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Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827.

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auf ihrem Zimmer zu bleiben? Dies entspricht
meinen Wünschen, und ich befehle Dir hiermit,
es vor Morgen nicht wieder zu verlassen!"

"Diesmal kann ich leider nicht Folge leisten,"
sagte Tina kurz und mit Ruhe; "ich finde es
dem Anstande gemäß, sogleich in den Tanzsaal
zurückzugehn!"

"Untersteh es Dir! rief Letty ganz in Wuth,
und die kleinen Augen sprühten Flammen. "Noch
bin ich die Schwester des Grafen, Deines Vaters,
und habe ein Wort zu reden!"

Aber Tina warf ihren Shawl um, meinte,
sie möge sich nicht zur Unzeit erhitzen, und stand
nach wenigen Secunden mit dem unausstehlichen
Antönchen in den Reihen der Tanzenden. Er
suchte, wie immer, nach Witzen, aber Tina ant¬
wortete so kurz und so bestimmt, daß er Gott
dankte, als die Musici Halt machten, und klagte
der Mamma Drostin sein ausgemachtes Malheur
für heute, denn die schöne Comtesse Albertine sei
auch gar zu kurz und empfindlich. Dem Hof¬
rathe erging es nicht viel besser; er wollte über
den armen Blauenstein seine Sarcasmen aus¬
streuen, und spielte entfernt, aber bitter, auf

auf ihrem Zimmer zu bleiben? Dies entſpricht
meinen Wuͤnſchen, und ich befehle Dir hiermit,
es vor Morgen nicht wieder zu verlaſſen!“

„Diesmal kann ich leider nicht Folge leiſten,“
ſagte Tina kurz und mit Ruhe; „ich finde es
dem Anſtande gemaͤß, ſogleich in den Tanzſaal
zuruͤckzugehn!“

„Unterſteh es Dir! rief Letty ganz in Wuth,
und die kleinen Augen ſpruͤhten Flammen. „Noch
bin ich die Schweſter des Grafen, Deines Vaters,
und habe ein Wort zu reden!“

Aber Tina warf ihren Shawl um, meinte,
ſie moͤge ſich nicht zur Unzeit erhitzen, und ſtand
nach wenigen Secunden mit dem unausſtehlichen
Antoͤnchen in den Reihen der Tanzenden. Er
ſuchte, wie immer, nach Witzen, aber Tina ant¬
wortete ſo kurz und ſo beſtimmt, daß er Gott
dankte, als die Muſici Halt machten, und klagte
der Mamma Droſtin ſein ausgemachtes Malheur
fuͤr heute, denn die ſchoͤne Comteſſe Albertine ſei
auch gar zu kurz und empfindlich. Dem Hof¬
rathe erging es nicht viel beſſer; er wollte uͤber
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[86/0092] auf ihrem Zimmer zu bleiben? Dies entſpricht meinen Wuͤnſchen, und ich befehle Dir hiermit, es vor Morgen nicht wieder zu verlaſſen!“ „Diesmal kann ich leider nicht Folge leiſten,“ ſagte Tina kurz und mit Ruhe; „ich finde es dem Anſtande gemaͤß, ſogleich in den Tanzſaal zuruͤckzugehn!“ „Unterſteh es Dir! rief Letty ganz in Wuth, und die kleinen Augen ſpruͤhten Flammen. „Noch bin ich die Schweſter des Grafen, Deines Vaters, und habe ein Wort zu reden!“ Aber Tina warf ihren Shawl um, meinte, ſie moͤge ſich nicht zur Unzeit erhitzen, und ſtand nach wenigen Secunden mit dem unausſtehlichen Antoͤnchen in den Reihen der Tanzenden. Er ſuchte, wie immer, nach Witzen, aber Tina ant¬ wortete ſo kurz und ſo beſtimmt, daß er Gott dankte, als die Muſici Halt machten, und klagte der Mamma Droſtin ſein ausgemachtes Malheur fuͤr heute, denn die ſchoͤne Comteſſe Albertine ſei auch gar zu kurz und empfindlich. Dem Hof¬ rathe erging es nicht viel beſſer; er wollte uͤber den armen Blauenſtein ſeine Sarcasmen aus¬ ſtreuen, und ſpielte entfernt, aber bitter, auf

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Zitationshilfe: Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clauren_liebe_1827/92>, abgerufen am 18.05.2024.