den Hauptmomenten seines Handelns nehme. Dies ist aber wieder nur möglich wenn das Kabinet, d. h. also die Regierung, selbst sich in der Nähe des Schauplatzes be- findet, damit die Dinge ohne merklichen Zeitverlust abge- macht werden können.
So hat es der Kaiser von Östreich im Jahre 1809 und so haben es die verbündeten Monarchen in den Jah- ren 1813, 1814 und 1815 gemacht, und diese Einrichtung hat sich vollkommen bewährt.
Höchst gefährlich ist der Einfluß eines andern Mili- tärs als des obersten Feldherrn im Kabinet; selten wird das zum gesunden tüchtigen Handeln führen. Frankreichs Beispiel, wo Carnot 1793, 1794 und 1795 die Kriegs- angelegenheiten von Paris aus leitete, ist durchaus ver- werflich, weil der Terrorismus nur revolutionären Re- gierungen zu Gebote steht.
Wir wollen jetzt mit einer historischen Betrachtung schließen.
Als in den neunziger Jahren des vorigen Jahrhun- derts jene merkwürdige Umwälzung der europäischen Kriegs- kunst eintrat, wodurch die besten Heere einen Theil ihrer Kunst unwirksam werden sahen, und kriegerische Erfolge stattfanden, von deren Größe man bisher keinen Begriff gehabt hatte; schien es freilich daß aller falsche Kalkül der Kriegskunst zur Last falle. Es war offenbar, daß sie, durch die Gewohnheit in engere Kreisen der Begriffe einge- schränkt, überfallen worden war durch Möglichkeiten, die außerhalb dieser Kreise, aber freilich nicht außerhalb der Natur der Dinge lagen.
Diejenigen Beobachter welche den umfassendsten Blick hatten, schrieben die Erscheinung dem allgemeinen Einfluß zu, welchen die Politik seit Jahrhunderten auf die Kriegs-
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den Hauptmomenten ſeines Handelns nehme. Dies iſt aber wieder nur moͤglich wenn das Kabinet, d. h. alſo die Regierung, ſelbſt ſich in der Naͤhe des Schauplatzes be- findet, damit die Dinge ohne merklichen Zeitverluſt abge- macht werden koͤnnen.
So hat es der Kaiſer von Öſtreich im Jahre 1809 und ſo haben es die verbuͤndeten Monarchen in den Jah- ren 1813, 1814 und 1815 gemacht, und dieſe Einrichtung hat ſich vollkommen bewaͤhrt.
Hoͤchſt gefaͤhrlich iſt der Einfluß eines andern Mili- taͤrs als des oberſten Feldherrn im Kabinet; ſelten wird das zum geſunden tuͤchtigen Handeln fuͤhren. Frankreichs Beiſpiel, wo Carnot 1793, 1794 und 1795 die Kriegs- angelegenheiten von Paris aus leitete, iſt durchaus ver- werflich, weil der Terrorismus nur revolutionaͤren Re- gierungen zu Gebote ſteht.
Wir wollen jetzt mit einer hiſtoriſchen Betrachtung ſchließen.
Als in den neunziger Jahren des vorigen Jahrhun- derts jene merkwuͤrdige Umwaͤlzung der europaͤiſchen Kriegs- kunſt eintrat, wodurch die beſten Heere einen Theil ihrer Kunſt unwirkſam werden ſahen, und kriegeriſche Erfolge ſtattfanden, von deren Groͤße man bisher keinen Begriff gehabt hatte; ſchien es freilich daß aller falſche Kalkuͤl der Kriegskunſt zur Laſt falle. Es war offenbar, daß ſie, durch die Gewohnheit in engere Kreiſen der Begriffe einge- ſchraͤnkt, uͤberfallen worden war durch Moͤglichkeiten, die außerhalb dieſer Kreiſe, aber freilich nicht außerhalb der Natur der Dinge lagen.
Diejenigen Beobachter welche den umfaſſendſten Blick hatten, ſchrieben die Erſcheinung dem allgemeinen Einfluß zu, welchen die Politik ſeit Jahrhunderten auf die Kriegs-
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den Hauptmomenten ſeines Handelns nehme. Dies iſt
aber wieder nur moͤglich wenn das Kabinet, d. h. alſo die
Regierung, ſelbſt ſich in der Naͤhe des Schauplatzes be-
findet, damit die Dinge ohne merklichen Zeitverluſt abge-
macht werden koͤnnen.
So hat es der Kaiſer von Öſtreich im Jahre 1809
und ſo haben es die verbuͤndeten Monarchen in den Jah-
ren 1813, 1814 und 1815 gemacht, und dieſe Einrichtung
hat ſich vollkommen bewaͤhrt.
Hoͤchſt gefaͤhrlich iſt der Einfluß eines andern Mili-
taͤrs als des oberſten Feldherrn im Kabinet; ſelten wird
das zum geſunden tuͤchtigen Handeln fuͤhren. Frankreichs
Beiſpiel, wo Carnot 1793, 1794 und 1795 die Kriegs-
angelegenheiten von Paris aus leitete, iſt durchaus ver-
werflich, weil der Terrorismus nur revolutionaͤren Re-
gierungen zu Gebote ſteht.
Wir wollen jetzt mit einer hiſtoriſchen Betrachtung
ſchließen.
Als in den neunziger Jahren des vorigen Jahrhun-
derts jene merkwuͤrdige Umwaͤlzung der europaͤiſchen Kriegs-
kunſt eintrat, wodurch die beſten Heere einen Theil ihrer
Kunſt unwirkſam werden ſahen, und kriegeriſche Erfolge
ſtattfanden, von deren Groͤße man bisher keinen Begriff
gehabt hatte; ſchien es freilich daß aller falſche Kalkuͤl der
Kriegskunſt zur Laſt falle. Es war offenbar, daß ſie, durch
die Gewohnheit in engere Kreiſen der Begriffe einge-
ſchraͤnkt, uͤberfallen worden war durch Moͤglichkeiten, die
außerhalb dieſer Kreiſe, aber freilich nicht außerhalb der
Natur der Dinge lagen.
Diejenigen Beobachter welche den umfaſſendſten Blick
hatten, ſchrieben die Erſcheinung dem allgemeinen Einfluß
zu, welchen die Politik ſeit Jahrhunderten auf die Kriegs-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Clausewitz' "Vom Kriege" erschien zu Lebzeiten de… [mehr]
Clausewitz' "Vom Kriege" erschien zu Lebzeiten des Autors nicht als selbstständige Publikation. Es wurde posthum, zwischen 1832 und 1834, als Bde. 1-3 der "Hinterlassenen Werke des Generals Carl von Clausewitz" von dessen Witwe Marie von Clausewitz herausgegeben.
Clausewitz, Carl von: Vom Kriege. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clausewitz_krieg03_1834/161>, abgerufen am 25.11.2024.
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