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Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827.

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Goldengel, so gehts schief; meine Leute kündigen
mir auf, die Gläubiger machen drohende Gesich¬
ter, -- Himmel, ich mag nicht daran denken, mir
wird grün und gelb vor den Augen! --

Sie rannte schnell zum Sohne, der mit
einem Schaafsgesicht den Tanzenden zusah. Sie
gab ihm ganz geheim einen mütterlichen Seiten¬
stoß, und raunte ihm ziemlich vernehmlich in die
übergroßen Ohren, hinter denen ein Paar widri¬
ge Pflaster dufteten: "Mensch, Du stehst hier,
und kuckst wie ein Narr zu?! Habe ich Dir
nicht gleich gesagt, Du sollst etwas um die Tina
herum sein, mit ihr sprechen, tanzen, sie von Deinen
Reisen unterhalten?! Steht der Mensch hier in der
Ecke! Wie oft habe ich Dich gebeten, Du sollst
Dein verfluchtes Schielen lassen; denn wenn
Dich die Comtesse sieht, wie Du mit einem Auge
ihr auf die Fußspitze, mit dem andern nach dem
Kronleuchter kuckst, so nimmt sie Dich im
Leben nicht!"

"Mais mon dieu, gnädige Mamma!" er¬
wiederte Antönchen betreten, "man darf doch nicht
übermäßig zudringlich sein; et quand a moi,
ich habe ihr meine Huldigungen devotest bereits
zu Füßen gelegt!"

Goldengel, ſo gehts ſchief; meine Leute kuͤndigen
mir auf, die Glaͤubiger machen drohende Geſich¬
ter, — Himmel, ich mag nicht daran denken, mir
wird gruͤn und gelb vor den Augen! —

Sie rannte ſchnell zum Sohne, der mit
einem Schaafsgeſicht den Tanzenden zuſah. Sie
gab ihm ganz geheim einen muͤtterlichen Seiten¬
ſtoß, und raunte ihm ziemlich vernehmlich in die
uͤbergroßen Ohren, hinter denen ein Paar widri¬
ge Pflaſter dufteten: „Menſch, Du ſtehſt hier,
und kuckſt wie ein Narr zu?! Habe ich Dir
nicht gleich geſagt, Du ſollſt etwas um die Tina
herum ſein, mit ihr ſprechen, tanzen, ſie von Deinen
Reiſen unterhalten?! Steht der Menſch hier in der
Ecke! Wie oft habe ich Dich gebeten, Du ſollſt
Dein verfluchtes Schielen laſſen; denn wenn
Dich die Comteſſe ſieht, wie Du mit einem Auge
ihr auf die Fußſpitze, mit dem andern nach dem
Kronleuchter kuckſt, ſo nimmt ſie Dich im
Leben nicht!“

„Mais mon dieu, gnaͤdige Mamma!“ er¬
wiederte Antoͤnchen betreten, „man darf doch nicht
uͤbermaͤßig zudringlich ſein; et quand à moi,
ich habe ihr meine Huldigungen devoteſt bereits
zu Fuͤßen gelegt!“

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[60/0066] Goldengel, ſo gehts ſchief; meine Leute kuͤndigen mir auf, die Glaͤubiger machen drohende Geſich¬ ter, — Himmel, ich mag nicht daran denken, mir wird gruͤn und gelb vor den Augen! — Sie rannte ſchnell zum Sohne, der mit einem Schaafsgeſicht den Tanzenden zuſah. Sie gab ihm ganz geheim einen muͤtterlichen Seiten¬ ſtoß, und raunte ihm ziemlich vernehmlich in die uͤbergroßen Ohren, hinter denen ein Paar widri¬ ge Pflaſter dufteten: „Menſch, Du ſtehſt hier, und kuckſt wie ein Narr zu?! Habe ich Dir nicht gleich geſagt, Du ſollſt etwas um die Tina herum ſein, mit ihr ſprechen, tanzen, ſie von Deinen Reiſen unterhalten?! Steht der Menſch hier in der Ecke! Wie oft habe ich Dich gebeten, Du ſollſt Dein verfluchtes Schielen laſſen; denn wenn Dich die Comteſſe ſieht, wie Du mit einem Auge ihr auf die Fußſpitze, mit dem andern nach dem Kronleuchter kuckſt, ſo nimmt ſie Dich im Leben nicht!“ „Mais mon dieu, gnaͤdige Mamma!“ er¬ wiederte Antoͤnchen betreten, „man darf doch nicht uͤbermaͤßig zudringlich ſein; et quand à moi, ich habe ihr meine Huldigungen devoteſt bereits zu Fuͤßen gelegt!“

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Zitationshilfe: Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clauren_liebe_1827/66>, abgerufen am 21.11.2024.