Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Erster Theil. Leipzig, 1804.

Bild:
<< vorherige Seite

p1c_XIV.001
Der schlimmste und bitterste Zwist, in welchen sich die p1c_XIV.002
philosophische Poetik ex professo mischen muß, weil ihr p1c_XIV.003
ganzes wissenschaftliches Daseyn vom Daseyn einer nothwendigen, p1c_XIV.004
mithin mystischen Poesie abzuhängen scheint, p1c_XIV.005
ist derjenige, welcher jetzt zwischen Mystikern und Aufklärern p1c_XIV.006
geführt wird. Es kommt so viel darauf an, daß p1c_XIV.007
eines Theils jede Frucht einer wahren Aufklärung gesichert, p1c_XIV.008
anderntheils die Stimmung zur Andacht in den Gemüthern p1c_XIV.009
wieder erweckt werde, daß man sich über diesen wichtigen p1c_XIV.010
Gegenstand nicht deutlich genug erklären kann.

p1c_XIV.011
Wie weit die Poetik davon entfernt sey, den Mystizismus p1c_XIV.012
ins wissenschaftliche Gebiet einzuführen, erhellt p1c_XIV.013
schon daraus, daß sie selbst die Wunder der Poesie zu p1c_XIV.014
erklären versucht, bis dahinauf, wo sie ans unbegreifliche, p1c_XIV.015
ans göttliche gränzen. Ueberdem ist den Wissenschaften p1c_XIV.016
als empirischen Theorien ihre völlige Existenz p1c_XIV.017
zugesichert worden. Dies muß man deswegen erinnern, p1c_XIV.018
weil die gute Sache heut zu Tage mit unter leider schlecht p1c_XIV.019
vertheidigt wird, weil manche Art von Schwärmerey mit p1c_XIV.020
Vernichtung der Wissenschaften droht, und es schon so weit p1c_XIV.021
geht, daß, wer sich etwa die Neunerprobe aus dem Dezimalsystem p1c_XIV.022
nicht zu erklären weiß, wegen des Wunders bey der p1c_XIV.023
Multiplication mit der Neune (hoffentlich aus Satyre) die

p1c_XIV.001
Der schlimmste und bitterste Zwist, in welchen sich die p1c_XIV.002
philosophische Poetik ex professo mischen muß, weil ihr p1c_XIV.003
ganzes wissenschaftliches Daseyn vom Daseyn einer nothwendigen, p1c_XIV.004
mithin mystischen Poesie abzuhängen scheint, p1c_XIV.005
ist derjenige, welcher jetzt zwischen Mystikern und Aufklärern p1c_XIV.006
geführt wird. Es kommt so viel darauf an, daß p1c_XIV.007
eines Theils jede Frucht einer wahren Aufklärung gesichert, p1c_XIV.008
anderntheils die Stimmung zur Andacht in den Gemüthern p1c_XIV.009
wieder erweckt werde, daß man sich über diesen wichtigen p1c_XIV.010
Gegenstand nicht deutlich genug erklären kann.

p1c_XIV.011
Wie weit die Poetik davon entfernt sey, den Mystizismus p1c_XIV.012
ins wissenschaftliche Gebiet einzuführen, erhellt p1c_XIV.013
schon daraus, daß sie selbst die Wunder der Poesie zu p1c_XIV.014
erklären versucht, bis dahinauf, wo sie ans unbegreifliche, p1c_XIV.015
ans göttliche gränzen. Ueberdem ist den Wissenschaften p1c_XIV.016
als empirischen Theorien ihre völlige Existenz p1c_XIV.017
zugesichert worden. Dies muß man deswegen erinnern, p1c_XIV.018
weil die gute Sache heut zu Tage mit unter leider schlecht p1c_XIV.019
vertheidigt wird, weil manche Art von Schwärmerey mit p1c_XIV.020
Vernichtung der Wissenschaften droht, und es schon so weit p1c_XIV.021
geht, daß, wer sich etwa die Neunerprobe aus dem Dezimalsystem p1c_XIV.022
nicht zu erklären weiß, wegen des Wunders bey der p1c_XIV.023
Multiplication mit der Neune (hoffentlich aus Satyre) die

