8. Überhaupt und für alle diese Fälle kann man folgende Bemerkung nicht scharf genug ins Auge fassen.
Die sinnlich anschaulichen Vorstellungen welche man in der Ausführung erhält, sind lebendiger als die welche man sich früher durch reife Überlegung verschafft hat. Sie sind aber nur der erste Anschein der Dinge und dieser trifft, wie wir wissen, selten mit dem Wesen genau zu- sammen. Man ist also in Gefahr die reife Überlegung dem ersten Anschein aufzuopfern.
Daß dieser erste Anschein in der Regel zur Furcht und übergroßen Vorsicht hinwirkt, liegt in der natürlichen Furchtsamkeit des Menschen die Alles einseitig ansieht.
Dagegen muß man sich also waffnen, muß ein blin- des Vertrauen in die Resultate seiner eigenen frühern reifen Überlegung setzen, um sich dadurch gegen die schwä- chenden Eindrücke des Augenblicks zu stärken.
Bei dieser Schwierigkeit der Ausführung kommt es also auf die Sicherheit und Festigkeit der eigenen Über- zeugung an. Darum ist das Studium der Kriegsgeschichte so wichtig, weil man dadurch gewissermaßen die Dinge selbst kennen lernt, den Hergang selbst sieht. Die Grund- sätze welche man durch einen theoretischen Unterricht er- halten kann, sind nur geeignet dies Studium zu erleich- tern, auf das Wichtigste in der Kriegsgeschichte aufmerk- sam zu machen.
Ew. Königliche Hoheit müssen sich also mit diesen Grundsätzen in der Absicht bekannt machen sie beim Lesen der Kriegsgeschichte zu prüfen, zu sehen wo sie mit dem Hergange der Dinge übereintreffen und wo sie von dem- selben berichtigt oder gar widerlegt werden.
8. Überhaupt und fuͤr alle dieſe Faͤlle kann man folgende Bemerkung nicht ſcharf genug ins Auge faſſen.
Die ſinnlich anſchaulichen Vorſtellungen welche man in der Ausfuͤhrung erhaͤlt, ſind lebendiger als die welche man ſich fruͤher durch reife Überlegung verſchafft hat. Sie ſind aber nur der erſte Anſchein der Dinge und dieſer trifft, wie wir wiſſen, ſelten mit dem Weſen genau zu- ſammen. Man iſt alſo in Gefahr die reife Überlegung dem erſten Anſchein aufzuopfern.
Daß dieſer erſte Anſchein in der Regel zur Furcht und uͤbergroßen Vorſicht hinwirkt, liegt in der natuͤrlichen Furchtſamkeit des Menſchen die Alles einſeitig anſieht.
Dagegen muß man ſich alſo waffnen, muß ein blin- des Vertrauen in die Reſultate ſeiner eigenen fruͤhern reifen Überlegung ſetzen, um ſich dadurch gegen die ſchwaͤ- chenden Eindruͤcke des Augenblicks zu ſtaͤrken.
Bei dieſer Schwierigkeit der Ausfuͤhrung kommt es alſo auf die Sicherheit und Feſtigkeit der eigenen Über- zeugung an. Darum iſt das Studium der Kriegsgeſchichte ſo wichtig, weil man dadurch gewiſſermaßen die Dinge ſelbſt kennen lernt, den Hergang ſelbſt ſieht. Die Grund- ſaͤtze welche man durch einen theoretiſchen Unterricht er- halten kann, ſind nur geeignet dies Studium zu erleich- tern, auf das Wichtigſte in der Kriegsgeſchichte aufmerk- ſam zu machen.
