Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827.

Bild:
<< vorherige Seite

ist kurz für die verlangende Brust. Aber dem
Weine gilt dieser Eifer nicht!" sagte Blauenstein
mit Bedeutung, und zog fast seiner unbewußt
Tinas Hand an seine brennenden Lippen. Das
Desert war herumgereicht, und wurde zum Theil
von den Übersatten verschmäht; da tönte vom
Orchester ein herrlicher Cotillon, und die Tanz¬
lustigen stürzten hinter den Stühlen hervor, suchten
nach ihren Schönen, und eilten, vom Weine mit
Muth beseelt, in den Tanzsaal. Wie der Wind
stand Antönchen an Tinas Seite, und bückte sich
tief, und bat um den Göttertanz. Aber sie war
an Blauenstein versagt. "Das ist mir doch zu
arg! dachte der Beleidigte bei sich, und zog nun
mit freundlich fletschender Miene ab. "Sie müssen
sich schon entschließen," sagte das kleine Lügen¬
kind erröthend zu Blauenstein, "und diesen Tanz
mit mir tanzen; es war mir unmöglich, dem
unausstehlichen Narren meine Hand zu reichen,
der mir mit seiner Gemüthsleere, wie mit seinem
faden Pariser Witze, der nicht einmal ächt ist,
immer verhaßter wird!"

Blauenstein war von dieser Offenheit, diesem
Vertrauen entzückt, und hüpfte an der Hand des
angebeteten Mädchens zu dem sich bildenden
Kreise des beliebten Tanzes. Aber die Freude

iſt kurz fuͤr die verlangende Bruſt. Aber dem
Weine gilt dieſer Eifer nicht!“ ſagte Blauenſtein
mit Bedeutung, und zog faſt ſeiner unbewußt
Tinas Hand an ſeine brennenden Lippen. Das
Deſert war herumgereicht, und wurde zum Theil
von den Überſatten verſchmaͤht; da toͤnte vom
Orcheſter ein herrlicher Cotillon, und die Tanz¬
luſtigen ſtuͤrzten hinter den Stuͤhlen hervor, ſuchten
nach ihren Schoͤnen, und eilten, vom Weine mit
Muth beſeelt, in den Tanzſaal. Wie der Wind
ſtand Antoͤnchen an Tinas Seite, und buͤckte ſich
tief, und bat um den Goͤttertanz. Aber ſie war
an Blauenſtein verſagt. „Das iſt mir doch zu
arg! dachte der Beleidigte bei ſich, und zog nun
mit freundlich fletſchender Miene ab. „Sie muͤſſen
ſich ſchon entſchließen,“ ſagte das kleine Luͤgen¬
kind erroͤthend zu Blauenſtein, „und dieſen Tanz
mit mir tanzen; es war mir unmoͤglich, dem
unausſtehlichen Narren meine Hand zu reichen,
der mir mit ſeiner Gemuͤthsleere, wie mit ſeinem
faden Pariſer Witze, der nicht einmal aͤcht iſt,
immer verhaßter wird!“

Blauenſtein war von dieſer Offenheit, dieſem
Vertrauen entzuͤckt, und huͤpfte an der Hand des
angebeteten Maͤdchens zu dem ſich bildenden
Kreiſe des beliebten Tanzes. Aber die Freude

