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Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827.

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mich über eine so traurige Wahrheit zu täu¬
schen suchen!"

"In der That?" fragte Blauenstein, und man
sah an seinem geheimen Beben, wie er mit sich
selbst kämpfte. "O Gott, ich vermag keinen
Widerstand zu leisten! Albertine, könnten Sie
einen Blick in mein Herz werfen!" --

Mit raschem Ungestüm drückte er bei diesen
Worten die brennenden Lippen auf Tinas Hand,
und floh, sich loßreißend, nach dem Schlosse zu.
Es war klar, sie liebte ihn, ihr ganzes Wesen
verrieth es, sie selbst legte es ja offenbar darauf
an, so recht genau verstanden zu werden!

Konnte man das ein Verbrechen nennen? Sie
war verlobt; aber liebte sie denn jenen Staunitz
auch, war es ihr zur Last zu legen, wenn das
Herz sich nach wahrer Liebe sehnte? Hundert
solcher Fragen durchkreuzten sich in Blauensteins
Kopfe, er lief, als ob es hinter ihm brenne, bog
rasch um die Ecke des Treibhauses, und rannte
gegen Oncle Heinrich, welcher mit Staunitz
plötzlich vor ihm stand!

"Schweden und die Propheten!" rief der erstere

mich uͤber eine ſo traurige Wahrheit zu taͤu¬
ſchen ſuchen!“

„In der That?“ fragte Blauenſtein, und man
ſah an ſeinem geheimen Beben, wie er mit ſich
ſelbſt kaͤmpfte. „O Gott, ich vermag keinen
Widerſtand zu leiſten! Albertine, koͤnnten Sie
einen Blick in mein Herz werfen!“ —

Mit raſchem Ungeſtuͤm druͤckte er bei dieſen
Worten die brennenden Lippen auf Tinas Hand,
und floh, ſich loßreißend, nach dem Schloſſe zu.
Es war klar, ſie liebte ihn, ihr ganzes Weſen
verrieth es, ſie ſelbſt legte es ja offenbar darauf
an, ſo recht genau verſtanden zu werden!

Konnte man das ein Verbrechen nennen? Sie
war verlobt; aber liebte ſie denn jenen Staunitz
auch, war es ihr zur Laſt zu legen, wenn das
Herz ſich nach wahrer Liebe ſehnte? Hundert
ſolcher Fragen durchkreuzten ſich in Blauenſteins
Kopfe, er lief, als ob es hinter ihm brenne, bog
raſch um die Ecke des Treibhauſes, und rannte
gegen Oncle Heinrich, welcher mit Staunitz
ploͤtzlich vor ihm ſtand!

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[42/0048] mich uͤber eine ſo traurige Wahrheit zu taͤu¬ ſchen ſuchen!“ „In der That?“ fragte Blauenſtein, und man ſah an ſeinem geheimen Beben, wie er mit ſich ſelbſt kaͤmpfte. „O Gott, ich vermag keinen Widerſtand zu leiſten! Albertine, koͤnnten Sie einen Blick in mein Herz werfen!“ — Mit raſchem Ungeſtuͤm druͤckte er bei dieſen Worten die brennenden Lippen auf Tinas Hand, und floh, ſich loßreißend, nach dem Schloſſe zu. Es war klar, ſie liebte ihn, ihr ganzes Weſen verrieth es, ſie ſelbſt legte es ja offenbar darauf an, ſo recht genau verſtanden zu werden! Konnte man das ein Verbrechen nennen? Sie war verlobt; aber liebte ſie denn jenen Staunitz auch, war es ihr zur Laſt zu legen, wenn das Herz ſich nach wahrer Liebe ſehnte? Hundert ſolcher Fragen durchkreuzten ſich in Blauenſteins Kopfe, er lief, als ob es hinter ihm brenne, bog raſch um die Ecke des Treibhauſes, und rannte gegen Oncle Heinrich, welcher mit Staunitz ploͤtzlich vor ihm ſtand! „Schweden und die Propheten!“ rief der erſtere

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Zitationshilfe: Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clauren_liebe_1827/48>, abgerufen am 05.05.2024.