Wenn zwei ungleiche Massen Infanterie und Artille- rie parallel in gleichem Raume gegen einander aufgestellt sind, so würde, wenn alle Schüsse Zielschüsse auf die einzelnen Individuen wären, die Zahl der Treffer sich ver- halten wie die Zahl der Schießenden. Ebenso würden sich die Treffer verhalten wenn nach einer vollen Scheibe geschossen würde, also wenn das Ziel nicht mehr der ein- zelne Mann sondern ein Bataillon, eine Linie u. s. w. ist. So aber sind die Schüsse im Kriege selbst bei den Schützengefechten in der großen Mehrheit wirklich anzu- sehen. Nun ist aber die Scheibe nicht voll, sondern sie besteht aus Menschen und Zwischenräumen. Diese letztern nehmen in dem Maaße ab als die Zahl der Fechtenden auf demselben Raume zunimmt. Folglich wird die Wir- kung eines Feuergefechts zwischen ungleicher Zahl zusam- mengesetzt sein aus der Zahl der Schießenden und der Zahl der feindlichen Truppen auf welche geschossen wird; d. h. mit andern Worten: die Überlegenheit in der Zahl giebt im Feuergefecht keine überlegene Wirkung, weil man Das was man durch die Menge seiner Schüsse gewinnt, dadurch daß die feindlichen um so viel besser treffen, wie- der verliert.
Angenommen 50 Mann befänden sich in demselben Raume einem Bataillon von 500 gegenüber. Es sollen von den 50 Schüssen 30 in die Scheibe gehen, d. h. in den Quadratraum den das feindliche Bataillon einnimmt, so werden von den feindlichen 500 Schüssen 300 in den Raum gehen den unsere 50 Mann einnehmen. Nun ste- hen aber die 500 Mann noch zehnmal so dicht als die 50, es treffen also von unsern Kugeln zehnmal so viel als von den feindlichen, und mithin werden von unsern
Wenn zwei ungleiche Maſſen Infanterie und Artille- rie parallel in gleichem Raume gegen einander aufgeſtellt ſind, ſo wuͤrde, wenn alle Schuͤſſe Zielſchuͤſſe auf die einzelnen Individuen waͤren, die Zahl der Treffer ſich ver- halten wie die Zahl der Schießenden. Ebenſo wuͤrden ſich die Treffer verhalten wenn nach einer vollen Scheibe geſchoſſen wuͤrde, alſo wenn das Ziel nicht mehr der ein- zelne Mann ſondern ein Bataillon, eine Linie u. ſ. w. iſt. So aber ſind die Schuͤſſe im Kriege ſelbſt bei den Schuͤtzengefechten in der großen Mehrheit wirklich anzu- ſehen. Nun iſt aber die Scheibe nicht voll, ſondern ſie beſteht aus Menſchen und Zwiſchenraͤumen. Dieſe letztern nehmen in dem Maaße ab als die Zahl der Fechtenden auf demſelben Raume zunimmt. Folglich wird die Wir- kung eines Feuergefechts zwiſchen ungleicher Zahl zuſam- mengeſetzt ſein aus der Zahl der Schießenden und der Zahl der feindlichen Truppen auf welche geſchoſſen wird; d. h. mit andern Worten: die Überlegenheit in der Zahl giebt im Feuergefecht keine uͤberlegene Wirkung, weil man Das was man durch die Menge ſeiner Schuͤſſe gewinnt, dadurch daß die feindlichen um ſo viel beſſer treffen, wie- der verliert.
Angenommen 50 Mann befaͤnden ſich in demſelben Raume einem Bataillon von 500 gegenuͤber. Es ſollen von den 50 Schuͤſſen 30 in die Scheibe gehen, d. h. in den Quadratraum den das feindliche Bataillon einnimmt, ſo werden von den feindlichen 500 Schuͤſſen 300 in den Raum gehen den unſere 50 Mann einnehmen. Nun ſte- hen aber die 500 Mann noch zehnmal ſo dicht als die 50, es treffen alſo von unſern Kugeln zehnmal ſo viel als von den feindlichen, und mithin werden von unſern
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Wenn zwei ungleiche Maſſen Infanterie und Artille-
rie parallel in gleichem Raume gegen einander aufgeſtellt
ſind, ſo wuͤrde, wenn alle Schuͤſſe Zielſchuͤſſe auf die
einzelnen Individuen waͤren, die Zahl der Treffer ſich ver-
halten wie die Zahl der Schießenden. Ebenſo wuͤrden
ſich die Treffer verhalten wenn nach einer vollen Scheibe
geſchoſſen wuͤrde, alſo wenn das Ziel nicht mehr der ein-
zelne Mann ſondern ein Bataillon, eine Linie u. ſ. w. iſt.
So aber ſind die Schuͤſſe im Kriege ſelbſt bei den
Schuͤtzengefechten in der großen Mehrheit wirklich anzu-
ſehen. Nun iſt aber die Scheibe nicht voll, ſondern ſie
beſteht aus Menſchen und Zwiſchenraͤumen. Dieſe letztern
nehmen in dem Maaße ab als die Zahl der Fechtenden
auf demſelben Raume zunimmt. Folglich wird die Wir-
kung eines Feuergefechts zwiſchen ungleicher Zahl zuſam-
mengeſetzt ſein aus der Zahl der Schießenden und der
Zahl der feindlichen Truppen auf welche geſchoſſen wird;
d. h. mit andern Worten: die Überlegenheit in der Zahl
giebt im Feuergefecht keine uͤberlegene Wirkung, weil man
Das was man durch die Menge ſeiner Schuͤſſe gewinnt,
dadurch daß die feindlichen um ſo viel beſſer treffen, wie-
der verliert.
Angenommen 50 Mann befaͤnden ſich in demſelben
Raume einem Bataillon von 500 gegenuͤber. Es ſollen
von den 50 Schuͤſſen 30 in die Scheibe gehen, d. h. in
den Quadratraum den das feindliche Bataillon einnimmt,
ſo werden von den feindlichen 500 Schuͤſſen 300 in den
Raum gehen den unſere 50 Mann einnehmen. Nun ſte-
hen aber die 500 Mann noch zehnmal ſo dicht als die
50, es treffen alſo von unſern Kugeln zehnmal ſo viel
als von den feindlichen, und mithin werden von unſern
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Clausewitz' "Vom Kriege" erschien zu Lebzeiten de… [mehr]
Clausewitz' "Vom Kriege" erschien zu Lebzeiten des Autors nicht als selbstständige Publikation. Es wurde posthum, zwischen 1832 und 1834, als Bde. 1-3 der "Hinterlassenen Werke des Generals Carl von Clausewitz" von dessen Witwe Marie von Clausewitz herausgegeben.
Clausewitz, Carl von: Vom Kriege. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 295. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clausewitz_krieg03_1834/309>, abgerufen am 24.11.2024.
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