stärkere Anstrengungen zu machen. Er hat sich in seinem Kalkül betrogen, weil dem preußischen Kabinet damals auf keine Weise beizukommen war. Aber immer zeigt dieser Hergang den Einfluß des politischen Interesses auf den Gang des Krieges.
Preußen hatte im Elsaß weder Etwas zu vertheidigen noch zu erobern. Es hatte im Jahr 1792 den Marsch durch Lothringen nach der Champagne in einem ritterlichen Sinne unternommen. Als dieser gegen den Drang der Umstände nicht mehr vorhielt, führte es den Krieg nur noch mit halbem Interesse fort. Hätten sich die preußi- schen Truppen in den Niederlanden befunden, so waren sie mit Holland in unmittelbarer Verbindung, welches sie halb und halb als ihr eigenes Land ansehen konnten, da sie es im Jahr 1787 unterworfen hatten, sie deckten den Niederrhein und folglich denjenigen Theil der preußischen Monarchie, der dem Kriegstheater am nächsten lag. Auch mit England befand sich Preußen wegen der Subsidien in einem stärkeren Bundesverhältnisse, welches unter diesen Umständen nicht so leicht in die Hinterlist ausarten konnte, welcher sich das preußische Kabinet damals schuldig ge- macht hat.
Es wäre also eine viel bessere Wirkung zu erwarten gewesen, wenn die Östreicher mit ihrer Hauptmacht am Oberrhein, die Preußen mit ihrer ganzen Macht in den Niederlanden aufgetreten wären und die Östreicher dort nur ein verhältnißmäßiges Korps gelassen hätten.
Wenn man im Jahr 1814 statt des unternehmenden Blüchers den General Barklay an die Spitze der schlesi- schen Armee gestellt und Blücher unter Schwarzenberg bei der Hauptarmee behalten hätte, so wäre der Feldzug vielleicht ganz verunglückt.
ſtaͤrkere Anſtrengungen zu machen. Er hat ſich in ſeinem Kalkuͤl betrogen, weil dem preußiſchen Kabinet damals auf keine Weiſe beizukommen war. Aber immer zeigt dieſer Hergang den Einfluß des politiſchen Intereſſes auf den Gang des Krieges.
Preußen hatte im Elſaß weder Etwas zu vertheidigen noch zu erobern. Es hatte im Jahr 1792 den Marſch durch Lothringen nach der Champagne in einem ritterlichen Sinne unternommen. Als dieſer gegen den Drang der Umſtaͤnde nicht mehr vorhielt, fuͤhrte es den Krieg nur noch mit halbem Intereſſe fort. Haͤtten ſich die preußi- ſchen Truppen in den Niederlanden befunden, ſo waren ſie mit Holland in unmittelbarer Verbindung, welches ſie halb und halb als ihr eigenes Land anſehen konnten, da ſie es im Jahr 1787 unterworfen hatten, ſie deckten den Niederrhein und folglich denjenigen Theil der preußiſchen Monarchie, der dem Kriegstheater am naͤchſten lag. Auch mit England befand ſich Preußen wegen der Subſidien in einem ſtaͤrkeren Bundesverhaͤltniſſe, welches unter dieſen Umſtaͤnden nicht ſo leicht in die Hinterliſt ausarten konnte, welcher ſich das preußiſche Kabinet damals ſchuldig ge- macht hat.
Es waͤre alſo eine viel beſſere Wirkung zu erwarten geweſen, wenn die Öſtreicher mit ihrer Hauptmacht am Oberrhein, die Preußen mit ihrer ganzen Macht in den Niederlanden aufgetreten waͤren und die Öſtreicher dort nur ein verhaͤltnißmaͤßiges Korps gelaſſen haͤtten.
