Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827.rief Tina, und drückte einen Kuß auf des Fremden "Aber Blauenstein war seiner Sinne kaum Staunitz war mit seiner Tina verschwunden, rief Tina, und druͤckte einen Kuß auf des Fremden „Aber Blauenſtein war ſeiner Sinne kaum Staunitz war mit ſeiner Tina verſchwunden, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0045" n="39"/> rief Tina, und druͤckte einen Kuß auf des Fremden<lb/> Lippen, „woher zu dieſer Stunde?“</p><lb/> <p>„Aber Blauenſtein war ſeiner Sinne kaum<lb/> maͤchtig; hier ſtand der Haſſenswerthe an der<lb/> Seite des angebeteten Engels, er lag in ihren<lb/> Armen, und ſog den Honig der ſuͤßeſten Liebe<lb/> aus den Lippen des Maͤdchens, das er mit der<lb/> ganzen Leidenſchaft ſeines Herzens umfaßte! Es<lb/> war ihm, als laſteten zehntauſend Muͤhlenſteine<lb/> auf ſeiner Bruſt, als zoͤge es ihn mit Rieſenge¬<lb/> walt hinab in die unendliche Tiefe des zerrei¬<lb/> ßendſten Liebesſchmerzes!</p><lb/> <p>Staunitz war mit ſeiner Tina verſchwunden,<lb/> das gluͤckliche Paar hatte den Ungluͤcklichen ver¬<lb/> laſſen, und er verwirrte ſich, halb von Wehmuth<lb/> niedergebeugt, halb innerlich empoͤrt, in dem Chaos<lb/> ſeiner Stimmung. Die Welt war ihm nun mit<lb/> allen ihren Freuden verhaßt; das Maͤdchen, nein,<lb/> eine ſolche Liebe, wie ſein Herz beſeelte, hatte<lb/> dieſe Erde nicht wieder aufzuweiſen, und das<lb/> Maͤdchen konnte ihm ſo ungeheuer wehe thun!<lb/> Gott wollte einen Engel zeigen, dachte Blauen¬<lb/> ſtein bei ſich, und in einer Furie hatte ſich dieſer<lb/> unſaͤgliche Reiz vereinigt? Aber nein, es war ja<lb/> nicht moͤglich, es konnte ja nicht ſein, ſolcher<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [39/0045]
rief Tina, und druͤckte einen Kuß auf des Fremden
Lippen, „woher zu dieſer Stunde?“
„Aber Blauenſtein war ſeiner Sinne kaum
maͤchtig; hier ſtand der Haſſenswerthe an der
Seite des angebeteten Engels, er lag in ihren
Armen, und ſog den Honig der ſuͤßeſten Liebe
aus den Lippen des Maͤdchens, das er mit der
ganzen Leidenſchaft ſeines Herzens umfaßte! Es
war ihm, als laſteten zehntauſend Muͤhlenſteine
auf ſeiner Bruſt, als zoͤge es ihn mit Rieſenge¬
walt hinab in die unendliche Tiefe des zerrei¬
ßendſten Liebesſchmerzes!
Staunitz war mit ſeiner Tina verſchwunden,
das gluͤckliche Paar hatte den Ungluͤcklichen ver¬
laſſen, und er verwirrte ſich, halb von Wehmuth
niedergebeugt, halb innerlich empoͤrt, in dem Chaos
ſeiner Stimmung. Die Welt war ihm nun mit
allen ihren Freuden verhaßt; das Maͤdchen, nein,
eine ſolche Liebe, wie ſein Herz beſeelte, hatte
dieſe Erde nicht wieder aufzuweiſen, und das
Maͤdchen konnte ihm ſo ungeheuer wehe thun!
Gott wollte einen Engel zeigen, dachte Blauen¬
ſtein bei ſich, und in einer Furie hatte ſich dieſer
unſaͤgliche Reiz vereinigt? Aber nein, es war ja
nicht moͤglich, es konnte ja nicht ſein, ſolcher
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