<TEI>
  <text>
    <front>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0018" n="RXIV"/>
        <p><lb n="p1c_XIV.001"/>
Der schlimmste und bitterste Zwist, in welchen sich die <lb n="p1c_XIV.002"/>
philosophische Poetik <hi rendition="#aq">ex professo</hi> mischen muß, weil ihr <lb n="p1c_XIV.003"/>
ganzes wissenschaftliches Daseyn vom Daseyn einer <hi rendition="#g">nothwendigen,</hi> <lb n="p1c_XIV.004"/>
mithin <hi rendition="#g">mystischen</hi> Poesie abzuhängen scheint, <lb n="p1c_XIV.005"/>
ist derjenige, welcher jetzt zwischen <hi rendition="#g">Mystikern</hi> und <hi rendition="#g">Aufklärern</hi> <lb n="p1c_XIV.006"/>
geführt wird. Es kommt so viel darauf an, daß <lb n="p1c_XIV.007"/>
eines Theils jede Frucht einer wahren Aufklärung gesichert, <lb n="p1c_XIV.008"/>
anderntheils die Stimmung zur Andacht in den Gemüthern <lb n="p1c_XIV.009"/>
wieder erweckt werde, daß man sich über diesen wichtigen <lb n="p1c_XIV.010"/>
Gegenstand nicht deutlich genug erklären kann.</p>
        <p><lb n="p1c_XIV.011"/>
Wie weit die <hi rendition="#g">Poetik</hi> davon entfernt sey, den Mystizismus <lb n="p1c_XIV.012"/>
ins wissenschaftliche Gebiet einzuführen, erhellt <lb n="p1c_XIV.013"/>
schon daraus, daß sie selbst die <hi rendition="#g">Wunder</hi> der Poesie zu <lb n="p1c_XIV.014"/> <hi rendition="#g">erklären</hi> versucht, bis dahinauf, wo sie ans unbegreifliche, <lb n="p1c_XIV.015"/>
ans <hi rendition="#g">göttliche</hi> gränzen. Ueberdem ist den <hi rendition="#g">Wissenschaften</hi> <lb n="p1c_XIV.016"/>
als <hi rendition="#g">empirischen</hi> Theorien ihre völlige Existenz <lb n="p1c_XIV.017"/>
zugesichert worden. Dies muß man deswegen erinnern, <lb n="p1c_XIV.018"/>
weil die gute Sache heut zu Tage mit unter leider schlecht <lb n="p1c_XIV.019"/>
vertheidigt wird, weil manche Art von Schwärmerey mit <lb n="p1c_XIV.020"/>
Vernichtung der Wissenschaften droht, und es schon so weit <lb n="p1c_XIV.021"/>
geht, daß, wer sich etwa die Neunerprobe aus dem Dezimalsystem <lb n="p1c_XIV.022"/>
nicht zu erklären weiß, wegen des Wunders bey der <lb n="p1c_XIV.023"/>
Multiplication mit der Neune (hoffentlich aus Satyre) die
</p>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[RXIV/0018] p1c_XIV.001 Der schlimmste und bitterste Zwist, in welchen sich die p1c_XIV.002 philosophische Poetik ex professo mischen muß, weil ihr p1c_XIV.003 ganzes wissenschaftliches Daseyn vom Daseyn einer nothwendigen, p1c_XIV.004 mithin mystischen Poesie abzuhängen scheint, p1c_XIV.005 ist derjenige, welcher jetzt zwischen Mystikern und Aufklärern p1c_XIV.006 geführt wird. Es kommt so viel darauf an, daß p1c_XIV.007 eines Theils jede Frucht einer wahren Aufklärung gesichert, p1c_XIV.008 anderntheils die Stimmung zur Andacht in den Gemüthern p1c_XIV.009 wieder erweckt werde, daß man sich über diesen wichtigen p1c_XIV.010 Gegenstand nicht deutlich genug erklären kann. p1c_XIV.011 Wie weit die Poetik davon entfernt sey, den Mystizismus p1c_XIV.012 ins wissenschaftliche Gebiet einzuführen, erhellt p1c_XIV.013 schon daraus, daß sie selbst die Wunder der Poesie zu p1c_XIV.014 erklären versucht, bis dahinauf, wo sie ans unbegreifliche, p1c_XIV.015 ans göttliche gränzen. Ueberdem ist den Wissenschaften p1c_XIV.016 als empirischen Theorien ihre völlige Existenz p1c_XIV.017 zugesichert worden. Dies muß man deswegen erinnern, p1c_XIV.018 weil die gute Sache heut zu Tage mit unter leider schlecht p1c_XIV.019 vertheidigt wird, weil manche Art von Schwärmerey mit p1c_XIV.020 Vernichtung der Wissenschaften droht, und es schon so weit p1c_XIV.021 geht, daß, wer sich etwa die Neunerprobe aus dem Dezimalsystem p1c_XIV.022 nicht zu erklären weiß, wegen des Wunders bey der p1c_XIV.023 Multiplication mit der Neune (hoffentlich aus Satyre) die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription. (2015-09-30T09:54:39Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: nicht übernommen; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): wie Vorlage; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: nicht übernommen; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik01_1804
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik01_1804/18
Zitationshilfe: Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Erster Theil. Leipzig, 1804, S. RXIV. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik01_1804/18>, abgerufen am 21.11.2024.