p1c_459.001 veranlaßten Begeisterung überlassen, welche die gesetzliche p1c_459.002 Organisation des Ganzen auch in den mannichfaltigen p1c_459.003 Zeitbegebenheiten ahnen läßt. "Gott," sagt ein heiliger p1c_459.004 Schriftsteller, "hat die Welt geschaffen, und sie dem menschlichen p1c_459.005 Unverstande zur Beurtheilung übergeben." Tradidit p1c_459.006 mundum disputationi eorum. Aber ein andrer heiliger p1c_459.007 Schriftsteller sagt auch: "Suchet Gott und er wird p1c_459.008 sich finden lassen." Und nichts ist auch trostreicher, als p1c_459.009 die psychologische Wahrheit, die jede Erfahrung bestätigt, p1c_459.010 daß schon die Sehnsucht nach religiösem Glauben zu einer p1c_459.011 religiösen Ueberzeugung führt, welche sich nicht rauben läßt. p1c_459.012 Der Jmperativ des religiösen Gewissens kann in dem p1c_459.013 Augenblick des Handelns den Menschen bestimmen. Es begründet p1c_459.014 die ganze Sphäre unsres Wissens. Allein Gewissenp1c_459.015 sowohl als Wissen erhält uns in einem Zwange,p1c_459.016 der keine höhere Ansicht des Lebens zuläßt. Was hilft es, p1c_459.017 daß unsre neuern Moralphilosophieen, nachdem sie die Sinnlichkeit p1c_459.018 des Menschen erst niederschlugen, ihr hintennach p1c_459.019 sinnliche Belohnungen versprechen, die wir schon zu verachten p1c_459.020 lernten, und dieses Versprechen noch dazu nur als Postulate p1c_459.021 aufstellen? Was hilft es, daß Kant den Menschen p1c_459.022 ein Moralgesetz auferlegt, und ihnen nicht einmal nach seiner p1c_459.023 Theorie die Ueberzeugung im Bewußtseyn als möglich p1c_459.024 gestatten kann, daß sie moralisch gehandelt haben?p1c_459.025 Der Fehler unsrer Moralphilosophieen liegt darinnen, p1c_459.026 daß sie die Religion nicht kannten, daß sie die p1c_459.027 Quelle von Ueberzeugung nicht kannten, welche weder p1c_459.028 von Erkenntniß und sinnlicher Anschauung, noch von
p1c_459.001 veranlaßten Begeisterung überlassen, welche die gesetzliche p1c_459.002 Organisation des Ganzen auch in den mannichfaltigen p1c_459.003 Zeitbegebenheiten ahnen läßt. „Gott,“ sagt ein heiliger p1c_459.004 Schriftsteller, „hat die Welt geschaffen, und sie dem menschlichen p1c_459.005 Unverstande zur Beurtheilung übergeben.“ Tradidit p1c_459.006 mundum disputationi eorum. Aber ein andrer heiliger p1c_459.007 Schriftsteller sagt auch: „Suchet Gott und er wird p1c_459.008 sich finden lassen.“ Und nichts ist auch trostreicher, als p1c_459.009 die psychologische Wahrheit, die jede Erfahrung bestätigt, p1c_459.010 daß schon die Sehnsucht nach religiösem Glauben zu einer p1c_459.011 religiösen Ueberzeugung führt, welche sich nicht rauben läßt. p1c_459.012 Der Jmperativ des religiösen Gewissens kann in dem p1c_459.013 Augenblick des Handelns den Menschen bestimmen. Es begründet p1c_459.014 die ganze Sphäre unsres Wissens. Allein Gewissenp1c_459.015 sowohl als Wissen erhält uns in einem Zwange,p1c_459.016 der keine höhere Ansicht des Lebens zuläßt. Was hilft es, p1c_459.017 daß unsre neuern Moralphilosophieen, nachdem sie die Sinnlichkeit p1c_459.018 des Menschen erst niederschlugen, ihr hintennach p1c_459.019 sinnliche Belohnungen versprechen, die wir schon zu verachten p1c_459.020 lernten, und dieses Versprechen noch dazu nur als Postulate p1c_459.021 aufstellen? Was hilft es, daß Kant den Menschen p1c_459.022 ein Moralgesetz auferlegt, und ihnen nicht einmal nach seiner p1c_459.023 Theorie die Ueberzeugung im Bewußtseyn als möglich p1c_459.024 gestatten kann, daß sie moralisch gehandelt haben?p1c_459.025 Der Fehler unsrer Moralphilosophieen liegt darinnen, p1c_459.026 daß sie die Religion nicht kannten, daß sie die p1c_459.027 Quelle von Ueberzeugung nicht kannten, welche weder p1c_459.028 von Erkenntniß und sinnlicher Anschauung, noch von
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Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Erster Theil. Leipzig, 1804, S. 459. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik01_1804/517>, abgerufen am 24.11.2024.
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