p1c_047.001 begeistert zur Vernunft, das heißt also, ich werde gestraft.p1c_047.002 Diese Strafe ist keine Jmputation, die gegen ein ganz p1c_047.003 freyes, absolut freyes Wesen statt fände. Ein solches p1c_047.004 freyes Wesen, das zwischen Gott, der höhern Naturp1c_047.005 und der Welt, der niedern Natur zwischen inne stände, ist p1c_047.006 ein Unding, unbegreiflich für jede helle Menschenvernunft. p1c_047.007 Die Strafe ist also eine natürliche Folge dessen, p1c_047.008 daß der Schöpfergeist mich als ein materielles Wesen p1c_047.009 behandeln muß, daß der höhern Maxime nicht fähig ist. p1c_047.010 Verloren ist kein Stäubchen. Also auch nicht ich, der zum p1c_047.011 Staube herabsank. Aber bey alledem hab' ich meine p1c_047.012 höhere Natur aufgegeben, die ich jedoch mit der ersten guten p1c_047.013 Handlung wieder gewinnen kann, sobald ich der Erbsündep1c_047.014 dieser egoistischen Freyheit (psychologischen Schein) entsage, p1c_047.015 für welche ich durch einen gleichen Schein von Jmputationp1c_047.016 gestraft werde, und die Versöhnung, die Offenbarung annehme. p1c_047.017 "Viele sind berufen, aber wenige sind auserwählt." p1c_047.018 - Nun fragt es sich, wie kommt die Religion ins empirischep1c_047.019 Bewußtseyn als Thatsache? Antwort: dadurch, p1c_047.020 daß ich vom Jnstinkt frey werde, und daß mich Gottp1c_047.021 in sein Wesen aufnimmt. Jst dies nur eine vergangene p1c_047.022 historische Sache, oder auch eine Thatsache in jedem p1c_047.023 Menschen? Antwort: beydes, es ist eine fortwährende p1c_047.024 Thatsache. Aber dies geschieht und kann nicht geschehen p1c_047.025 durch Demonstrationen wissenschaftlich. Nur Objektep1c_047.026 können demonstrirt werden. Also kann es nur geschehen p1c_047.027 durch ein Geisteswunder. Denn was ich nicht demonstriren p1c_047.028 kann, ist Wunder für den Verstand. Daß ich
p1c_047.001 begeistert zur Vernunft, das heißt also, ich werde gestraft.p1c_047.002 Diese Strafe ist keine Jmputation, die gegen ein ganz p1c_047.003 freyes, absolut freyes Wesen statt fände. Ein solches p1c_047.004 freyes Wesen, das zwischen Gott, der höhern Naturp1c_047.005 und der Welt, der niedern Natur zwischen inne stände, ist p1c_047.006 ein Unding, unbegreiflich für jede helle Menschenvernunft. p1c_047.007 Die Strafe ist also eine natürliche Folge dessen, p1c_047.008 daß der Schöpfergeist mich als ein materielles Wesen p1c_047.009 behandeln muß, daß der höhern Maxime nicht fähig ist. p1c_047.010 Verloren ist kein Stäubchen. Also auch nicht ich, der zum p1c_047.011 Staube herabsank. Aber bey alledem hab' ich meine p1c_047.012 höhere Natur aufgegeben, die ich jedoch mit der ersten guten p1c_047.013 Handlung wieder gewinnen kann, sobald ich der Erbsündep1c_047.014 dieser egoistischen Freyheit (psychologischen Schein) entsage, p1c_047.015 für welche ich durch einen gleichen Schein von Jmputationp1c_047.016 gestraft werde, und die Versöhnung, die Offenbarung annehme. p1c_047.017 „Viele sind berufen, aber wenige sind auserwählt.“ p1c_047.018 ─ Nun fragt es sich, wie kommt die Religion ins empirischep1c_047.019 Bewußtseyn als Thatsache? Antwort: dadurch, p1c_047.020 daß ich vom Jnstinkt frey werde, und daß mich Gottp1c_047.021 in sein Wesen aufnimmt. Jst dies nur eine vergangene p1c_047.022 historische Sache, oder auch eine Thatsache in jedem p1c_047.023 Menschen? Antwort: beydes, es ist eine fortwährende p1c_047.024 Thatsache. Aber dies geschieht und kann nicht geschehen p1c_047.025 durch Demonstrationen wissenschaftlich. Nur Objektep1c_047.026 können demonstrirt werden. Also kann es nur geschehen p1c_047.027 durch ein Geisteswunder. Denn was ich nicht demonstriren p1c_047.028 kann, ist Wunder für den Verstand. Daß ich
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0105"n="47"/><lbn="p1c_047.001"/>
begeistert zur Vernunft, das heißt also, ich werde <hirendition="#g">gestraft.</hi><lbn="p1c_047.002"/>
Diese Strafe ist keine Jmputation, die gegen ein <hirendition="#g">ganz <lbn="p1c_047.003"/>
freyes, absolut freyes</hi> Wesen statt fände. Ein solches <lbn="p1c_047.004"/>
freyes Wesen, das zwischen <hirendition="#g">Gott,</hi> der höhern <hirendition="#g">Natur</hi><lbn="p1c_047.005"/>
und der <hirendition="#g">Welt,</hi> der niedern Natur zwischen inne stände, ist <lbn="p1c_047.006"/>
ein <hirendition="#g">Unding, unbegreiflich</hi> für jede helle Menschenvernunft. <lbn="p1c_047.007"/>
Die <hirendition="#g">Strafe</hi> ist also eine natürliche Folge dessen, <lbn="p1c_047.008"/>
daß der Schöpfergeist mich als ein <hirendition="#g">materielles</hi> Wesen <lbn="p1c_047.009"/>
behandeln muß, daß der höhern Maxime nicht fähig ist. <lbn="p1c_047.010"/>
