens nicht zu erinnern, wirft nun auf die
junge, engelſchoͤne Frau ihres angebeteten Lieblings
einen toͤdtlichen, unmenſchlichen Haß, ſie wird
gegen ſich ſelbſt zur Furie und gelobt ſich, an
der Unſchuldigen Rache zu nehmen, indem ſie ſich
einbildet, des Freiherrn junge Gemahlin habe ſie
durch alle ſchaͤndlichen Kuͤnſte der Koquetterie
in ſeinen Augen herabgeſetzt und verkleinert.
Das liebenswuͤrdige Weib wußte hiervon kaum
ein Wort, wenn gleich ihrer Nebenbuhlerin un¬
kluges Benehmen allgemein bekannt war, und
lebte in der Liebe zu ihrem Gatten die ſchoͤnſten
Stunden, da rief der unerbittliche, ernſte Todes¬
engel den Heißgeliebten von ihrer Seite ab. Ihre
Ehe hatte kaum ſechs Jahre gedauert.

Wie oft irrt das menſchliche Herz, dem die
Zukunft dicht verſchleiert iſt! Sie wandte allen
Fleiß auf die Erziehung ihres einzigen Kindes,
Adeline, und nahm die ihr bezeigte Aufmerkſam¬
keit des erwaͤhnten Commercienraths, eines hab¬
ſuͤchtigen Heuchlers, fuͤr reine Freundſchaft, und
reicht ihm, in der Hoffnung, als Witwe in ihm
einen kraͤftigen Schutz zu haben, nach einigen
Jahren die Hand. Der Schaͤndliche wollte nichts,
als ihr Vermoͤgen erringen, er zeigte ſich bald
in ſeiner wahren Geſtalt, und machte die Arme

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0221" n="215"/>
Namens nicht zu erinnern, wirft nun auf die<lb/>
junge, engel&#x017F;cho&#x0364;ne Frau ihres angebeteten Lieblings<lb/>
einen to&#x0364;dtlichen, unmen&#x017F;chlichen Haß, &#x017F;ie wird<lb/>
gegen &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t zur Furie und gelobt &#x017F;ich, an<lb/>
der Un&#x017F;chuldigen Rache zu nehmen, indem &#x017F;ie &#x017F;ich<lb/>
einbildet, des Freiherrn junge Gemahlin habe &#x017F;ie<lb/>
durch alle &#x017F;cha&#x0364;ndlichen Ku&#x0364;n&#x017F;te der Koquetterie<lb/>
in &#x017F;einen Augen herabge&#x017F;etzt und verkleinert.<lb/>
Das liebenswu&#x0364;rdige Weib wußte hiervon kaum<lb/>
ein Wort, wenn gleich ihrer Nebenbuhlerin un¬<lb/>
kluges Benehmen allgemein bekannt war, und<lb/>
lebte in der Liebe zu ihrem Gatten die &#x017F;cho&#x0364;n&#x017F;ten<lb/>
Stunden, da rief der unerbittliche, ern&#x017F;te Todes¬<lb/>
engel den Heißgeliebten von ihrer Seite ab. Ihre<lb/>
Ehe hatte kaum &#x017F;echs Jahre gedauert.</p><lb/>
        <p>Wie oft irrt das men&#x017F;chliche Herz, dem die<lb/>
Zukunft dicht ver&#x017F;chleiert i&#x017F;t! Sie wandte allen<lb/>
Fleiß auf die Erziehung ihres einzigen Kindes,<lb/>
Adeline, und nahm die ihr bezeigte Aufmerk&#x017F;am¬<lb/>
keit des erwa&#x0364;hnten Commercienraths, eines hab¬<lb/>
&#x017F;u&#x0364;chtigen Heuchlers, fu&#x0364;r reine Freund&#x017F;chaft, und<lb/>
reicht ihm, in der Hoffnung, als Witwe in ihm<lb/>
einen kra&#x0364;ftigen Schutz zu haben, nach einigen<lb/>
Jahren die Hand. Der Scha&#x0364;ndliche wollte nichts,<lb/>
als ihr Vermo&#x0364;gen erringen, er zeigte &#x017F;ich bald<lb/>
in &#x017F;einer wahren Ge&#x017F;talt, und machte die Arme<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[215/0221] Namens nicht zu erinnern, wirft nun auf die junge, engelſchoͤne Frau ihres angebeteten Lieblings einen toͤdtlichen, unmenſchlichen Haß, ſie wird gegen ſich ſelbſt zur Furie und gelobt ſich, an der Unſchuldigen Rache zu nehmen, indem ſie ſich einbildet, des Freiherrn junge Gemahlin habe ſie durch alle ſchaͤndlichen Kuͤnſte der Koquetterie in ſeinen Augen herabgeſetzt und verkleinert. Das liebenswuͤrdige Weib wußte hiervon kaum ein Wort, wenn gleich ihrer Nebenbuhlerin un¬ kluges Benehmen allgemein bekannt war, und lebte in der Liebe zu ihrem Gatten die ſchoͤnſten Stunden, da rief der unerbittliche, ernſte Todes¬ engel den Heißgeliebten von ihrer Seite ab. Ihre Ehe hatte kaum ſechs Jahre gedauert. Wie oft irrt das menſchliche Herz, dem die Zukunft dicht verſchleiert iſt! Sie wandte allen Fleiß auf die Erziehung ihres einzigen Kindes, Adeline, und nahm die ihr bezeigte Aufmerkſam¬ keit des erwaͤhnten Commercienraths, eines hab¬ ſuͤchtigen Heuchlers, fuͤr reine Freundſchaft, und reicht ihm, in der Hoffnung, als Witwe in ihm einen kraͤftigen Schutz zu haben, nach einigen Jahren die Hand. Der Schaͤndliche wollte nichts, als ihr Vermoͤgen erringen, er zeigte ſich bald in ſeiner wahren Geſtalt, und machte die Arme

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/clauren_liebe_1827
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/clauren_liebe_1827/221
Zitationshilfe: Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827, S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clauren_liebe_1827/221>, abgerufen am 18.05.2024.