Wenn man im Jahr 1814 ſtatt des unternehmenden Bluͤchers den General Barklay an die Spitze der ſchleſi- ſchen Armee geſtellt und Bluͤcher unter Schwarzenberg bei der Hauptarmee behalten haͤtte, ſo waͤre der Feldzug vielleicht ganz verungluͤckt.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0204"n="190"/>ſtaͤrkere Anſtrengungen zu machen. Er hat ſich in ſeinem<lb/>
Kalkuͤl betrogen, weil dem preußiſchen Kabinet damals<lb/>
auf keine Weiſe beizukommen war. Aber immer zeigt<lb/>
dieſer Hergang den Einfluß des politiſchen Intereſſes auf<lb/>
den Gang des Krieges.</p><lb/><p>Preußen hatte im Elſaß weder Etwas zu vertheidigen<lb/>
noch zu erobern. Es hatte im Jahr 1792 den Marſch<lb/>
durch Lothringen nach der Champagne in einem ritterlichen<lb/>
Sinne unternommen. Als dieſer gegen den Drang der<lb/>
Umſtaͤnde nicht mehr vorhielt, fuͤhrte es den Krieg nur<lb/>
noch mit halbem Intereſſe fort. Haͤtten ſich die preußi-<lb/>ſchen Truppen in den Niederlanden befunden, ſo waren ſie<lb/>
mit Holland in unmittelbarer Verbindung, welches ſie<lb/>
halb und halb als ihr eigenes Land anſehen konnten, da ſie<lb/>
es im Jahr 1787 unterworfen hatten, ſie deckten den<lb/>
Niederrhein und folglich denjenigen Theil der preußiſchen<lb/>
Monarchie, der dem Kriegstheater am naͤchſten lag. Auch<lb/>
mit England befand ſich Preußen wegen der Subſidien<lb/>
in einem ſtaͤrkeren Bundesverhaͤltniſſe, welches unter dieſen<lb/>
Umſtaͤnden nicht ſo leicht in die Hinterliſt ausarten konnte,<lb/>
welcher ſich das preußiſche Kabinet damals ſchuldig ge-<lb/>
macht hat.</p><lb/><p>Es waͤre alſo eine viel beſſere Wirkung zu erwarten<lb/>
geweſen, wenn die Öſtreicher mit ihrer Hauptmacht am<lb/>
Oberrhein, die Preußen mit ihrer ganzen Macht in den<lb/>
Niederlanden aufgetreten waͤren und die Öſtreicher dort<lb/>
nur ein verhaͤltnißmaͤßiges Korps gelaſſen haͤtten.</p><lb/><p>Wenn man im Jahr 1814 ſtatt des unternehmenden<lb/>
Bluͤchers den General Barklay an die Spitze der ſchleſi-<lb/>ſchen Armee geſtellt und Bluͤcher unter Schwarzenberg<lb/>
bei der Hauptarmee behalten haͤtte, ſo waͤre der Feldzug<lb/>
vielleicht ganz verungluͤckt.</p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[190/0204]
ſtaͤrkere Anſtrengungen zu machen. Er hat ſich in ſeinem
Kalkuͤl betrogen, weil dem preußiſchen Kabinet damals
auf keine Weiſe beizukommen war. Aber immer zeigt
dieſer Hergang den Einfluß des politiſchen Intereſſes auf
den Gang des Krieges.
Preußen hatte im Elſaß weder Etwas zu vertheidigen
noch zu erobern. Es hatte im Jahr 1792 den Marſch
durch Lothringen nach der Champagne in einem ritterlichen
Sinne unternommen. Als dieſer gegen den Drang der
Umſtaͤnde nicht mehr vorhielt, fuͤhrte es den Krieg nur
noch mit halbem Intereſſe fort. Haͤtten ſich die preußi-
ſchen Truppen in den Niederlanden befunden, ſo waren ſie
mit Holland in unmittelbarer Verbindung, welches ſie
halb und halb als ihr eigenes Land anſehen konnten, da ſie
es im Jahr 1787 unterworfen hatten, ſie deckten den
Niederrhein und folglich denjenigen Theil der preußiſchen
Monarchie, der dem Kriegstheater am naͤchſten lag. Auch
mit England befand ſich Preußen wegen der Subſidien
in einem ſtaͤrkeren Bundesverhaͤltniſſe, welches unter dieſen
Umſtaͤnden nicht ſo leicht in die Hinterliſt ausarten konnte,
welcher ſich das preußiſche Kabinet damals ſchuldig ge-
macht hat.
Es waͤre alſo eine viel beſſere Wirkung zu erwarten
geweſen, wenn die Öſtreicher mit ihrer Hauptmacht am
Oberrhein, die Preußen mit ihrer ganzen Macht in den
Niederlanden aufgetreten waͤren und die Öſtreicher dort
nur ein verhaͤltnißmaͤßiges Korps gelaſſen haͤtten.
Wenn man im Jahr 1814 ſtatt des unternehmenden
Bluͤchers den General Barklay an die Spitze der ſchleſi-
ſchen Armee geſtellt und Bluͤcher unter Schwarzenberg
bei der Hauptarmee behalten haͤtte, ſo waͤre der Feldzug
vielleicht ganz verungluͤckt.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Clausewitz' "Vom Kriege" erschien zu Lebzeiten de… [mehr]
Clausewitz' "Vom Kriege" erschien zu Lebzeiten des Autors nicht als selbstständige Publikation. Es wurde posthum, zwischen 1832 und 1834, als Bde. 1-3 der "Hinterlassenen Werke des Generals Carl von Clausewitz" von dessen Witwe Marie von Clausewitz herausgegeben.
Clausewitz, Carl von: Vom Kriege. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clausewitz_krieg03_1834/204>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.