Verloren ist kein Stäubchen. Also auch nicht <hirendition="#g">ich,</hi> der zum <lbn="p1c_047.011"/>
Staube herabsank. Aber bey alledem hab' ich meine <lbn="p1c_047.012"/>
höhere Natur aufgegeben, die ich jedoch mit der ersten guten <lbn="p1c_047.013"/>
Handlung wieder gewinnen kann, sobald ich der <hirendition="#g">Erbsünde</hi><lbn="p1c_047.014"/>
dieser egoistischen Freyheit (psychologischen Schein) entsage, <lbn="p1c_047.015"/>
für welche ich durch einen gleichen Schein von <hirendition="#g">Jmputation</hi><lbn="p1c_047.016"/>
gestraft werde, und die Versöhnung, die Offenbarung annehme. <lbn="p1c_047.017"/>„Viele sind berufen, aber wenige sind auserwählt.“<lbn="p1c_047.018"/>─ Nun fragt es sich, wie kommt die <hirendition="#g">Religion</hi> ins <hirendition="#g">empirische</hi><lbn="p1c_047.019"/>
Bewußtseyn als Thatsache? Antwort: dadurch, <lbn="p1c_047.020"/>
daß ich vom <hirendition="#g">Jnstinkt</hi> frey werde, und daß mich <hirendition="#g">Gott</hi><lbn="p1c_047.021"/>
in sein Wesen aufnimmt. Jst dies nur eine <hirendition="#g">vergangene <lbn="p1c_047.022"/>
historische</hi> Sache, oder auch eine Thatsache in jedem <lbn="p1c_047.023"/>
Menschen? Antwort: beydes, es ist eine <hirendition="#g">fortwährende <lbn="p1c_047.024"/>
Thatsache.</hi> Aber dies geschieht und kann nicht geschehen <lbn="p1c_047.025"/>
durch <hirendition="#g">Demonstrationen</hi> wissenschaftlich. Nur <hirendition="#g">Objekte</hi><lbn="p1c_047.026"/>
können demonstrirt werden. Also kann es nur geschehen <lbn="p1c_047.027"/>
durch ein <hirendition="#g">Geisteswunder.</hi> Denn was ich nicht demonstriren <lbn="p1c_047.028"/>
kann, ist <hirendition="#g">Wunder</hi> für den Verstand. Daß ich
</p></div></div></body></text></TEI>
[47/0105]
p1c_047.001
begeistert zur Vernunft, das heißt also, ich werde gestraft. p1c_047.002
Diese Strafe ist keine Jmputation, die gegen ein ganz p1c_047.003
freyes, absolut freyes Wesen statt fände. Ein solches p1c_047.004
freyes Wesen, das zwischen Gott, der höhern Natur p1c_047.005
und der Welt, der niedern Natur zwischen inne stände, ist p1c_047.006
ein Unding, unbegreiflich für jede helle Menschenvernunft. p1c_047.007
Die Strafe ist also eine natürliche Folge dessen, p1c_047.008
daß der Schöpfergeist mich als ein materielles Wesen p1c_047.009
behandeln muß, daß der höhern Maxime nicht fähig ist. p1c_047.010
Verloren ist kein Stäubchen. Also auch nicht ich, der zum p1c_047.011
Staube herabsank. Aber bey alledem hab' ich meine p1c_047.012
höhere Natur aufgegeben, die ich jedoch mit der ersten guten p1c_047.013
Handlung wieder gewinnen kann, sobald ich der Erbsünde p1c_047.014
dieser egoistischen Freyheit (psychologischen Schein) entsage, p1c_047.015
für welche ich durch einen gleichen Schein von Jmputation p1c_047.016
gestraft werde, und die Versöhnung, die Offenbarung annehme. p1c_047.017
„Viele sind berufen, aber wenige sind auserwählt.“ p1c_047.018
─ Nun fragt es sich, wie kommt die Religion ins empirische p1c_047.019
Bewußtseyn als Thatsache? Antwort: dadurch, p1c_047.020
daß ich vom Jnstinkt frey werde, und daß mich Gott p1c_047.021
in sein Wesen aufnimmt. Jst dies nur eine vergangene p1c_047.022
historische Sache, oder auch eine Thatsache in jedem p1c_047.023
Menschen? Antwort: beydes, es ist eine fortwährende p1c_047.024
Thatsache. Aber dies geschieht und kann nicht geschehen p1c_047.025
durch Demonstrationen wissenschaftlich. Nur Objekte p1c_047.026
können demonstrirt werden. Also kann es nur geschehen p1c_047.027
durch ein Geisteswunder. Denn was ich nicht demonstriren p1c_047.028
kann, ist Wunder für den Verstand. Daß ich
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription.
(2015-09-30T09:54:39Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination
Weitere Informationen:
Bogensignaturen: keine Angabe;
Druckfehler: keine Angabe;
fremdsprachliches Material: gekennzeichnet;
Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;
Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage;
i/j in Fraktur: wie Vorlage;
I/J in Fraktur: wie Vorlage;
Kolumnentitel: nicht übernommen;
Kustoden: nicht übernommen;
langes s (ſ): wie Vorlage;
Normalisierungen: keine;
rundes r (ꝛ): wie Vorlage;
Seitenumbrüche markiert: ja;
Silbentrennung: nicht übernommen;
u/v bzw. U/V: wie Vorlage;
Vokale mit übergest. e: wie Vorlage;
Vollständigkeit: vollständig erfasst;
Zeichensetzung: wie Vorlage;
Zeilenumbrüche markiert: ja;
Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Erster Theil. Leipzig, 1804, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik01_1804/105>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.