tiges Nachdenken über alle Lagen in welche man im Kriege kommen kann. Die gefährlichsten dieser Lagen muß man sich am häufigsten denken, muß am besten darüber mit sich einig werden. Das führt zu heroischen Entschlüssen aus Gründen der Vernunft, die dann kein kalter Klügler je erschüttern kann.
Wer Ew. Königlichen Hoheit je die Sache anders vorstellt ist ein Pedant, der Ihnen durch seine Ansichten nur schädlich werden kann. Sie werden in großen Mo- menten des Lebens, im Getümmel der Schlacht einst deut- lich fühlen daß nur eine solche Ansicht aushelfen kann, da wo Hülfe am nöthigsten ist und wo eine trockene Zahlen- pedanterie uns im Stiche läßt.
2. Natürlich sucht man im Kriege immer die Wahr- scheinlichkeit des Erfolges auf seiner Seite zu haben, sei es indem man auf physische oder auf moralische Vortheile zählt. Allein dieses ist nicht immer möglich; man muß oft Etwas gegen die Wahrscheinlichkeit unternehmen, wenn man nämlich nichts Besseres thun kann. Wollten wir hier verzweifeln, so hörte unsere vernünftige Überlegung gerade da auf wo sie am nothwendigsten wird, da wo sich Alles gegen uns verschworen zu haben scheint.
Wenn man also auch die Wahrscheinlichkeit des Er- folges gegen sich hat, so muß man das Unternehmen darum nicht für unmöglich oder unvernünftig halten; ver- nünftig ist es immer wenn wir nichts Besseres zu thun wissen und bei den wenigen Mitteln die wir haben Alles so gut als möglich einrichten.
Damit es in einem solchen Falle nicht an Ruhe und Festigkeit fehle, die im Kriege immer am ersten in Gefahr kommen und die in einer solchen Lage so schwer zu be- wahren sind, ohne welche man aber mit den glänzendsten
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tiges Nachdenken uͤber alle Lagen in welche man im Kriege kommen kann. Die gefaͤhrlichſten dieſer Lagen muß man ſich am haͤufigſten denken, muß am beſten daruͤber mit ſich einig werden. Das fuͤhrt zu heroiſchen Entſchluͤſſen aus Gruͤnden der Vernunft, die dann kein kalter Kluͤgler je erſchuͤttern kann.
Wer Ew. Koͤniglichen Hoheit je die Sache anders vorſtellt iſt ein Pedant, der Ihnen durch ſeine Anſichten nur ſchaͤdlich werden kann. Sie werden in großen Mo- menten des Lebens, im Getuͤmmel der Schlacht einſt deut- lich fuͤhlen daß nur eine ſolche Anſicht aushelfen kann, da wo Huͤlfe am noͤthigſten iſt und wo eine trockene Zahlen- pedanterie uns im Stiche laͤßt.
2. Natuͤrlich ſucht man im Kriege immer die Wahr- ſcheinlichkeit des Erfolges auf ſeiner Seite zu haben, ſei es indem man auf phyſiſche oder auf moraliſche Vortheile zaͤhlt. Allein dieſes iſt nicht immer moͤglich; man muß oft Etwas gegen die Wahrſcheinlichkeit unternehmen, wenn man naͤmlich nichts Beſſeres thun kann. Wollten wir hier verzweifeln, ſo hoͤrte unſere vernuͤnftige Überlegung gerade da auf wo ſie am nothwendigſten wird, da wo ſich Alles gegen uns verſchworen zu haben ſcheint.
Wenn man alſo auch die Wahrſcheinlichkeit des Er- folges gegen ſich hat, ſo muß man das Unternehmen darum nicht fuͤr unmoͤglich oder unvernuͤnftig halten; ver- nuͤnftig iſt es immer wenn wir nichts Beſſeres zu thun wiſſen und bei den wenigen Mitteln die wir haben Alles ſo gut als moͤglich einrichten.
Damit es in einem ſolchen Falle nicht an Ruhe und Feſtigkeit fehle, die im Kriege immer am erſten in Gefahr kommen und die in einer ſolchen Lage ſo ſchwer zu be- wahren ſind, ohne welche man aber mit den glaͤnzendſten
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tiges Nachdenken uͤber alle Lagen in welche man im Kriege
kommen kann. Die gefaͤhrlichſten dieſer Lagen muß man
ſich am haͤufigſten denken, muß am beſten daruͤber mit
ſich einig werden. Das fuͤhrt zu heroiſchen Entſchluͤſſen
aus Gruͤnden der Vernunft, die dann kein kalter Kluͤgler
je erſchuͤttern kann.
Wer Ew. Koͤniglichen Hoheit je die Sache anders
vorſtellt iſt ein Pedant, der Ihnen durch ſeine Anſichten
nur ſchaͤdlich werden kann. Sie werden in großen Mo-
menten des Lebens, im Getuͤmmel der Schlacht einſt deut-
lich fuͤhlen daß nur eine ſolche Anſicht aushelfen kann, da
wo Huͤlfe am noͤthigſten iſt und wo eine trockene Zahlen-
pedanterie uns im Stiche laͤßt.
2. Natuͤrlich ſucht man im Kriege immer die Wahr-
ſcheinlichkeit des Erfolges auf ſeiner Seite zu haben, ſei
es indem man auf phyſiſche oder auf moraliſche Vortheile
zaͤhlt. Allein dieſes iſt nicht immer moͤglich; man muß
oft Etwas gegen die Wahrſcheinlichkeit unternehmen,
wenn man naͤmlich nichts Beſſeres thun kann.
Wollten wir hier verzweifeln, ſo hoͤrte unſere vernuͤnftige
Überlegung gerade da auf wo ſie am nothwendigſten wird,
da wo ſich Alles gegen uns verſchworen zu haben ſcheint.
Wenn man alſo auch die Wahrſcheinlichkeit des Er-
folges gegen ſich hat, ſo muß man das Unternehmen
darum nicht fuͤr unmoͤglich oder unvernuͤnftig halten; ver-
nuͤnftig iſt es immer wenn wir nichts Beſſeres zu thun
wiſſen und bei den wenigen Mitteln die wir haben Alles
ſo gut als moͤglich einrichten.
Damit es in einem ſolchen Falle nicht an Ruhe und
Feſtigkeit fehle, die im Kriege immer am erſten in Gefahr
kommen und die in einer ſolchen Lage ſo ſchwer zu be-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Clausewitz' "Vom Kriege" erschien zu Lebzeiten de… [mehr]
Clausewitz' "Vom Kriege" erschien zu Lebzeiten des Autors nicht als selbstständige Publikation. Es wurde posthum, zwischen 1832 und 1834, als Bde. 1-3 der "Hinterlassenen Werke des Generals Carl von Clausewitz" von dessen Witwe Marie von Clausewitz herausgegeben.
Clausewitz, Carl von: Vom Kriege. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clausewitz_krieg03_1834/225>, abgerufen am 23.11.2024.
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