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0078" n="72"/>
i&#x017F;t kurz fu&#x0364;r die verlangende Bru&#x017F;t. Aber dem<lb/>
Weine gilt die&#x017F;er Eifer nicht!&#x201C; &#x017F;agte Blauen&#x017F;tein<lb/>
mit Bedeutung, und zog fa&#x017F;t &#x017F;einer unbewußt<lb/>
Tinas Hand an &#x017F;eine brennenden Lippen. Das<lb/>
De&#x017F;ert war herumgereicht, und wurde zum Theil<lb/>
von den Über&#x017F;atten ver&#x017F;chma&#x0364;ht; da to&#x0364;nte vom<lb/>
Orche&#x017F;ter ein herrlicher Cotillon, und die Tanz¬<lb/>
lu&#x017F;tigen &#x017F;tu&#x0364;rzten hinter den Stu&#x0364;hlen hervor, &#x017F;uchten<lb/>
nach ihren Scho&#x0364;nen, und eilten, vom Weine mit<lb/>
Muth be&#x017F;eelt, in den Tanz&#x017F;aal. Wie der Wind<lb/>
&#x017F;tand Anto&#x0364;nchen an Tinas Seite, und bu&#x0364;ckte &#x017F;ich<lb/>
tief, und bat um den Go&#x0364;ttertanz. Aber &#x017F;ie war<lb/>
an Blauen&#x017F;tein ver&#x017F;agt. &#x201E;Das i&#x017F;t mir doch zu<lb/>
arg! dachte der Beleidigte bei &#x017F;ich, und zog nun<lb/>
mit freundlich flet&#x017F;chender Miene ab. &#x201E;Sie mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en<lb/>
&#x017F;ich &#x017F;chon ent&#x017F;chließen,&#x201C; &#x017F;agte das kleine Lu&#x0364;gen¬<lb/>
kind erro&#x0364;thend zu Blauen&#x017F;tein, &#x201E;und die&#x017F;en Tanz<lb/>
mit mir tanzen; es war mir unmo&#x0364;glich, dem<lb/>
unaus&#x017F;tehlichen Narren meine Hand zu reichen,<lb/>
der mir mit &#x017F;einer Gemu&#x0364;thsleere, wie mit &#x017F;einem<lb/>
faden Pari&#x017F;er Witze, der nicht einmal a&#x0364;cht i&#x017F;t,<lb/>
immer verhaßter wird!&#x201C;</p><lb/>
        <p>Blauen&#x017F;tein war von die&#x017F;er Offenheit, die&#x017F;em<lb/>
Vertrauen entzu&#x0364;ckt, und hu&#x0364;pfte an der Hand des<lb/>
angebeteten Ma&#x0364;dchens zu dem &#x017F;ich bildenden<lb/>
Krei&#x017F;e des beliebten Tanzes. Aber die Freude<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[72/0078] iſt kurz fuͤr die verlangende Bruſt. Aber dem Weine gilt dieſer Eifer nicht!“ ſagte Blauenſtein mit Bedeutung, und zog faſt ſeiner unbewußt Tinas Hand an ſeine brennenden Lippen. Das Deſert war herumgereicht, und wurde zum Theil von den Überſatten verſchmaͤht; da toͤnte vom Orcheſter ein herrlicher Cotillon, und die Tanz¬ luſtigen ſtuͤrzten hinter den Stuͤhlen hervor, ſuchten nach ihren Schoͤnen, und eilten, vom Weine mit Muth beſeelt, in den Tanzſaal. Wie der Wind ſtand Antoͤnchen an Tinas Seite, und buͤckte ſich tief, und bat um den Goͤttertanz. Aber ſie war an Blauenſtein verſagt. „Das iſt mir doch zu arg! dachte der Beleidigte bei ſich, und zog nun mit freundlich fletſchender Miene ab. „Sie muͤſſen ſich ſchon entſchließen,“ ſagte das kleine Luͤgen¬ kind erroͤthend zu Blauenſtein, „und dieſen Tanz mit mir tanzen; es war mir unmoͤglich, dem unausſtehlichen Narren meine Hand zu reichen, der mir mit ſeiner Gemuͤthsleere, wie mit ſeinem faden Pariſer Witze, der nicht einmal aͤcht iſt, immer verhaßter wird!“ Blauenſtein war von dieſer Offenheit, dieſem Vertrauen entzuͤckt, und huͤpfte an der Hand des angebeteten Maͤdchens zu dem ſich bildenden Kreiſe des beliebten Tanzes. Aber die Freude

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/clauren_liebe_1827
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/clauren_liebe_1827/78
Zitationshilfe: Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clauren_liebe_1827/78>, abgerufen am 18.05.2024.