Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827.

Bild:
<< vorherige Seite

von sich stieß, um mich im Kloster schmachten zu
lassen, das geht nicht, das muthen Sie mir auch
nicht zu. Mehren sie meine Schuld nicht durch
fernere Beweise Ihrer Menschenfreundlichkeit, lassen
Sie die Verstoßene ihren Weg gehn, haben Sie
Mitleid mit mir!

Adeline! rief ich, Sie wollten es darauf an¬
kommen lassen, ob der Zufall Ihnen günstig ist,
so wollen Sie gegen den Tyrann, Ihren Vater,
die Gerechtigkeit nicht aufrufen, die seine Schänd¬
lichkeit bestrafen muß? -- Aber lassen wir doch
diese Angelegenheit in ihrem Schleier ruhn; Ade¬
line, Sie müssen es längst errathen haben, stoßen
Sie mich nicht von sich; ich liebe Sie, ohne Sie
hat das Leben keinen Werth für mich, ohne Sie
bin ich arm und verlassen! Ich habe Ihr Herz
erkannt, es schlägt kindlich rein und edel; Adeline
sei mein, sei der Engel, der meine Zukunft segnet!

Lieben? sagte Adeline, und ich erschrack, als
ob das ganze Eis des Jungfraugebirges durch
meine Nerven stürzte, lieben? -- nein, das dürfen
Sie nicht! Sie kennen mich kaum seit wenigen
Tagen, ich bin eine Waise, vielleicht ist Ihr Schick¬
sal selbst ungewiß, es kann nicht sein, es --

von ſich ſtieß, um mich im Kloſter ſchmachten zu
laſſen, das geht nicht, das muthen Sie mir auch
nicht zu. Mehren ſie meine Schuld nicht durch
fernere Beweiſe Ihrer Menſchenfreundlichkeit, laſſen
Sie die Verſtoßene ihren Weg gehn, haben Sie
Mitleid mit mir!

Adeline! rief ich, Sie wollten es darauf an¬
kommen laſſen, ob der Zufall Ihnen guͤnſtig iſt,
ſo wollen Sie gegen den Tyrann, Ihren Vater,
die Gerechtigkeit nicht aufrufen, die ſeine Schaͤnd¬
lichkeit beſtrafen muß? — Aber laſſen wir doch
dieſe Angelegenheit in ihrem Schleier ruhn; Ade¬
line, Sie muͤſſen es laͤngſt errathen haben, ſtoßen
Sie mich nicht von ſich; ich liebe Sie, ohne Sie
hat das Leben keinen Werth fuͤr mich, ohne Sie
bin ich arm und verlaſſen! Ich habe Ihr Herz
erkannt, es ſchlaͤgt kindlich rein und edel; Adeline
ſei mein, ſei der Engel, der meine Zukunft ſegnet!

Lieben? ſagte Adeline, und ich erſchrack, als
ob das ganze Eis des Jungfraugebirges durch
meine Nerven ſtuͤrzte, lieben? — nein, das duͤrfen
Sie nicht! Sie kennen mich kaum ſeit wenigen
Tagen, ich bin eine Waiſe, vielleicht iſt Ihr Schick¬
ſal ſelbſt ungewiß, es kann nicht ſein, es —

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0229" n="223"/>
von &#x017F;ich &#x017F;tieß, um mich im Klo&#x017F;ter &#x017F;chmachten zu<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en, das geht nicht, das muthen Sie mir auch<lb/>
nicht zu. Mehren &#x017F;ie meine Schuld nicht durch<lb/>
fernere Bewei&#x017F;e Ihrer Men&#x017F;chenfreundlichkeit, la&#x017F;&#x017F;en<lb/>
Sie die Ver&#x017F;toßene ihren Weg gehn, haben Sie<lb/>
Mitleid mit mir!</p><lb/>
        <p>Adeline! rief ich, Sie wollten es darauf an¬<lb/>
kommen la&#x017F;&#x017F;en, ob der Zufall Ihnen gu&#x0364;n&#x017F;tig i&#x017F;t,<lb/>
&#x017F;o wollen Sie gegen den Tyrann, Ihren Vater,<lb/>
die Gerechtigkeit nicht aufrufen, die &#x017F;eine Scha&#x0364;nd¬<lb/>
lichkeit be&#x017F;trafen muß? &#x2014; Aber la&#x017F;&#x017F;en wir doch<lb/>
die&#x017F;e Angelegenheit in ihrem Schleier ruhn; Ade¬<lb/>
line, Sie mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en es la&#x0364;ng&#x017F;t errathen haben, &#x017F;toßen<lb/>
Sie mich nicht von &#x017F;ich; ich liebe Sie, ohne Sie<lb/>
hat das Leben keinen Werth fu&#x0364;r mich, ohne Sie<lb/>
bin ich arm und verla&#x017F;&#x017F;en! Ich habe Ihr Herz<lb/>
erkannt, es &#x017F;chla&#x0364;gt kindlich rein und edel; Adeline<lb/>
&#x017F;ei mein, &#x017F;ei der Engel, der meine Zukunft &#x017F;egnet!</p><lb/>
        <p>Lieben? &#x017F;agte Adeline, und ich er&#x017F;chrack, als<lb/>
ob das ganze Eis des Jungfraugebirges durch<lb/>
meine Nerven &#x017F;tu&#x0364;rzte, lieben? &#x2014; nein, das du&#x0364;rfen<lb/>
Sie nicht! Sie kennen mich kaum &#x017F;eit wenigen<lb/>
Tagen, ich bin eine Wai&#x017F;e, vielleicht i&#x017F;t Ihr Schick¬<lb/>
&#x017F;al &#x017F;elb&#x017F;t ungewiß, es kann nicht &#x017F;ein, es &#x2014;<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[223/0229] von ſich ſtieß, um mich im Kloſter ſchmachten zu laſſen, das geht nicht, das muthen Sie mir auch nicht zu. Mehren ſie meine Schuld nicht durch fernere Beweiſe Ihrer Menſchenfreundlichkeit, laſſen Sie die Verſtoßene ihren Weg gehn, haben Sie Mitleid mit mir! Adeline! rief ich, Sie wollten es darauf an¬ kommen laſſen, ob der Zufall Ihnen guͤnſtig iſt, ſo wollen Sie gegen den Tyrann, Ihren Vater, die Gerechtigkeit nicht aufrufen, die ſeine Schaͤnd¬ lichkeit beſtrafen muß? — Aber laſſen wir doch dieſe Angelegenheit in ihrem Schleier ruhn; Ade¬ line, Sie muͤſſen es laͤngſt errathen haben, ſtoßen Sie mich nicht von ſich; ich liebe Sie, ohne Sie hat das Leben keinen Werth fuͤr mich, ohne Sie bin ich arm und verlaſſen! Ich habe Ihr Herz erkannt, es ſchlaͤgt kindlich rein und edel; Adeline ſei mein, ſei der Engel, der meine Zukunft ſegnet! Lieben? ſagte Adeline, und ich erſchrack, als ob das ganze Eis des Jungfraugebirges durch meine Nerven ſtuͤrzte, lieben? — nein, das duͤrfen Sie nicht! Sie kennen mich kaum ſeit wenigen Tagen, ich bin eine Waiſe, vielleicht iſt Ihr Schick¬ ſal ſelbſt ungewiß, es kann nicht ſein, es —

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/clauren_liebe_1827
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/clauren_liebe_1827/229
Zitationshilfe: Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827, S. 223. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clauren_liebe_1827/229>, abgerufen am 09.11.2024.