11. Bei diesen Grundsätzen kommt am Ende auf die Form in welcher die Operationen geführt werden We- nig an. Indessen will ich versuchen das Wichtigste davon mit wenigen Worten klar zu machen.
In der Taktik sucht man den Feind immer zu um- fassen, nämlich den Theil gegen welchen man seinen Haupt- angriff gerichtet hat, theils weil die konzentrische Wirkung der Streitkräfte vortheilhafter ist als die parallele, theils weil man nur so den Feind vom Rückzugspunkte abdrän- gen kann.
Wenden wir was sich dort auf den Feind und die Stellung bezieht hier auf seine Kriegstheater (also auch auf seine Verpflegung) an, so werden die einzelnen Ko- lonnen oder Armeen welche den Feind umfassen sollen, in den meisten Fällen so weit von einander entfernt sein daß sie nicht an einem und demselben Gefechte Theil nehmen können. Der Gegner wird sich in der Mitte befinden und sich nach und nach gegen die einzelnen Korps wenden kön- nen, um diese mit ein und derselben Armee einzeln zu schlagen. Friedrichs II. Feldzüge geben davon Beispiele, besonders die von 1757 und 58.
Da nun das Gefecht die Hauptsache, das Entschei- dende ist, so wird der konzentrisch Verfahrende, wenn er nicht eine ganz entscheidende Übermacht hat, mit den Schlachten alle Vortheile verlieren welche ihm das Um- fassen gewährt haben würde; denn die Einwirkung auf die Verpflegung wirkt nur sehr langsam, der Sieg in der Schlacht sehr schnell.
In der Strategie ist also Der welcher sich zwischen dem Feinde befindet besser daran als Der welcher seinen Gegner umgiebt, besonders bei gleichen oder gar schwächern Kräften.
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11. Bei dieſen Grundſaͤtzen kommt am Ende auf die Form in welcher die Operationen gefuͤhrt werden We- nig an. Indeſſen will ich verſuchen das Wichtigſte davon mit wenigen Worten klar zu machen.
In der Taktik ſucht man den Feind immer zu um- faſſen, naͤmlich den Theil gegen welchen man ſeinen Haupt- angriff gerichtet hat, theils weil die konzentriſche Wirkung der Streitkraͤfte vortheilhafter iſt als die parallele, theils weil man nur ſo den Feind vom Ruͤckzugspunkte abdraͤn- gen kann.
Wenden wir was ſich dort auf den Feind und die Stellung bezieht hier auf ſeine Kriegstheater (alſo auch auf ſeine Verpflegung) an, ſo werden die einzelnen Ko- lonnen oder Armeen welche den Feind umfaſſen ſollen, in den meiſten Faͤllen ſo weit von einander entfernt ſein daß ſie nicht an einem und demſelben Gefechte Theil nehmen koͤnnen. Der Gegner wird ſich in der Mitte befinden und ſich nach und nach gegen die einzelnen Korps wenden koͤn- nen, um dieſe mit ein und derſelben Armee einzeln zu ſchlagen. Friedrichs II. Feldzuͤge geben davon Beiſpiele, beſonders die von 1757 und 58.
Da nun das Gefecht die Hauptſache, das Entſchei- dende iſt, ſo wird der konzentriſch Verfahrende, wenn er nicht eine ganz entſcheidende Übermacht hat, mit den Schlachten alle Vortheile verlieren welche ihm das Um- faſſen gewaͤhrt haben wuͤrde; denn die Einwirkung auf die Verpflegung wirkt nur ſehr langſam, der Sieg in der Schlacht ſehr ſchnell.
In der Strategie iſt alſo Der welcher ſich zwiſchen dem Feinde befindet beſſer daran als Der welcher ſeinen Gegner umgiebt, beſonders bei gleichen oder gar ſchwaͤchern Kraͤften.
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11. Bei dieſen Grundſaͤtzen kommt am Ende auf
die Form in welcher die Operationen gefuͤhrt werden We-
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mit wenigen Worten klar zu machen.
In der Taktik ſucht man den Feind immer zu um-
faſſen, naͤmlich den Theil gegen welchen man ſeinen Haupt-
angriff gerichtet hat, theils weil die konzentriſche Wirkung
der Streitkraͤfte vortheilhafter iſt als die parallele, theils
weil man nur ſo den Feind vom Ruͤckzugspunkte abdraͤn-
gen kann.
Wenden wir was ſich dort auf den Feind und die
Stellung bezieht hier auf ſeine Kriegstheater (alſo auch
auf ſeine Verpflegung) an, ſo werden die einzelnen Ko-
lonnen oder Armeen welche den Feind umfaſſen ſollen, in
den meiſten Faͤllen ſo weit von einander entfernt ſein daß
ſie nicht an einem und demſelben Gefechte Theil nehmen
koͤnnen. Der Gegner wird ſich in der Mitte befinden und
ſich nach und nach gegen die einzelnen Korps wenden koͤn-
nen, um dieſe mit ein und derſelben Armee einzeln zu
ſchlagen. Friedrichs II. Feldzuͤge geben davon Beiſpiele,
beſonders die von 1757 und 58.
Da nun das Gefecht die Hauptſache, das Entſchei-
dende iſt, ſo wird der konzentriſch Verfahrende, wenn er
nicht eine ganz entſcheidende Übermacht hat, mit den
Schlachten alle Vortheile verlieren welche ihm das Um-
faſſen gewaͤhrt haben wuͤrde; denn die Einwirkung auf
die Verpflegung wirkt nur ſehr langſam, der Sieg in der
Schlacht ſehr ſchnell.
In der Strategie iſt alſo Der welcher ſich zwiſchen
dem Feinde befindet beſſer daran als Der welcher ſeinen
Gegner umgiebt, beſonders bei gleichen oder gar ſchwaͤchern
Kraͤften.
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Clausewitz' "Vom Kriege" erschien zu Lebzeiten de… [mehr]
Clausewitz' "Vom Kriege" erschien zu Lebzeiten des Autors nicht als selbstständige Publikation. Es wurde posthum, zwischen 1832 und 1834, als Bde. 1-3 der "Hinterlassenen Werke des Generals Carl von Clausewitz" von dessen Witwe Marie von Clausewitz herausgegeben.
Clausewitz, Carl von: Vom Kriege. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 243. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clausewitz_krieg03_1834/257>, abgerufen am 24.11.2024.
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