Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Clausewitz, Carl von: Vom Kriege. Bd. 3. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

Wird einem der Heere seine Rolle zu schwer, weil
der Feind eine andere Vertheilung gemacht hat als wir
glaubten, erlebt es Unglücksfälle, so muß und darf dies
keinen Einfluß auf die Thätigkeit der andern haben, oder
man würde von Hause aus die Wahrscheinlichkeit des
allgemeinen Erfolges gegen sich selbst wenden. Nur wenn
die Mehrheit unglücklich ist oder die Haupttheile es sind,
darf und muß dies Einfluß auf die andern haben: alsdann
ist nämlich der Fall eines verfehlten Plans eingetreten.

Eben diese Regel gilt für diejenigen Heere und Ab-
theilungen welche ursprünglich zur Vertheidigung bestimmt
sind und durch einen günstigen Erfolg derselben zum An-
griff übergehen können, wenn es nicht vorzuziehen ist ihre
überflüssigen Streitkräfte auf den Hauptpunkt der Offen-
sive überzuführen, welches hauptsächlich von der geographi-
schen Lage des Kriegstheaters abhängt.

Aber was wird unter diesen Umständen aus der geo-
metrischen Gestalt und Einheit des ganzen Angriffs, was
aus Flanken und Rücken der einem geschlagenen Theile
benachbarten Abtheilungen?

Das ist es eben was wir hauptsächlich bekämpfen
wollen. Dieses Zusammenleimen eines großen Angriffs in
ein geometrisches Viereck ist eine Verirrung in ein falsches
Gedankensystem hinein.

Wir haben in dem funfzehnten Kapitel des dritten Buches
gezeigt daß das geometrische Element in der Strategie nicht so
wirksam ist als in der Taktik, und wir wollen hier nur das
Resultat wiederholen daß besonders beim Angriff die wirk-
lichen Erfolge auf den einzelnen Punkten durchaus mehr
Rücksicht verdienen als die Figur, welche aus dem Angriff
nach und nach durch die Verschiedenheit der Erfolge ent-
stehen kann.

Wird einem der Heere ſeine Rolle zu ſchwer, weil
der Feind eine andere Vertheilung gemacht hat als wir
glaubten, erlebt es Ungluͤcksfaͤlle, ſo muß und darf dies
keinen Einfluß auf die Thaͤtigkeit der andern haben, oder
man wuͤrde von Hauſe aus die Wahrſcheinlichkeit des
allgemeinen Erfolges gegen ſich ſelbſt wenden. Nur wenn
die Mehrheit ungluͤcklich iſt oder die Haupttheile es ſind,
darf und muß dies Einfluß auf die andern haben: alsdann
iſt naͤmlich der Fall eines verfehlten Plans eingetreten.

Eben dieſe Regel gilt fuͤr diejenigen Heere und Ab-
theilungen welche urſpruͤnglich zur Vertheidigung beſtimmt
ſind und durch einen guͤnſtigen Erfolg derſelben zum An-
griff uͤbergehen koͤnnen, wenn es nicht vorzuziehen iſt ihre
uͤberfluͤſſigen Streitkraͤfte auf den Hauptpunkt der Offen-
ſive uͤberzufuͤhren, welches hauptſaͤchlich von der geographi-
ſchen Lage des Kriegstheaters abhaͤngt.

Aber was wird unter dieſen Umſtaͤnden aus der geo-
metriſchen Geſtalt und Einheit des ganzen Angriffs, was
aus Flanken und Ruͤcken der einem geſchlagenen Theile
benachbarten Abtheilungen?

Das iſt es eben was wir hauptſaͤchlich bekaͤmpfen
wollen. Dieſes Zuſammenleimen eines großen Angriffs in
ein geometriſches Viereck iſt eine Verirrung in ein falſches
Gedankenſyſtem hinein.

