Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827.konnte. Mit geheimer Schadenfreude sah sie, "Mein Himmel!" sagte die Geheimderäthin, 5
konnte. Mit geheimer Schadenfreude ſah ſie, „Mein Himmel!“ ſagte die Geheimderaͤthin, 5
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0071" n="65"/> konnte. Mit geheimer Schadenfreude ſah ſie,<lb/> daß das eitle, duftende Antoͤnchen ſich neben<lb/> Fraͤulein Babet umſonſt bemuͤhte, durch ſchale<lb/> Witze zu vergeſſen, daß ihm fuͤr den Abend die<lb/> holde Gegenwart der Comteſſe Albertine geraubt<lb/> ſei, und nahm ſich nebenbei vor, von den vor¬<lb/> trefflichen Speiſen auch nicht eine einzige unan¬<lb/> geruͤhrt voruͤbergehn zu laſſen. „Vorhin“ begann<lb/> ſie grinſend, und wandte ſich an den Kammer¬<lb/> herrn, welcher ungern von ſeiner fetten Truͤffel¬<lb/> paſtete abließe, „vorhin waren wir zu oft in un¬<lb/> ſerm Discours geſtoͤhrt; jetzt iſt die Gelegenheit<lb/> guͤnſtiger. Was halten Sie ſo eigentlich von dem<lb/> Maͤdchen, der Tina?“ „Engliſche Frau,“ erwie¬<lb/> derte der Kammerherr in einiger Verlegenheit<lb/> und wiſchte mit der Serviette uͤber den Mund,<lb/> „ich glaube, das Kind mag ſo uͤbel nicht ſein!<lb/> Daß ſie an huͤbſchen jungen Maͤnnern Gefallen<lb/> findet, die ſich ihr ſo zu ſagen zur Auswahl praͤ¬<lb/> ſentiren, wer kann darin etwas Schlimmes fin¬<lb/> den? Denken Sie an unſere Jugend, wir mach¬<lb/> ten es im Grunde nicht beſſer. Das arme Kind<lb/> hat keine Mutter; ſchon dieſer Grund enthaͤlt<lb/> reichliche Entſchuldigungen!“</p><lb/> <p>„Mein Himmel!“ ſagte die Geheimderaͤthin,<lb/> und ſchien betroffen, „welche ploͤtzliche Veraͤnde¬<lb/> <fw place="bottom" type="sig">5<lb/></fw> </p> </div> </body> </text> </TEI> [65/0071]
konnte. Mit geheimer Schadenfreude ſah ſie,
daß das eitle, duftende Antoͤnchen ſich neben
Fraͤulein Babet umſonſt bemuͤhte, durch ſchale
Witze zu vergeſſen, daß ihm fuͤr den Abend die
holde Gegenwart der Comteſſe Albertine geraubt
ſei, und nahm ſich nebenbei vor, von den vor¬
trefflichen Speiſen auch nicht eine einzige unan¬
geruͤhrt voruͤbergehn zu laſſen. „Vorhin“ begann
ſie grinſend, und wandte ſich an den Kammer¬
herrn, welcher ungern von ſeiner fetten Truͤffel¬
paſtete abließe, „vorhin waren wir zu oft in un¬
ſerm Discours geſtoͤhrt; jetzt iſt die Gelegenheit
guͤnſtiger. Was halten Sie ſo eigentlich von dem
Maͤdchen, der Tina?“ „Engliſche Frau,“ erwie¬
derte der Kammerherr in einiger Verlegenheit
und wiſchte mit der Serviette uͤber den Mund,
„ich glaube, das Kind mag ſo uͤbel nicht ſein!
Daß ſie an huͤbſchen jungen Maͤnnern Gefallen
findet, die ſich ihr ſo zu ſagen zur Auswahl praͤ¬
ſentiren, wer kann darin etwas Schlimmes fin¬
den? Denken Sie an unſere Jugend, wir mach¬
ten es im Grunde nicht beſſer. Das arme Kind
hat keine Mutter; ſchon dieſer Grund enthaͤlt
reichliche Entſchuldigungen!“
„Mein Himmel!“ ſagte die Geheimderaͤthin,
und ſchien betroffen, „welche ploͤtzliche Veraͤnde¬
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