p1c_050.001 welche ihres Vaters und also ihr eignes Werk thun, durch p1c_050.002 keinen Jmperatif (so wenig wie Gott) gezwungen, sondern p1c_050.003 aus seliger Freyheit der höhern Natur. Das instinktfreye p1c_050.004 Leben ist also bedingte Kunst, in wie fern es unter dem p1c_050.005 Zwange des Jmperatifs, nach dem logischen Begriff der p1c_050.006 Gewissensnothwendigkeit, das unendliche Objekt, die idealep1c_050.007 Welt in der Erscheinungswelt zum Bewußtseyn zu bringen p1c_050.008 sucht. Freye Kunst, in wie fern es durch den religiösenp1c_050.009 Glauben zur Genialität wird, in wie fern zuweilen eine p1c_050.010 erhabene Liebe, ein höherer Trieb, an die Stelle des Gehorsams p1c_050.011 treten kann. Bedient man sich dabey im Streben p1c_050.012 nach Jdeenanschauung der Sprache, so ist das höhere Leben p1c_050.013 Poesie. Daher sagt man z. B. von Sehern und Propheten, p1c_050.014 sie seyen poetische Menschen. Aus der obigen Gedankenreihe p1c_050.015 erhellt folgendes Resultat. Religion, als das p1c_050.016 zur Form verbindende und die verbindende Form, das Gesetz, p1c_050.017 sind identisch. Gesetz und Religion läßt sich nicht demonstriren, p1c_050.018 das hieße bedingen das Unbedingte. Beydes p1c_050.019 offenbart sich. Wer aber das eine, z. B. Gesetz annimmt, p1c_050.020 ist logisch zu zwingen, auch die Religion als verbindendes p1c_050.021 Bewußtseyn anzunehmen, das wirken soll, mithin kann. p1c_050.022 Ohne Offenbarung ist alle Heiligkeit unsrer Moralphilosophieen p1c_050.023 erschlichen.
p1c_050.024 Anmerk. 2. Die Aufgabe des höhern Lebens ist p1c_050.025 also nicht Hervorbringung des Realen. Das wird durch p1c_050.026 die niedere Natur und den Jnstinkt hervorgebracht. Der p1c_050.027 versöhnte Gott des neuen Testaments nimmt uns an zu
p1c_050.001 welche ihres Vaters und also ihr eignes Werk thun, durch p1c_050.002 keinen Jmperatif (so wenig wie Gott) gezwungen, sondern p1c_050.003 aus seliger Freyheit der höhern Natur. Das instinktfreye p1c_050.004 Leben ist also bedingte Kunst, in wie fern es unter dem p1c_050.005 Zwange des Jmperatifs, nach dem logischen Begriff der p1c_050.006 Gewissensnothwendigkeit, das unendliche Objekt, die idealep1c_050.007 Welt in der Erscheinungswelt zum Bewußtseyn zu bringen p1c_050.008 sucht. Freye Kunst, in wie fern es durch den religiösenp1c_050.009 Glauben zur Genialität wird, in wie fern zuweilen eine p1c_050.010 erhabene Liebe, ein höherer Trieb, an die Stelle des Gehorsams p1c_050.011 treten kann. Bedient man sich dabey im Streben p1c_050.012 nach Jdeenanschauung der Sprache, so ist das höhere Leben p1c_050.013 Poesie. Daher sagt man z. B. von Sehern und Propheten, p1c_050.014 sie seyen poetische Menschen. Aus der obigen Gedankenreihe p1c_050.015 erhellt folgendes Resultat. Religion, als das p1c_050.016 zur Form verbindende und die verbindende Form, das Gesetz, p1c_050.017 sind identisch. Gesetz und Religion läßt sich nicht demonstriren, p1c_050.018 das hieße bedingen das Unbedingte. Beydes p1c_050.019 offenbart sich. Wer aber das eine, z. B. Gesetz annimmt, p1c_050.020 ist logisch zu zwingen, auch die Religion als verbindendes p1c_050.021 Bewußtseyn anzunehmen, das wirken soll, mithin kann. p1c_050.022 Ohne Offenbarung ist alle Heiligkeit unsrer Moralphilosophieen p1c_050.023 erschlichen.
p1c_050.024 Anmerk. 2. Die Aufgabe des höhern Lebens ist p1c_050.025 also nicht Hervorbringung des Realen. Das wird durch p1c_050.026 die niedere Natur und den Jnstinkt hervorgebracht. Der p1c_050.027 versöhnte Gott des neuen Testaments nimmt uns an zu
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Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Erster Theil. Leipzig, 1804, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik01_1804/108>, abgerufen am 23.11.2024.
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