Wir haben in dem funfzehnten Kapitel des dritten Buches
gezeigt daß das geometriſche Element in der Strategie nicht ſo
wirkſam iſt als in der Taktik, und wir wollen hier nur das
Reſultat wiederholen daß beſonders beim Angriff die wirk-
lichen Erfolge auf den einzelnen Punkten durchaus mehr
Ruͤckſicht verdienen als die Figur, welche aus dem Angriff
nach und nach durch die Verſchiedenheit der Erfolge ent-
ſtehen kann.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0201" n="187"/>
          <p>Wird einem der Heere &#x017F;eine Rolle zu &#x017F;chwer, weil<lb/>
der Feind eine andere Vertheilung gemacht hat als wir<lb/>
glaubten, erlebt es Unglu&#x0364;cksfa&#x0364;lle, &#x017F;o muß und darf dies<lb/>
keinen Einfluß auf die Tha&#x0364;tigkeit der andern haben, oder<lb/>
man wu&#x0364;rde von Hau&#x017F;e aus die Wahr&#x017F;cheinlichkeit des<lb/>
allgemeinen Erfolges gegen &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t wenden. Nur wenn<lb/>
die Mehrheit unglu&#x0364;cklich i&#x017F;t oder die Haupttheile es &#x017F;ind,<lb/>
darf und muß dies Einfluß auf die andern haben: alsdann<lb/>
i&#x017F;t na&#x0364;mlich der Fall eines verfehlten Plans eingetreten.</p><lb/>
          <p>Eben die&#x017F;e Regel gilt fu&#x0364;r diejenigen Heere und Ab-<lb/>
theilungen welche ur&#x017F;pru&#x0364;nglich zur Vertheidigung be&#x017F;timmt<lb/>
&#x017F;ind und durch einen gu&#x0364;n&#x017F;tigen Erfolg der&#x017F;elben zum An-<lb/>
griff u&#x0364;bergehen ko&#x0364;nnen, wenn es nicht vorzuziehen i&#x017F;t ihre<lb/>
u&#x0364;berflu&#x0364;&#x017F;&#x017F;igen Streitkra&#x0364;fte auf den Hauptpunkt der Offen-<lb/>
&#x017F;ive u&#x0364;berzufu&#x0364;hren, welches haupt&#x017F;a&#x0364;chlich von der geographi-<lb/>
&#x017F;chen Lage des Kriegstheaters abha&#x0364;ngt.</p><lb/>
          <p>Aber was wird unter die&#x017F;en Um&#x017F;ta&#x0364;nden aus der geo-<lb/>
metri&#x017F;chen Ge&#x017F;talt und Einheit des ganzen Angriffs, was<lb/>
aus Flanken und Ru&#x0364;cken der einem ge&#x017F;chlagenen Theile<lb/>
benachbarten Abtheilungen?</p><lb/>
          <p>Das i&#x017F;t es eben was wir haupt&#x017F;a&#x0364;chlich beka&#x0364;mpfen<lb/>
wollen. Die&#x017F;es Zu&#x017F;ammenleimen eines großen Angriffs in<lb/>
ein geometri&#x017F;ches Viereck i&#x017F;t eine Verirrung in ein fal&#x017F;ches<lb/>
Gedanken&#x017F;y&#x017F;tem hinein.</p><lb/>
          <p>Wir haben in dem funfzehnten Kapitel des dritten Buches<lb/>
gezeigt daß das geometri&#x017F;che Element in der Strategie nicht &#x017F;o<lb/>
wirk&#x017F;am i&#x017F;t als in der Taktik, und wir wollen hier nur das<lb/>
Re&#x017F;ultat wiederholen daß be&#x017F;onders beim Angriff die wirk-<lb/>
lichen Erfolge auf den einzelnen Punkten durchaus mehr<lb/>
Ru&#x0364;ck&#x017F;icht verdienen als die Figur, welche aus dem Angriff<lb/>
nach und nach durch die Ver&#x017F;chiedenheit der Erfolge ent-<lb/>
&#x017F;tehen kann.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[187/0201] Wird einem der Heere ſeine Rolle zu ſchwer, weil der Feind eine andere Vertheilung gemacht hat als wir glaubten, erlebt es Ungluͤcksfaͤlle, ſo muß und darf dies keinen Einfluß auf die Thaͤtigkeit der andern haben, oder man wuͤrde von Hauſe aus die Wahrſcheinlichkeit des allgemeinen Erfolges gegen ſich ſelbſt wenden. Nur wenn die Mehrheit ungluͤcklich iſt oder die Haupttheile es ſind, darf und muß dies Einfluß auf die andern haben: alsdann iſt naͤmlich der Fall eines verfehlten Plans eingetreten. Eben dieſe Regel gilt fuͤr diejenigen Heere und Ab- theilungen welche urſpruͤnglich zur Vertheidigung beſtimmt ſind und durch einen guͤnſtigen Erfolg derſelben zum An- griff uͤbergehen koͤnnen, wenn es nicht vorzuziehen iſt ihre uͤberfluͤſſigen Streitkraͤfte auf den Hauptpunkt der Offen- ſive uͤberzufuͤhren, welches hauptſaͤchlich von der geographi- ſchen Lage des Kriegstheaters abhaͤngt. Aber was wird unter dieſen Umſtaͤnden aus der geo- metriſchen Geſtalt und Einheit des ganzen Angriffs, was aus Flanken und Ruͤcken der einem geſchlagenen Theile benachbarten Abtheilungen? Das iſt es eben was wir hauptſaͤchlich bekaͤmpfen wollen. Dieſes Zuſammenleimen eines großen Angriffs in ein geometriſches Viereck iſt eine Verirrung in ein falſches Gedankenſyſtem hinein. Wir haben in dem funfzehnten Kapitel des dritten Buches gezeigt daß das geometriſche Element in der Strategie nicht ſo wirkſam iſt als in der Taktik, und wir wollen hier nur das Reſultat wiederholen daß beſonders beim Angriff die wirk- lichen Erfolge auf den einzelnen Punkten durchaus mehr Ruͤckſicht verdienen als die Figur, welche aus dem Angriff nach und nach durch die Verſchiedenheit der Erfolge ent- ſtehen kann.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Clausewitz' "Vom Kriege" erschien zu Lebzeiten de… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/clausewitz_krieg03_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/clausewitz_krieg03_1834/201
Zitationshilfe: Clausewitz, Carl von: Vom Kriege. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clausewitz_krieg03_1834/201>, abgerufen am 27.11.2024.