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Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827.

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liebte Adeline mit der ganzen Leidenschaft meines
Herzens! -- -- Nun ging ich mit mir zu Rathe,
was zu thun sei, ob ich ihr entsagen, und Tina
meine gelobte Treue halten müsse, aber ich ver¬
mogte kein vernünftiges Ende zu finden, und
schrieb Albertinen einen vorbereitenden Brief.
Eine unsägliche Angst drückte nach dem Abgange
des Schreibens meine Brust, ich hatte, wie ein
zum Tode Verdammter, auf keiner Stelle Ruhe,
und mußte sehen, wie Adeline immer schwächer
und schwächer werdend, zuletzt auf das Kranken¬
lager sank. Die plötzliche, heimliche Flucht hatte
ihre Nerven erschüttert, und eine Erkältung fesselte
sie jetzt an's Zimmer. Da kam eine Antwort
von Blumenau; mit bebender Hast erbrach ich
Tinas Zeilen, und las. Unser Wort, schrieb sie
mir unter andern huldvoll zurück, unser Wort
verpfändeten wir uns nicht, mein Freund, und
wer dem Herzen Fesseln anlegt, der nimmt dem
Leben Licht und Wärme! Warum sollen auch
gerade Verwandte Gatten sein? Deshalb sei un¬
besorgt wegen des Streichs, den Dir Amor spielt,
und nimmer sollst Du einer Grille meines Vaters
Deines Lebens Glück zum Opfer werden lassen.

So schrieb mir Tina, und heiße Thränen der
Rührung rannen mir vom Auge. Ich durfte zu

liebte Adeline mit der ganzen Leidenſchaft meines
Herzens! — — Nun ging ich mit mir zu Rathe,
was zu thun ſei, ob ich ihr entſagen, und Tina
meine gelobte Treue halten muͤſſe, aber ich ver¬
mogte kein vernuͤnftiges Ende zu finden, und
ſchrieb Albertinen einen vorbereitenden Brief.
Eine unſaͤgliche Angſt druͤckte nach dem Abgange
des Schreibens meine Bruſt, ich hatte, wie ein
zum Tode Verdammter, auf keiner Stelle Ruhe,
und mußte ſehen, wie Adeline immer ſchwaͤcher
und ſchwaͤcher werdend, zuletzt auf das Kranken¬
lager ſank. Die ploͤtzliche, heimliche Flucht hatte
ihre Nerven erſchuͤttert, und eine Erkaͤltung feſſelte
ſie jetzt an's Zimmer. Da kam eine Antwort
von Blumenau; mit bebender Haſt erbrach ich
Tinas Zeilen, und las. Unſer Wort, ſchrieb ſie
mir unter andern huldvoll zuruͤck, unſer Wort
verpfaͤndeten wir uns nicht, mein Freund, und
wer dem Herzen Feſſeln anlegt, der nimmt dem
Leben Licht und Waͤrme! Warum ſollen auch
gerade Verwandte Gatten ſein? Deshalb ſei un¬
beſorgt wegen des Streichs, den Dir Amor ſpielt,
und nimmer ſollſt Du einer Grille meines Vaters
Deines Lebens Gluͤck zum Opfer werden laſſen.

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[220/0226] liebte Adeline mit der ganzen Leidenſchaft meines Herzens! — — Nun ging ich mit mir zu Rathe, was zu thun ſei, ob ich ihr entſagen, und Tina meine gelobte Treue halten muͤſſe, aber ich ver¬ mogte kein vernuͤnftiges Ende zu finden, und ſchrieb Albertinen einen vorbereitenden Brief. Eine unſaͤgliche Angſt druͤckte nach dem Abgange des Schreibens meine Bruſt, ich hatte, wie ein zum Tode Verdammter, auf keiner Stelle Ruhe, und mußte ſehen, wie Adeline immer ſchwaͤcher und ſchwaͤcher werdend, zuletzt auf das Kranken¬ lager ſank. Die ploͤtzliche, heimliche Flucht hatte ihre Nerven erſchuͤttert, und eine Erkaͤltung feſſelte ſie jetzt an's Zimmer. Da kam eine Antwort von Blumenau; mit bebender Haſt erbrach ich Tinas Zeilen, und las. Unſer Wort, ſchrieb ſie mir unter andern huldvoll zuruͤck, unſer Wort verpfaͤndeten wir uns nicht, mein Freund, und wer dem Herzen Feſſeln anlegt, der nimmt dem Leben Licht und Waͤrme! Warum ſollen auch gerade Verwandte Gatten ſein? Deshalb ſei un¬ beſorgt wegen des Streichs, den Dir Amor ſpielt, und nimmer ſollſt Du einer Grille meines Vaters Deines Lebens Gluͤck zum Opfer werden laſſen. So ſchrieb mir Tina, und heiße Thraͤnen der Ruͤhrung rannen mir vom Auge. Ich durfte zu

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Zitationshilfe: Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827, S. 220. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clauren_liebe_1827/226>, abgerufen am 26.11.2024.