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Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827.

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Besitzungen wir leben wollten, und feierten am
Abend desselben glücklichen Tags mit dem höchlich
verwunderten Kluge unsere Verlobung. --

Tina wußte durch meine Briefe, welchen
Schritt ich in dem Bewußtsein gethan, nur mit
meiner angebeteten Adeline glücklich werden zu
können, und wir beredeten uns lange vergeblich,
wie wir die Sache dem Grafen beibringen wollten,
der auf keinen Fall einen solchen Ausgang erwar¬
tete. Das Zartgefühl stritt heftig dagegen, mit
Adeline, die ja allein ein Opfer der Angst und
der Hülflosigkeit geworden sein würde, länger
unter solchen Verhältnissen zusammen zu sein,
oder gar in meine Heimath zu reisen, da unsere
bisherige Vereinigung ein Gebot der Nothwendig¬
keit war. Hierzu kam, daß unsere liebe Tina
mir schrieb, sie wünsche nichts sehnlicher, als daß
sie meine Adeline, die sie durch meine Briefe
hinreichend kannte, so bald als möglich als Ba¬
ronesse Staunitz umarmen könne; und so schlug
ich denn meiner in bräutlicher Verwirrung errö¬
thenden Geliebten vor, je eher je lieber am Tische
des Herrn die Weihe des ehelichen Bundes zu
empfangen. Du bist sehr rasch, mein Freund,
sagte Adeline freundlich ernst; aber als ich ihr
meine Gründe mit diplomatischer Genauigkeit

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Beſitzungen wir leben wollten, und feierten am
Abend deſſelben gluͤcklichen Tags mit dem hoͤchlich
verwunderten Kluge unſere Verlobung. —

Tina wußte durch meine Briefe, welchen
Schritt ich in dem Bewußtſein gethan, nur mit
meiner angebeteten Adeline gluͤcklich werden zu
koͤnnen, und wir beredeten uns lange vergeblich,
wie wir die Sache dem Grafen beibringen wollten,
der auf keinen Fall einen ſolchen Ausgang erwar¬
tete. Das Zartgefuͤhl ſtritt heftig dagegen, mit
Adeline, die ja allein ein Opfer der Angſt und
der Huͤlfloſigkeit geworden ſein wuͤrde, laͤnger
unter ſolchen Verhaͤltniſſen zuſammen zu ſein,
oder gar in meine Heimath zu reiſen, da unſere
bisherige Vereinigung ein Gebot der Nothwendig¬
keit war. Hierzu kam, daß unſere liebe Tina
mir ſchrieb, ſie wuͤnſche nichts ſehnlicher, als daß
ſie meine Adeline, die ſie durch meine Briefe
hinreichend kannte, ſo bald als moͤglich als Ba¬
roneſſe Staunitz umarmen koͤnne; und ſo ſchlug
ich denn meiner in braͤutlicher Verwirrung erroͤ¬
thenden Geliebten vor, je eher je lieber am Tiſche
des Herrn die Weihe des ehelichen Bundes zu
empfangen. Du biſt ſehr raſch, mein Freund,
ſagte Adeline freundlich ernſt; aber als ich ihr
meine Gruͤnde mit diplomatiſcher Genauigkeit

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[225/0231] Beſitzungen wir leben wollten, und feierten am Abend deſſelben gluͤcklichen Tags mit dem hoͤchlich verwunderten Kluge unſere Verlobung. — Tina wußte durch meine Briefe, welchen Schritt ich in dem Bewußtſein gethan, nur mit meiner angebeteten Adeline gluͤcklich werden zu koͤnnen, und wir beredeten uns lange vergeblich, wie wir die Sache dem Grafen beibringen wollten, der auf keinen Fall einen ſolchen Ausgang erwar¬ tete. Das Zartgefuͤhl ſtritt heftig dagegen, mit Adeline, die ja allein ein Opfer der Angſt und der Huͤlfloſigkeit geworden ſein wuͤrde, laͤnger unter ſolchen Verhaͤltniſſen zuſammen zu ſein, oder gar in meine Heimath zu reiſen, da unſere bisherige Vereinigung ein Gebot der Nothwendig¬ keit war. Hierzu kam, daß unſere liebe Tina mir ſchrieb, ſie wuͤnſche nichts ſehnlicher, als daß ſie meine Adeline, die ſie durch meine Briefe hinreichend kannte, ſo bald als moͤglich als Ba¬ roneſſe Staunitz umarmen koͤnne; und ſo ſchlug ich denn meiner in braͤutlicher Verwirrung erroͤ¬ thenden Geliebten vor, je eher je lieber am Tiſche des Herrn die Weihe des ehelichen Bundes zu empfangen. Du biſt ſehr raſch, mein Freund, ſagte Adeline freundlich ernſt; aber als ich ihr meine Gruͤnde mit diplomatiſcher Genauigkeit 15

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Zitationshilfe: Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827, S. 225. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clauren_liebe_1827/231>, abgerufen am 25.11.2024.