Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Clausewitz, Carl von: Vom Kriege. Bd. 3. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

nicht entsprechende Wirkung verspricht, kann sie mit ihren
Bestimmungen einen schädlichen Einfluß auf den Krieg
haben. Wie Jemand in einer Sprache, der er nicht ganz
gewachsen ist, mit einem richtigen Gedanken zuweilen Un-
richtiges sagt, so wird die Politik dann oft Dinge anord-
nen, die ihrer eigenen Absicht nicht entsprechen.

Dies ist unendlich oft vorgekommen und dies macht
es fühlbar daß eine gewisse Einsicht in das Kriegswesen
von der Führung des politischen Verkehrs nicht getrennt
werden sollte.

Aber ehe wir ein Wort weiter reden, müssen wir
uns vor einer falschen Deutung verwahren, die sehr nahe
liegt. Wir sind weit entfernt zu glauben daß ein in
Akten vergrabener Kriegsminister oder ein gelehrter Inge-
nieur oder auch selbst ein im Felde tüchtiger Soldat
darum den beßten Staatsminister abgeben würde, wo der
Fürst es nicht selbst ist; oder, mit andern Worten, wir
wollen durchaus nicht daß diese Einsicht in das Kriegs-
wesen die Haupteigenschaft desselben sei; ein großartiger,
ausgezeichneter Kopf, ein starker Charakter, das sind die
Haupteigenschaften; die Einsicht in das Kriegswesen läßt
sich auf eine oder die andere Art wohl ergänzen. Frank-
reich ist in seinen kriegerischen und politischen Händeln nie
schlechter berathen gewesen, als unter den Gebrüdern Belle-
isle und dem Herzog von Choiseuil, obgleich alle drei gute
Soldaten waren.

Soll ein Krieg ganz den Absichten der Politik ent-
sprechen und soll die Politik den Mitteln zum Kriege
ganz angemessen sein, so bleibt, wo der Staatsmann und
der Soldat nicht in einer Person vereinigt sind, nur ein
gutes Mittel übrig, nämlich den obersten Feldherrn zum
Mitglied des Kabinets zu machen, damit dasselbe Theil an

nicht entſprechende Wirkung verſpricht, kann ſie mit ihren
Beſtimmungen einen ſchaͤdlichen Einfluß auf den Krieg
haben. Wie Jemand in einer Sprache, der er nicht ganz
gewachſen iſt, mit einem richtigen Gedanken zuweilen Un-
richtiges ſagt, ſo wird die Politik dann oft Dinge anord-
nen, die ihrer eigenen Abſicht nicht entſprechen.

Dies iſt unendlich oft vorgekommen und dies macht
es fuͤhlbar daß eine gewiſſe Einſicht in das Kriegsweſen
von der Fuͤhrung des politiſchen Verkehrs nicht getrennt
werden ſollte.

Aber ehe wir ein Wort weiter reden, muͤſſen wir
uns vor einer falſchen Deutung verwahren, die ſehr nahe
liegt. Wir ſind weit entfernt zu glauben daß ein in
Akten vergrabener Kriegsminiſter oder ein gelehrter Inge-
nieur oder auch ſelbſt ein im Felde tuͤchtiger Soldat
darum den beßten Staatsminiſter abgeben wuͤrde, wo der
Fuͤrſt es nicht ſelbſt iſt; oder, mit andern Worten, wir
wollen durchaus nicht daß dieſe Einſicht in das Kriegs-
weſen die Haupteigenſchaft deſſelben ſei; ein großartiger,
ausgezeichneter Kopf, ein ſtarker Charakter, das ſind die
Haupteigenſchaften; die Einſicht in das Kriegsweſen laͤßt
ſich auf eine oder die andere Art wohl ergaͤnzen. Frank-
reich iſt in ſeinen kriegeriſchen und politiſchen Haͤndeln nie
ſchlechter berathen geweſen, als unter den Gebruͤdern Belle-
isle und dem Herzog von Choiſeuil, obgleich alle drei gute
Soldaten waren.

Soll ein Krieg ganz den Abſichten der Politik ent-
ſprechen und ſoll die Politik den Mitteln zum Kriege
ganz angemeſſen ſein, ſo bleibt, wo der Staatsmann und
der Soldat nicht in einer Perſon vereinigt ſind, nur ein
gutes Mittel uͤbrig, naͤmlich den oberſten Feldherrn zum
Mitglied des Kabinets zu machen, damit daſſelbe Theil an

