Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827.keiner gehabt. Diese dunklen Locken, die zarten keiner gehabt. Dieſe dunklen Locken, die zarten <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0027" n="21"/> keiner gehabt. Dieſe dunklen Locken, die zarten<lb/> Braunen, unter denen die dunklen Augen ſo<lb/> freundlich, ſo vielbedeutend gluͤhten, der lieblich<lb/> geformte Mund, die maͤnnliche Kraͤftigkeit in dem<lb/> geſunden Roth der Wangen und der zarten Blaͤue<lb/> des Bartes, das geiſtvolle Laͤcheln, und der Tan¬<lb/> nenwuchs! — Tina druͤckte die Augen zu, und<lb/> fuhr in dem allerliebſten Gedankenſpiele fort, und<lb/> ſenkte das zarte Naͤschen ihres Schelmengeſicht¬<lb/> chens in den friſchen Kelch der duftigen Aſter.<lb/> Wie er ſie zum Wagen gefuͤhrt, hatte er ſie mit<lb/> ſo feinem Anſtande hineingehoben, und ihr die<lb/> Hand gekuͤ — ja gekuͤßt hatte er ſie, ſie wußte<lb/> es noch ganz genau, und ſie hatte ihm die Hand<lb/> ganz leiſe, aber nur ganz ganz leiſe, wieder<lb/> gedruͤckt. Was war auch dabei weiter? Druͤckt<lb/> man doch jedem guten Menſchen die Hand, und<lb/> nun gar dem Retter ihres ſo ſehr geliebten Vaters,<lb/> der ihr Alles war, ſeit ihr Muͤtterchen im Schooß<lb/> der kuͤhlen Erde ſchlummerte! — Aber ſie mußte<lb/> wohl wieder herauf, die Daͤmmerung ward immer<lb/> duͤſterer, und das Bereiten des Thees durfte ſie<lb/> der Tante Letty unmoͤglich uͤberlaſſen. Sie hatte<lb/> gar nicht die freundliche, manierliche Art, wie es<lb/> eigentlich geſchehen mußte; und dann lag auch<lb/> in dem Theeſtuͤndchen ſelbſt ein gar zu beſonderer<lb/> Reiz, etwas ſo Trauliches und zur Unterhaltung<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [21/0027]
keiner gehabt. Dieſe dunklen Locken, die zarten
Braunen, unter denen die dunklen Augen ſo
freundlich, ſo vielbedeutend gluͤhten, der lieblich
geformte Mund, die maͤnnliche Kraͤftigkeit in dem
geſunden Roth der Wangen und der zarten Blaͤue
des Bartes, das geiſtvolle Laͤcheln, und der Tan¬
nenwuchs! — Tina druͤckte die Augen zu, und
fuhr in dem allerliebſten Gedankenſpiele fort, und
ſenkte das zarte Naͤschen ihres Schelmengeſicht¬
chens in den friſchen Kelch der duftigen Aſter.
Wie er ſie zum Wagen gefuͤhrt, hatte er ſie mit
ſo feinem Anſtande hineingehoben, und ihr die
Hand gekuͤ — ja gekuͤßt hatte er ſie, ſie wußte
es noch ganz genau, und ſie hatte ihm die Hand
ganz leiſe, aber nur ganz ganz leiſe, wieder
gedruͤckt. Was war auch dabei weiter? Druͤckt
man doch jedem guten Menſchen die Hand, und
nun gar dem Retter ihres ſo ſehr geliebten Vaters,
der ihr Alles war, ſeit ihr Muͤtterchen im Schooß
der kuͤhlen Erde ſchlummerte! — Aber ſie mußte
wohl wieder herauf, die Daͤmmerung ward immer
duͤſterer, und das Bereiten des Thees durfte ſie
der Tante Letty unmoͤglich uͤberlaſſen. Sie hatte
gar nicht die freundliche, manierliche Art, wie es
eigentlich geſchehen mußte; und dann lag auch
in dem Theeſtuͤndchen ſelbſt ein gar zu beſonderer
Reiz, etwas ſo Trauliches und zur Unterhaltung
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