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Clausewitz, Carl von: Vom Kriege. Bd. 3. Berlin, 1834.

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Absicht des Angreifenden nicht zulassen, d. h. zunächst weil
er den status quo erhalten will. Dies ist die nächste
und nothwendige Absicht des Vertheidigers, was sich wei-
ter daran anknüpft ist nicht nothwendig.

270. Die nothwendige Absicht des Vertheidigers oder
vielmehr der nothwendige Theil in der Absicht des Ver-
theidigers ist also negativ.

271a. Überall wo diese Negativität des Vertheidigers
vorhanden ist d. h. überall und immer wo er das Inter-
esse hat daß Nichts geschehe sondern die Sachen bleiben
wie sie sind, muß er dadurch bestimmt werden nicht zu
handeln sondern abzuwarten bis der Gegner handelt; von
dem Augenblick an aber wo dieser handelt kann der Ver-
theidiger seine Absicht durch bloßes Abwarten und Nicht-
handeln nicht mehr erreichen; nun handelt er also eben so
wie sein Gegner und es hört also der Unterschied auf.

271b. Wendet man dies zuvörderst blos auf das
Gesammtgefecht an, so würde der ganze Unterschied zwi-
schen Angriff und Vertheidigung darin bestehen daß die
letztere den erstern abwartet, der Gang des Gefechts selbst
aber dadurch nicht weiter bedingt werden.

272. Nun kann man aber dieses Prinzip der Ver-
theidigung auch auf das Theilgefecht anwenden; es kann
auch für Glieder und Theile des Ganzen das Interesse
vorhanden sein daß keine Veränderung entstehe und sie
können also dadurch zum Abwarten bestimmt werden.

273. Dies ist nicht allein möglich für Glieder und
Theile des Vertheidigers sondern auch des Angreifenden
und findet auch wirklich bei Beiden Statt.

274. Es liegt aber in der Natur der Sache daß
es beim Vertheidiger häufiger vorkommen wird als beim
Angreifenden, was sich erst zeigen läßt wenn die mit dem

Abſicht des Angreifenden nicht zulaſſen, d. h. zunaͤchſt weil
er den status quo erhalten will. Dies iſt die naͤchſte
und nothwendige Abſicht des Vertheidigers, was ſich wei-
ter daran anknuͤpft iſt nicht nothwendig.

270. Die nothwendige Abſicht des Vertheidigers oder
vielmehr der nothwendige Theil in der Abſicht des Ver-
theidigers iſt alſo negativ.

271a. Überall wo dieſe Negativitaͤt des Vertheidigers
vorhanden iſt d. h. uͤberall und immer wo er das Inter-
eſſe hat daß Nichts geſchehe ſondern die Sachen bleiben
wie ſie ſind, muß er dadurch beſtimmt werden nicht zu
handeln ſondern abzuwarten bis der Gegner handelt; von
dem Augenblick an aber wo dieſer handelt kann der Ver-
theidiger ſeine Abſicht durch bloßes Abwarten und Nicht-
handeln nicht mehr erreichen; nun handelt er alſo eben ſo
wie ſein Gegner und es hoͤrt alſo der Unterſchied auf.

271b. Wendet man dies zuvoͤrderſt blos auf das
Geſammtgefecht an, ſo wuͤrde der ganze Unterſchied zwi-
ſchen Angriff und Vertheidigung darin beſtehen daß die
letztere den erſtern abwartet, der Gang des Gefechts ſelbſt
aber dadurch nicht weiter bedingt werden.

272. Nun kann man aber dieſes Prinzip der Ver-
theidigung auch auf das Theilgefecht anwenden; es kann
auch fuͤr Glieder und Theile des Ganzen das Intereſſe
vorhanden ſein daß keine Veraͤnderung entſtehe und ſie
koͤnnen alſo dadurch zum Abwarten beſtimmt werden.

273. Dies iſt nicht allein moͤglich fuͤr Glieder und
Theile des Vertheidigers ſondern auch des Angreifenden
und findet auch wirklich bei Beiden Statt.

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es beim Vertheidiger haͤufiger vorkommen wird als beim
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[330/0344] Abſicht des Angreifenden nicht zulaſſen, d. h. zunaͤchſt weil er den status quo erhalten will. Dies iſt die naͤchſte und nothwendige Abſicht des Vertheidigers, was ſich wei- ter daran anknuͤpft iſt nicht nothwendig. 270. Die nothwendige Abſicht des Vertheidigers oder vielmehr der nothwendige Theil in der Abſicht des Ver- theidigers iſt alſo negativ. 271a. Überall wo dieſe Negativitaͤt des Vertheidigers vorhanden iſt d. h. uͤberall und immer wo er das Inter- eſſe hat daß Nichts geſchehe ſondern die Sachen bleiben wie ſie ſind, muß er dadurch beſtimmt werden nicht zu handeln ſondern abzuwarten bis der Gegner handelt; von dem Augenblick an aber wo dieſer handelt kann der Ver- theidiger ſeine Abſicht durch bloßes Abwarten und Nicht- handeln nicht mehr erreichen; nun handelt er alſo eben ſo wie ſein Gegner und es hoͤrt alſo der Unterſchied auf. 271b. Wendet man dies zuvoͤrderſt blos auf das Geſammtgefecht an, ſo wuͤrde der ganze Unterſchied zwi- ſchen Angriff und Vertheidigung darin beſtehen daß die letztere den erſtern abwartet, der Gang des Gefechts ſelbſt aber dadurch nicht weiter bedingt werden. 272. Nun kann man aber dieſes Prinzip der Ver- theidigung auch auf das Theilgefecht anwenden; es kann auch fuͤr Glieder und Theile des Ganzen das Intereſſe vorhanden ſein daß keine Veraͤnderung entſtehe und ſie koͤnnen alſo dadurch zum Abwarten beſtimmt werden. 273. Dies iſt nicht allein moͤglich fuͤr Glieder und Theile des Vertheidigers ſondern auch des Angreifenden und findet auch wirklich bei Beiden Statt. 274. Es liegt aber in der Natur der Sache daß es beim Vertheidiger haͤufiger vorkommen wird als beim Angreifenden, was ſich erſt zeigen laͤßt wenn die mit dem

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Zitationshilfe: Clausewitz, Carl von: Vom Kriege. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 330. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clausewitz_krieg03_1834/344>, abgerufen am 24.11.2024.