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0160" n="146"/>
nicht ent&#x017F;prechende Wirkung ver&#x017F;pricht, kann &#x017F;ie mit ihren<lb/>
Be&#x017F;timmungen einen &#x017F;cha&#x0364;dlichen Einfluß auf den Krieg<lb/>
haben. Wie Jemand in einer Sprache, der er nicht ganz<lb/>
gewach&#x017F;en i&#x017F;t, mit einem richtigen Gedanken zuweilen Un-<lb/>
richtiges &#x017F;agt, &#x017F;o wird die Politik dann oft Dinge anord-<lb/>
nen, die ihrer eigenen Ab&#x017F;icht nicht ent&#x017F;prechen.</p><lb/>
          <p>Dies i&#x017F;t unendlich oft vorgekommen und dies macht<lb/>
es fu&#x0364;hlbar daß eine gewi&#x017F;&#x017F;e Ein&#x017F;icht in das Kriegswe&#x017F;en<lb/>
von der Fu&#x0364;hrung des politi&#x017F;chen Verkehrs nicht getrennt<lb/>
werden &#x017F;ollte.</p><lb/>
          <p>Aber ehe wir ein Wort weiter reden, mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en wir<lb/>
uns vor einer fal&#x017F;chen Deutung verwahren, die &#x017F;ehr nahe<lb/>
liegt. Wir &#x017F;ind weit entfernt zu glauben daß ein in<lb/>
Akten vergrabener Kriegsmini&#x017F;ter oder ein gelehrter Inge-<lb/>
nieur oder auch &#x017F;elb&#x017F;t ein im Felde tu&#x0364;chtiger Soldat<lb/>
darum den beßten Staatsmini&#x017F;ter abgeben wu&#x0364;rde, wo der<lb/>
Fu&#x0364;r&#x017F;t es nicht &#x017F;elb&#x017F;t i&#x017F;t; oder, mit andern Worten, wir<lb/>
wollen durchaus nicht daß die&#x017F;e Ein&#x017F;icht in das Kriegs-<lb/>
we&#x017F;en die Haupteigen&#x017F;chaft de&#x017F;&#x017F;elben &#x017F;ei; ein großartiger,<lb/>
ausgezeichneter Kopf, ein &#x017F;tarker Charakter, das &#x017F;ind die<lb/>
Haupteigen&#x017F;chaften; die Ein&#x017F;icht in das Kriegswe&#x017F;en la&#x0364;ßt<lb/>
&#x017F;ich auf eine oder die andere Art wohl erga&#x0364;nzen. Frank-<lb/>
reich i&#x017F;t in &#x017F;einen kriegeri&#x017F;chen und politi&#x017F;chen Ha&#x0364;ndeln nie<lb/>
&#x017F;chlechter berathen gewe&#x017F;en, als unter den Gebru&#x0364;dern Belle-<lb/>
isle und dem Herzog von Choi&#x017F;euil, obgleich alle drei gute<lb/>
Soldaten waren.</p><lb/>
          <p>Soll ein Krieg ganz den Ab&#x017F;ichten der Politik ent-<lb/>
&#x017F;prechen und &#x017F;oll die Politik den Mitteln zum Kriege<lb/>
ganz angeme&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ein, &#x017F;o bleibt, wo der Staatsmann und<lb/>
der Soldat nicht in einer Per&#x017F;on vereinigt &#x017F;ind, nur ein<lb/>
gutes Mittel u&#x0364;brig, na&#x0364;mlich den ober&#x017F;ten Feldherrn zum<lb/>
Mitglied des Kabinets zu machen, damit da&#x017F;&#x017F;elbe Theil an<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[146/0160] nicht entſprechende Wirkung verſpricht, kann ſie mit ihren Beſtimmungen einen ſchaͤdlichen Einfluß auf den Krieg haben. Wie Jemand in einer Sprache, der er nicht ganz gewachſen iſt, mit einem richtigen Gedanken zuweilen Un- richtiges ſagt, ſo wird die Politik dann oft Dinge anord- nen, die ihrer eigenen Abſicht nicht entſprechen. Dies iſt unendlich oft vorgekommen und dies macht es fuͤhlbar daß eine gewiſſe Einſicht in das Kriegsweſen von der Fuͤhrung des politiſchen Verkehrs nicht getrennt werden ſollte. Aber ehe wir ein Wort weiter reden, muͤſſen wir uns vor einer falſchen Deutung verwahren, die ſehr nahe liegt. Wir ſind weit entfernt zu glauben daß ein in Akten vergrabener Kriegsminiſter oder ein gelehrter Inge- nieur oder auch ſelbſt ein im Felde tuͤchtiger Soldat darum den beßten Staatsminiſter abgeben wuͤrde, wo der Fuͤrſt es nicht ſelbſt iſt; oder, mit andern Worten, wir wollen durchaus nicht daß dieſe Einſicht in das Kriegs- weſen die Haupteigenſchaft deſſelben ſei; ein großartiger, ausgezeichneter Kopf, ein ſtarker Charakter, das ſind die Haupteigenſchaften; die Einſicht in das Kriegsweſen laͤßt ſich auf eine oder die andere Art wohl ergaͤnzen. Frank- reich iſt in ſeinen kriegeriſchen und politiſchen Haͤndeln nie ſchlechter berathen geweſen, als unter den Gebruͤdern Belle- isle und dem Herzog von Choiſeuil, obgleich alle drei gute Soldaten waren. Soll ein Krieg ganz den Abſichten der Politik ent- ſprechen und ſoll die Politik den Mitteln zum Kriege ganz angemeſſen ſein, ſo bleibt, wo der Staatsmann und der Soldat nicht in einer Perſon vereinigt ſind, nur ein gutes Mittel uͤbrig, naͤmlich den oberſten Feldherrn zum Mitglied des Kabinets zu machen, damit daſſelbe Theil an

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Clausewitz' "Vom Kriege" erschien zu Lebzeiten de… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/clausewitz_krieg03_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/clausewitz_krieg03_1834/160
Zitationshilfe: Clausewitz, Carl von: Vom Kriege. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clausewitz_krieg03_1834/160>, abgerufen am 25.11.2024.