Ew. Koͤnigliche Hoheit muͤſſen ſich alſo mit dieſen Grundſaͤtzen in der Abſicht bekannt machen ſie beim Leſen der Kriegsgeſchichte zu pruͤfen, zu ſehen wo ſie mit dem Hergange der Dinge uͤbereintreffen und wo ſie von dem- ſelben berichtigt oder gar widerlegt werden.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0274"n="260"/><p>8. Überhaupt und fuͤr alle dieſe Faͤlle kann man<lb/>
folgende Bemerkung nicht ſcharf genug ins Auge faſſen.</p><lb/><p>Die ſinnlich anſchaulichen Vorſtellungen welche man<lb/>
in der Ausfuͤhrung erhaͤlt, ſind lebendiger als die welche<lb/>
man ſich fruͤher durch reife Überlegung verſchafft hat. Sie<lb/>ſind aber nur der erſte Anſchein der Dinge und dieſer<lb/>
trifft, wie wir wiſſen, ſelten mit dem Weſen genau zu-<lb/>ſammen. Man iſt alſo in Gefahr die reife Überlegung<lb/>
dem erſten Anſchein aufzuopfern.</p><lb/><p>Daß dieſer erſte Anſchein in der Regel zur Furcht<lb/>
und uͤbergroßen Vorſicht hinwirkt, liegt in der natuͤrlichen<lb/>
Furchtſamkeit des Menſchen die Alles einſeitig anſieht.</p><lb/><p>Dagegen muß man ſich alſo waffnen, muß ein blin-<lb/>
des Vertrauen in die Reſultate ſeiner eigenen fruͤhern<lb/>
reifen Überlegung ſetzen, um ſich dadurch gegen die ſchwaͤ-<lb/>
chenden Eindruͤcke des Augenblicks zu ſtaͤrken.</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><p>Bei dieſer Schwierigkeit der Ausfuͤhrung kommt es<lb/>
alſo auf die Sicherheit und Feſtigkeit der eigenen Über-<lb/>
zeugung an. Darum iſt das Studium der Kriegsgeſchichte<lb/>ſo wichtig, weil man dadurch gewiſſermaßen die Dinge<lb/>ſelbſt kennen lernt, den Hergang ſelbſt ſieht. Die Grund-<lb/>ſaͤtze welche man durch einen theoretiſchen Unterricht er-<lb/>
halten kann, ſind nur geeignet dies Studium zu erleich-<lb/>
tern, auf das Wichtigſte in der Kriegsgeſchichte aufmerk-<lb/>ſam zu machen.</p><lb/><p>Ew. Koͤnigliche Hoheit muͤſſen ſich alſo mit dieſen<lb/>
Grundſaͤtzen in der Abſicht bekannt machen ſie beim Leſen<lb/>
der Kriegsgeſchichte zu pruͤfen, zu ſehen wo ſie mit dem<lb/>
Hergange der Dinge uͤbereintreffen und wo ſie von dem-<lb/>ſelben berichtigt oder gar widerlegt werden.</p><lb/></div></div></div></body></text></TEI>
[260/0274]
8. Überhaupt und fuͤr alle dieſe Faͤlle kann man
folgende Bemerkung nicht ſcharf genug ins Auge faſſen.
Die ſinnlich anſchaulichen Vorſtellungen welche man
in der Ausfuͤhrung erhaͤlt, ſind lebendiger als die welche
man ſich fruͤher durch reife Überlegung verſchafft hat. Sie
ſind aber nur der erſte Anſchein der Dinge und dieſer
trifft, wie wir wiſſen, ſelten mit dem Weſen genau zu-
ſammen. Man iſt alſo in Gefahr die reife Überlegung
dem erſten Anſchein aufzuopfern.
Daß dieſer erſte Anſchein in der Regel zur Furcht
und uͤbergroßen Vorſicht hinwirkt, liegt in der natuͤrlichen
Furchtſamkeit des Menſchen die Alles einſeitig anſieht.
Dagegen muß man ſich alſo waffnen, muß ein blin-
des Vertrauen in die Reſultate ſeiner eigenen fruͤhern
reifen Überlegung ſetzen, um ſich dadurch gegen die ſchwaͤ-
chenden Eindruͤcke des Augenblicks zu ſtaͤrken.
Bei dieſer Schwierigkeit der Ausfuͤhrung kommt es
alſo auf die Sicherheit und Feſtigkeit der eigenen Über-
zeugung an. Darum iſt das Studium der Kriegsgeſchichte
ſo wichtig, weil man dadurch gewiſſermaßen die Dinge
ſelbſt kennen lernt, den Hergang ſelbſt ſieht. Die Grund-
ſaͤtze welche man durch einen theoretiſchen Unterricht er-
halten kann, ſind nur geeignet dies Studium zu erleich-
tern, auf das Wichtigſte in der Kriegsgeſchichte aufmerk-
ſam zu machen.
Ew. Koͤnigliche Hoheit muͤſſen ſich alſo mit dieſen
Grundſaͤtzen in der Abſicht bekannt machen ſie beim Leſen
der Kriegsgeſchichte zu pruͤfen, zu ſehen wo ſie mit dem
Hergange der Dinge uͤbereintreffen und wo ſie von dem-
ſelben berichtigt oder gar widerlegt werden.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Clausewitz' "Vom Kriege" erschien zu Lebzeiten de… [mehr]
Clausewitz' "Vom Kriege" erschien zu Lebzeiten des Autors nicht als selbstständige Publikation. Es wurde posthum, zwischen 1832 und 1834, als Bde. 1-3 der "Hinterlassenen Werke des Generals Carl von Clausewitz" von dessen Witwe Marie von Clausewitz herausgegeben.
Clausewitz, Carl von: Vom Kriege. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 260. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clausewitz_krieg03_1834/274>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.