Punkte allein die Plane, welche man im Kriege in dem einen und dem andern Fall machen darf und machen soll. Während der Eine durch Ängstlichkeit und sogenanntes methodisches Verfahren sein bestes Glück verscherzt, plumpt der Andere bis über die Ohren hinein und sieht dann hin- terher aus wie Einer den man eben aus dem Wasser ge- zogen hat, ganz bestürzt und verwundert.
Noch müssen wir hier der Erschlaffung gedenken welche bei dem Sieger nicht selten dann zu Hause eintritt, wenn die Gefahr entfernt ist; während doch umgekehrt neue Anstrengungen nöthig wären um den Sieg zu unter- stützen. Wirft man einen allgemeinen Blick auf diese verschiedenen einander entgegengesetzten Principien, so er- giebt sich ohne Zweifel, daß die Benutzung des Sieges, das Vorschreiten in dem Angriffskriege in der Allgemein- heit der Fälle die Überlegenheit vereinzelt, mit welcher man angefangen oder die man durch den Sieg erwor- ben hat.
Hier muß uns nothwendig die Frage einfallen -- wenn dem so ist, was treibt nun den Sieger zum Ver- folgen seiner Siegesbahn, zum Vorschreiten in der Offen- sive? Und kann dies wirklich noch eine Benutzung des Sieges genannt werden? Wäre es nicht besser da inne zu halten wo noch gar keine Verringerung des erhaltenen Übergewichts stattgefunden hat?
Hierauf muß man natürlich antworten: das Überge- wicht der Streitkräfte ist nicht der Zweck sondern das Mittel. Der Zweck ist entweder den Feind niederzumachen oder ihm wenigstens einen Theil seiner Länder zu nehmen, um sich dadurch zwar nicht für den augenblicklichen Stand der Streitkräfte, aber doch für den Stand
Punkte allein die Plane, welche man im Kriege in dem einen und dem andern Fall machen darf und machen ſoll. Waͤhrend der Eine durch Ängſtlichkeit und ſogenanntes methodiſches Verfahren ſein beſtes Gluͤck verſcherzt, plumpt der Andere bis uͤber die Ohren hinein und ſieht dann hin- terher aus wie Einer den man eben aus dem Waſſer ge- zogen hat, ganz beſtuͤrzt und verwundert.
Noch muͤſſen wir hier der Erſchlaffung gedenken welche bei dem Sieger nicht ſelten dann zu Hauſe eintritt, wenn die Gefahr entfernt iſt; waͤhrend doch umgekehrt neue Anſtrengungen noͤthig waͤren um den Sieg zu unter- ſtuͤtzen. Wirft man einen allgemeinen Blick auf dieſe verſchiedenen einander entgegengeſetzten Principien, ſo er- giebt ſich ohne Zweifel, daß die Benutzung des Sieges, das Vorſchreiten in dem Angriffskriege in der Allgemein- heit der Faͤlle die Überlegenheit vereinzelt, mit welcher man angefangen oder die man durch den Sieg erwor- ben hat.
Hier muß uns nothwendig die Frage einfallen — wenn dem ſo iſt, was treibt nun den Sieger zum Ver- folgen ſeiner Siegesbahn, zum Vorſchreiten in der Offen- ſive? Und kann dies wirklich noch eine Benutzung des Sieges genannt werden? Waͤre es nicht beſſer da inne zu halten wo noch gar keine Verringerung des erhaltenen Übergewichts ſtattgefunden hat?
Hierauf muß man natuͤrlich antworten: das Überge- wicht der Streitkraͤfte iſt nicht der Zweck ſondern das Mittel. Der Zweck iſt entweder den Feind niederzumachen oder ihm wenigſtens einen Theil ſeiner Laͤnder zu nehmen, um ſich dadurch zwar nicht fuͤr den augenblicklichen Stand der Streitkraͤfte, aber doch fuͤr den Stand
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Punkte allein die Plane, welche man im Kriege in dem
einen und dem andern Fall machen darf und machen ſoll.
Waͤhrend der Eine durch Ängſtlichkeit und ſogenanntes
methodiſches Verfahren ſein beſtes Gluͤck verſcherzt, plumpt
der Andere bis uͤber die Ohren hinein und ſieht dann hin-
terher aus wie Einer den man eben aus dem Waſſer ge-
zogen hat, ganz beſtuͤrzt und verwundert.
Noch muͤſſen wir hier der Erſchlaffung gedenken
welche bei dem Sieger nicht ſelten dann zu Hauſe eintritt,
wenn die Gefahr entfernt iſt; waͤhrend doch umgekehrt
neue Anſtrengungen noͤthig waͤren um den Sieg zu unter-
ſtuͤtzen. Wirft man einen allgemeinen Blick auf dieſe
verſchiedenen einander entgegengeſetzten Principien, ſo er-
giebt ſich ohne Zweifel, daß die Benutzung des Sieges,
das Vorſchreiten in dem Angriffskriege in der Allgemein-
heit der Faͤlle die Überlegenheit vereinzelt, mit welcher
man angefangen oder die man durch den Sieg erwor-
ben hat.
Hier muß uns nothwendig die Frage einfallen —
wenn dem ſo iſt, was treibt nun den Sieger zum Ver-
folgen ſeiner Siegesbahn, zum Vorſchreiten in der Offen-
ſive? Und kann dies wirklich noch eine Benutzung des
Sieges genannt werden? Waͤre es nicht beſſer da inne zu
halten wo noch gar keine Verringerung des erhaltenen
Übergewichts ſtattgefunden hat?
Hierauf muß man natuͤrlich antworten: das Überge-
wicht der Streitkraͤfte iſt nicht der Zweck ſondern das
Mittel. Der Zweck iſt entweder den Feind niederzumachen
oder ihm wenigſtens einen Theil ſeiner Laͤnder zu nehmen,
um ſich dadurch zwar nicht fuͤr den augenblicklichen
Stand der Streitkraͤfte, aber doch fuͤr den Stand
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Clausewitz' "Vom Kriege" erschien zu Lebzeiten de… [mehr]
Clausewitz' "Vom Kriege" erschien zu Lebzeiten des Autors nicht als selbstständige Publikation. Es wurde posthum, zwischen 1832 und 1834, als Bde. 1-3 der "Hinterlassenen Werke des Generals Carl von Clausewitz" von dessen Witwe Marie von Clausewitz herausgegeben.
Clausewitz, Carl von: Vom Kriege. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clausewitz_krieg03_1834/93>, abgerufen am 23.11.2024.
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