liegt nicht bloß anders bei großen als bei kleinen Massen, sondern auch anders nach Verhältnissen und Absichten bei- der Theile.
399. Der Schwächere und der Vorsichtige muß der successiven, der Stärkere und der Kühne der gleichzeitigen Kraftanstrengung den Vorzug geben.
400. Es liegt in der Natur der Sache daß der Angreifende der Stärkere oder der Kühnere ist; gleich- viel ob aus Charakterzug des Feldherrn oder aus Noth- wendigkeit.
401. Die umfassende Form des Gefechts, also die welche die meiste gleichzeitige Kraftanstrengung bei uns und beim Gegner bedingt, ist also dem Angreifenden natürlich.
402. Die umfaßte, d. h. die welche die meiste suc- cessive Kraftanstrengung sucht und sich darum dem Um- fassen aussetzt, ist also die natürliche Form der Verthei- digung.
403. In dem Erstern liegt die Tendenz einer schnel- len Entscheidung, in dem Letztern die des Zeitgewinnes, und diese Tendenzen sind mit dem Zweck beider Gefechts- formen in Harmonie.
404. Aber in der Natur der Vertheidigung kommt noch ein anderer Grund vor warum sie die tiefere Auf- stellung sucht.
405. Einer ihrer bedeutendsten Vortheile ist der Beistand der Gegend und des Bodens, von diesem aber macht die örtliche Vertheidigung desselben ein wichtiges Element aus.
406. Nun sollte man glauben dies führte dahin die Fronte so lang als möglich zu machen, um diesen Vor- theil so weit als möglich zu treiben. (Wirklich ist diese
liegt nicht bloß anders bei großen als bei kleinen Maſſen, ſondern auch anders nach Verhaͤltniſſen und Abſichten bei- der Theile.
399. Der Schwaͤchere und der Vorſichtige muß der ſucceſſiven, der Staͤrkere und der Kuͤhne der gleichzeitigen Kraftanſtrengung den Vorzug geben.
400. Es liegt in der Natur der Sache daß der Angreifende der Staͤrkere oder der Kuͤhnere iſt; gleich- viel ob aus Charakterzug des Feldherrn oder aus Noth- wendigkeit.
401. Die umfaſſende Form des Gefechts, alſo die welche die meiſte gleichzeitige Kraftanſtrengung bei uns und beim Gegner bedingt, iſt alſo dem Angreifenden natuͤrlich.
402. Die umfaßte, d. h. die welche die meiſte ſuc- ceſſive Kraftanſtrengung ſucht und ſich darum dem Um- faſſen ausſetzt, iſt alſo die natuͤrliche Form der Verthei- digung.
403. In dem Erſtern liegt die Tendenz einer ſchnel- len Entſcheidung, in dem Letztern die des Zeitgewinnes, und dieſe Tendenzen ſind mit dem Zweck beider Gefechts- formen in Harmonie.
404. Aber in der Natur der Vertheidigung kommt noch ein anderer Grund vor warum ſie die tiefere Auf- ſtellung ſucht.
405. Einer ihrer bedeutendſten Vortheile iſt der Beiſtand der Gegend und des Bodens, von dieſem aber macht die oͤrtliche Vertheidigung deſſelben ein wichtiges Element aus.
406. Nun ſollte man glauben dies fuͤhrte dahin die Fronte ſo lang als moͤglich zu machen, um dieſen Vor- theil ſo weit als moͤglich zu treiben. (Wirklich iſt dieſe
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liegt nicht bloß anders bei großen als bei kleinen Maſſen,
ſondern auch anders nach Verhaͤltniſſen und Abſichten bei-
der Theile.
399. Der Schwaͤchere und der Vorſichtige muß der
ſucceſſiven, der Staͤrkere und der Kuͤhne der gleichzeitigen
Kraftanſtrengung den Vorzug geben.
400. Es liegt in der Natur der Sache daß der
Angreifende der Staͤrkere oder der Kuͤhnere iſt; gleich-
viel ob aus Charakterzug des Feldherrn oder aus Noth-
wendigkeit.
401. Die umfaſſende Form des Gefechts, alſo die
welche die meiſte gleichzeitige Kraftanſtrengung bei uns
und beim Gegner bedingt, iſt alſo dem Angreifenden
natuͤrlich.
402. Die umfaßte, d. h. die welche die meiſte ſuc-
ceſſive Kraftanſtrengung ſucht und ſich darum dem Um-
faſſen ausſetzt, iſt alſo die natuͤrliche Form der Verthei-
digung.
403. In dem Erſtern liegt die Tendenz einer ſchnel-
len Entſcheidung, in dem Letztern die des Zeitgewinnes,
und dieſe Tendenzen ſind mit dem Zweck beider Gefechts-
formen in Harmonie.
404. Aber in der Natur der Vertheidigung kommt
noch ein anderer Grund vor warum ſie die tiefere Auf-
ſtellung ſucht.
405. Einer ihrer bedeutendſten Vortheile iſt der
Beiſtand der Gegend und des Bodens, von dieſem aber
macht die oͤrtliche Vertheidigung deſſelben ein wichtiges
Element aus.
406. Nun ſollte man glauben dies fuͤhrte dahin die
Fronte ſo lang als moͤglich zu machen, um dieſen Vor-
theil ſo weit als moͤglich zu treiben. (Wirklich iſt dieſe
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Clausewitz' "Vom Kriege" erschien zu Lebzeiten de… [mehr]
Clausewitz' "Vom Kriege" erschien zu Lebzeiten des Autors nicht als selbstständige Publikation. Es wurde posthum, zwischen 1832 und 1834, als Bde. 1-3 der "Hinterlassenen Werke des Generals Carl von Clausewitz" von dessen Witwe Marie von Clausewitz herausgegeben.
Clausewitz, Carl von: Vom Kriege. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 351. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clausewitz_krieg03_1834/365>, abgerufen am 23.06.2024.
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