Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Clausewitz, Carl von: Vom Kriege. Bd. 3. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

mehr im Niveau; der ganze kriegerische Akt kann nicht
mehr in eine Haupthandlung zusammengedrängt und diese
nach Hauptgesichtspunkten geleitet werden; er breitet sich
mehr aus; überall wird die Friktion größer, und überall
dem Zufall mehr Feld eingeräumt.

Dies ist die natürliche Tendenz der Sache. Der
Feldherr wird durch sie heruntergezogen, immer mehr neu-
tralisirt. Je mehr er sich fühlt, je mehr innere Hülfs-
mittel und äußere Gewalt er hat, um so mehr wird er
suchen sich von dieser Tendenz loszumachen um einem
einzelnen Punkt eine vorherrschende Wichtigkeit zu geben,
sollte es auch nur durch ein größeres Wagen möglich
werden.


Achtes Kapitel.
Beschränktes Ziel. Vertheidigung
.

Das endliche Ziel der Vertheidigungskriege kann
niemals eine absolute Negation sein, wie wir es schon
früher gesagt haben. Es muß auch für den Schwächsten
irgend Etwas geben womit er seinem Gegner empfindlich
werden, ihn bedrohen kann.

Zwar könnte man sagen, dieses Ziel könne im Ermü-
den des Gegners bestehen, denn da dieser das Positive
will, so ist im Grunde jede fehlgeschlagene Unternehmung,
wenn sie auch keine andere Folgen hat als den Verlust
der darauf verwendeten Kräfte, schon ein Zurückschreiten,
während der Verlust welchen der Angegriffene erleidet,
nicht vergeblich war, weil die Erhaltung sein Ziel war
und dieses Ziel erreicht ist. So, würde man sagen, liegt

mehr im Niveau; der ganze kriegeriſche Akt kann nicht
mehr in eine Haupthandlung zuſammengedraͤngt und dieſe
nach Hauptgeſichtspunkten geleitet werden; er breitet ſich
mehr aus; uͤberall wird die Friktion groͤßer, und uͤberall
dem Zufall mehr Feld eingeraͤumt.

Dies iſt die natuͤrliche Tendenz der Sache. Der
Feldherr wird durch ſie heruntergezogen, immer mehr neu-
traliſirt. Je mehr er ſich fuͤhlt, je mehr innere Huͤlfs-
mittel und aͤußere Gewalt er hat, um ſo mehr wird er
ſuchen ſich von dieſer Tendenz loszumachen um einem
einzelnen Punkt eine vorherrſchende Wichtigkeit zu geben,
ſollte es auch nur durch ein groͤßeres Wagen moͤglich
werden.


Achtes Kapitel.
Beſchraͤnktes Ziel. Vertheidigung
.

Das endliche Ziel der Vertheidigungskriege kann
niemals eine abſolute Negation ſein, wie wir es ſchon
fruͤher geſagt haben. Es muß auch fuͤr den Schwaͤchſten
irgend Etwas geben womit er ſeinem Gegner empfindlich
werden, ihn bedrohen kann.

Zwar koͤnnte man ſagen, dieſes Ziel koͤnne im Ermuͤ-
den des Gegners beſtehen, denn da dieſer das Poſitive
will, ſo iſt im Grunde jede fehlgeſchlagene Unternehmung,
wenn ſie auch keine andere Folgen hat als den Verluſt
der darauf verwendeten Kraͤfte, ſchon ein Zuruͤckſchreiten,
waͤhrend der Verluſt welchen der Angegriffene erleidet,
nicht vergeblich war, weil die Erhaltung ſein Ziel war
und dieſes Ziel erreicht iſt. So, wuͤrde man ſagen, liegt

