des Saales die Geheimderäthin in einer gewissen Verlegenheit begegnet war. Irrte sie nicht, so hatte diese Blauensteins Namen neben den ihrer Tochter gelegt. Oncle Heinrich glaubte, die Zet¬ tel waren noch nicht recht geordnet, aber auf der andern Seite neben Blauenstein las er zu seiner Verwundrung den Namen der Tante Letty, und dachte bei sich, daß die alberne Person eigentlich ganz unten hin gehöre, wo sie auf die Unterhal¬ tung eines jungen Mannes nicht rechnen konnte. Tina ordnete nun die Namen nach ihrem Köpf¬ chen, hüpfte höchst vergnügt über ihr Arrange¬ ment zu den Gästen zurück, und reichte dem ihr freundlich entgegen tretenden Staunitz die Schwa¬ nenhand, welche dieser an seine Lippen zog. "Hast Du," hob Tina an, und blickte dem schö¬ nen Manne in das klare Seelenauge, "hast Du auch nicht vergessen, was Du mir versprachest, mein theurer, lieber Freund? Siehst Du," fuhr sie fort, als Staunitz genickt hatte, und langte aus der Schneetiefe ihres von geheimer Lust be¬ benden Busens ein goldenes Medaillon hervor, "hierin soll das Heiligthum ruhn!" Sie blickte sich um, ob niemand gelauscht habe, und bemerkte Blauenstein nicht, welcher sie längst aus der Ferne beobachtet, und jetzt ganz genau sah, wie Tina aus seiner Hand eine Locke für das Medaillon
des Saales die Geheimderaͤthin in einer gewiſſen Verlegenheit begegnet war. Irrte ſie nicht, ſo hatte dieſe Blauenſteins Namen neben den ihrer Tochter gelegt. Oncle Heinrich glaubte, die Zet¬ tel waren noch nicht recht geordnet, aber auf der andern Seite neben Blauenſtein las er zu ſeiner Verwundrung den Namen der Tante Letty, und dachte bei ſich, daß die alberne Perſon eigentlich ganz unten hin gehoͤre, wo ſie auf die Unterhal¬ tung eines jungen Mannes nicht rechnen konnte. Tina ordnete nun die Namen nach ihrem Koͤpf¬ chen, huͤpfte hoͤchſt vergnuͤgt uͤber ihr Arrange¬ ment zu den Gaͤſten zuruͤck, und reichte dem ihr freundlich entgegen tretenden Staunitz die Schwa¬ nenhand, welche dieſer an ſeine Lippen zog. „Haſt Du,“ hob Tina an, und blickte dem ſchoͤ¬ nen Manne in das klare Seelenauge, „haſt Du auch nicht vergeſſen, was Du mir verſpracheſt, mein theurer, lieber Freund? Siehſt Du,“ fuhr ſie fort, als Staunitz genickt hatte, und langte aus der Schneetiefe ihres von geheimer Luſt be¬ benden Buſens ein goldenes Medaillon hervor, „hierin ſoll das Heiligthum ruhn!“ Sie blickte ſich um, ob niemand gelauſcht habe, und bemerkte Blauenſtein nicht, welcher ſie laͤngſt aus der Ferne beobachtet, und jetzt ganz genau ſah, wie Tina aus ſeiner Hand eine Locke fuͤr das Medaillon
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des Saales die Geheimderaͤthin in einer gewiſſen
Verlegenheit begegnet war. Irrte ſie nicht, ſo
hatte dieſe Blauenſteins Namen neben den ihrer
Tochter gelegt. Oncle Heinrich glaubte, die Zet¬
tel waren noch nicht recht geordnet, aber auf der
andern Seite neben Blauenſtein las er zu ſeiner
Verwundrung den Namen der Tante Letty, und
dachte bei ſich, daß die alberne Perſon eigentlich
ganz unten hin gehoͤre, wo ſie auf die Unterhal¬
tung eines jungen Mannes nicht rechnen konnte.
Tina ordnete nun die Namen nach ihrem Koͤpf¬
chen, huͤpfte hoͤchſt vergnuͤgt uͤber ihr Arrange¬
ment zu den Gaͤſten zuruͤck, und reichte dem ihr
freundlich entgegen tretenden Staunitz die Schwa¬
nenhand, welche dieſer an ſeine Lippen zog.
„Haſt Du,“ hob Tina an, und blickte dem ſchoͤ¬
nen Manne in das klare Seelenauge, „haſt Du
auch nicht vergeſſen, was Du mir verſpracheſt,
mein theurer, lieber Freund? Siehſt Du,“ fuhr
ſie fort, als Staunitz genickt hatte, und langte
aus der Schneetiefe ihres von geheimer Luſt be¬
benden Buſens ein goldenes Medaillon hervor,
„hierin ſoll das Heiligthum ruhn!“ Sie blickte
ſich um, ob niemand gelauſcht habe, und bemerkte
Blauenſtein nicht, welcher ſie laͤngſt aus der Ferne
beobachtet, und jetzt ganz genau ſah, wie Tina
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Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clauren_liebe_1827/69>, abgerufen am 21.11.2024.
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