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Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827.

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Verwalter Sander, welcher sich im Secretariat zu
arbeiten einmal nicht nehmen ließ, erhielt den
Auftrag, die Familien aufzuzeichnen, welche zum
Balle geladen werden sollten. Nach einer Stunde
kam der Eilfertige bereits mit einem Register
von Damen zurück, so daß man schier vermeinte,
der verschrumpfte Leporello stehe mit dem Verzeich¬
nisse der schrecklichen Anzahl von Liebschaften des
edlen Don Juan vor einem! Staunitz lachte dem
ehrlichen Sander gerade in's Gesicht; aber Oncle
Heinrich nahm die Papiere, und sagte mit einer
grämlichen Miene; nachdem er die einzelnen auf¬
gezeichneten Familien durchlaufen:

"Wenn wir funfzig Personen streichen, lieber
Schwager, so bleiben noch genug übrig für unsern
Zweck; aber," fuhr er leiser fort, "ich habe hier
einige Leutchen, die in unsern Kreis nicht paffen!
Da ist z. B. die alte Drostin Steinburg mit
ihrem Sohne, dem Musje Unausstehlich, und der
alte Kammerherr Wehrmann; das Volk taugt
nichts! Und nun gar hier der verwelkte Tulpen¬
stengel, Fräulein Babet mit ihrer Mama Klatsche!

"Schwager!" sagte der Graf, und schüttelte
mißbilligend den Kopf, "halt doch Deine Zunge
endlich einmal besser im Zaum. Deine Ansichten

Verwalter Sander, welcher ſich im Secretariat zu
arbeiten einmal nicht nehmen ließ, erhielt den
Auftrag, die Familien aufzuzeichnen, welche zum
Balle geladen werden ſollten. Nach einer Stunde
kam der Eilfertige bereits mit einem Regiſter
von Damen zuruͤck, ſo daß man ſchier vermeinte,
der verſchrumpfte Leporello ſtehe mit dem Verzeich¬
niſſe der ſchrecklichen Anzahl von Liebſchaften des
edlen Don Juan vor einem! Staunitz lachte dem
ehrlichen Sander gerade in's Geſicht; aber Oncle
Heinrich nahm die Papiere, und ſagte mit einer
graͤmlichen Miene; nachdem er die einzelnen auf¬
gezeichneten Familien durchlaufen:

„Wenn wir funfzig Perſonen ſtreichen, lieber
Schwager, ſo bleiben noch genug uͤbrig fuͤr unſern
Zweck; aber,“ fuhr er leiſer fort, „ich habe hier
einige Leutchen, die in unſern Kreis nicht paffen!
Da iſt z. B. die alte Droſtin Steinburg mit
ihrem Sohne, dem Musje Unausſtehlich, und der
alte Kammerherr Wehrmann; das Volk taugt
nichts! Und nun gar hier der verwelkte Tulpen¬
ſtengel, Fraͤulein Babet mit ihrer Mama Klatſche!

„Schwager!“ ſagte der Graf, und ſchuͤttelte
mißbilligend den Kopf, „halt doch Deine Zunge
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[46/0052] Verwalter Sander, welcher ſich im Secretariat zu arbeiten einmal nicht nehmen ließ, erhielt den Auftrag, die Familien aufzuzeichnen, welche zum Balle geladen werden ſollten. Nach einer Stunde kam der Eilfertige bereits mit einem Regiſter von Damen zuruͤck, ſo daß man ſchier vermeinte, der verſchrumpfte Leporello ſtehe mit dem Verzeich¬ niſſe der ſchrecklichen Anzahl von Liebſchaften des edlen Don Juan vor einem! Staunitz lachte dem ehrlichen Sander gerade in's Geſicht; aber Oncle Heinrich nahm die Papiere, und ſagte mit einer graͤmlichen Miene; nachdem er die einzelnen auf¬ gezeichneten Familien durchlaufen: „Wenn wir funfzig Perſonen ſtreichen, lieber Schwager, ſo bleiben noch genug uͤbrig fuͤr unſern Zweck; aber,“ fuhr er leiſer fort, „ich habe hier einige Leutchen, die in unſern Kreis nicht paffen! Da iſt z. B. die alte Droſtin Steinburg mit ihrem Sohne, dem Musje Unausſtehlich, und der alte Kammerherr Wehrmann; das Volk taugt nichts! Und nun gar hier der verwelkte Tulpen¬ ſtengel, Fraͤulein Babet mit ihrer Mama Klatſche! „Schwager!“ ſagte der Graf, und ſchuͤttelte mißbilligend den Kopf, „halt doch Deine Zunge endlich einmal beſſer im Zaum. Deine Anſichten

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Zitationshilfe: Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clauren_liebe_1827/52>, abgerufen am 24.11.2024.