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0168" n="154"/>
mehr im Niveau; der ganze kriegeri&#x017F;che Akt kann nicht<lb/>
mehr in eine Haupthandlung zu&#x017F;ammengedra&#x0364;ngt und die&#x017F;e<lb/>
nach Hauptge&#x017F;ichtspunkten geleitet werden; er breitet &#x017F;ich<lb/>
mehr aus; u&#x0364;berall wird die Friktion gro&#x0364;ßer, und u&#x0364;berall<lb/>
dem Zufall mehr Feld eingera&#x0364;umt.</p><lb/>
          <p>Dies i&#x017F;t die natu&#x0364;rliche Tendenz der Sache. Der<lb/>
Feldherr wird durch &#x017F;ie heruntergezogen, immer mehr neu-<lb/>
trali&#x017F;irt. Je mehr er &#x017F;ich fu&#x0364;hlt, je mehr innere Hu&#x0364;lfs-<lb/>
mittel und a&#x0364;ußere Gewalt er hat, um &#x017F;o mehr wird er<lb/>
&#x017F;uchen &#x017F;ich von die&#x017F;er Tendenz loszumachen um einem<lb/>
einzelnen Punkt eine vorherr&#x017F;chende Wichtigkeit zu geben,<lb/>
&#x017F;ollte es auch nur durch ein gro&#x0364;ßeres Wagen mo&#x0364;glich<lb/>
werden.</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#g">Achtes Kapitel.<lb/>
Be&#x017F;chra&#x0364;nktes Ziel. Vertheidigung</hi>.</head><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <p>Das endliche Ziel der Vertheidigungskriege kann<lb/>
niemals eine ab&#x017F;olute Negation &#x017F;ein, wie wir es &#x017F;chon<lb/>
fru&#x0364;her ge&#x017F;agt haben. Es muß auch fu&#x0364;r den Schwa&#x0364;ch&#x017F;ten<lb/>
irgend Etwas geben womit er &#x017F;einem Gegner empfindlich<lb/>
werden, ihn bedrohen kann.</p><lb/>
          <p>Zwar ko&#x0364;nnte man &#x017F;agen, die&#x017F;es Ziel ko&#x0364;nne im Ermu&#x0364;-<lb/>
den des Gegners be&#x017F;tehen, denn da die&#x017F;er das Po&#x017F;itive<lb/>
will, &#x017F;o i&#x017F;t im Grunde jede fehlge&#x017F;chlagene Unternehmung,<lb/>
wenn &#x017F;ie auch keine andere Folgen hat als den Verlu&#x017F;t<lb/>
der darauf verwendeten Kra&#x0364;fte, &#x017F;chon ein Zuru&#x0364;ck&#x017F;chreiten,<lb/>
wa&#x0364;hrend der Verlu&#x017F;t welchen der Angegriffene erleidet,<lb/>
nicht vergeblich war, weil die Erhaltung &#x017F;ein Ziel war<lb/>
und die&#x017F;es Ziel erreicht i&#x017F;t. So, wu&#x0364;rde man &#x017F;agen, liegt<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[154/0168] mehr im Niveau; der ganze kriegeriſche Akt kann nicht mehr in eine Haupthandlung zuſammengedraͤngt und dieſe nach Hauptgeſichtspunkten geleitet werden; er breitet ſich mehr aus; uͤberall wird die Friktion groͤßer, und uͤberall dem Zufall mehr Feld eingeraͤumt. Dies iſt die natuͤrliche Tendenz der Sache. Der Feldherr wird durch ſie heruntergezogen, immer mehr neu- traliſirt. Je mehr er ſich fuͤhlt, je mehr innere Huͤlfs- mittel und aͤußere Gewalt er hat, um ſo mehr wird er ſuchen ſich von dieſer Tendenz loszumachen um einem einzelnen Punkt eine vorherrſchende Wichtigkeit zu geben, ſollte es auch nur durch ein groͤßeres Wagen moͤglich werden. Achtes Kapitel. Beſchraͤnktes Ziel. Vertheidigung. Das endliche Ziel der Vertheidigungskriege kann niemals eine abſolute Negation ſein, wie wir es ſchon fruͤher geſagt haben. Es muß auch fuͤr den Schwaͤchſten irgend Etwas geben womit er ſeinem Gegner empfindlich werden, ihn bedrohen kann. Zwar koͤnnte man ſagen, dieſes Ziel koͤnne im Ermuͤ- den des Gegners beſtehen, denn da dieſer das Poſitive will, ſo iſt im Grunde jede fehlgeſchlagene Unternehmung, wenn ſie auch keine andere Folgen hat als den Verluſt der darauf verwendeten Kraͤfte, ſchon ein Zuruͤckſchreiten, waͤhrend der Verluſt welchen der Angegriffene erleidet, nicht vergeblich war, weil die Erhaltung ſein Ziel war und dieſes Ziel erreicht iſt. So, wuͤrde man ſagen, liegt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Clausewitz' "Vom Kriege" erschien zu Lebzeiten de… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/clausewitz_krieg03_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/clausewitz_krieg03_1834/168
Zitationshilfe: Clausewitz, Carl von: Vom Kriege. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clausewitz_krieg03_1834/168>, abgerufen am 26.11.2024.