p1c_465.001 wie alles Uebersinnliche, nicht blos für die Sinne, sondern für p1c_465.002 das Auge höherer Begeisterung offenbaren. Sie ist also p1c_465.003 poetisch und nicht blos eine physische Wahrnehmung, p1c_465.004 die von dem Verstande geordnet wird. Durch sie offenbartp1c_465.005 sich das gesetzliche Wesen als eine höhere Einheit, p1c_465.006 welche die Zeiten zusammen hält, wie sich dasselbe durch die p1c_465.007 Natur ahnen läßt. Nur allein Seelen können den zusammenhängenden p1c_465.008 Gang der Zeiten empfinden, also ist die Weltgeschichte p1c_465.009 eine Geschichte für die Seele; nicht für die p1c_465.010 physische Welt, sondern für die moralische. Menschliche p1c_465.011 Denkmähler und Urkunden können die Gedanken des Menschen p1c_465.012 überliefern, aber der Mensch muß sich in den Gedanken p1c_465.013 der Vorwelt erst selbst wiederfinden, wenn er die Denkmähler p1c_465.014 entziffern soll. Gott konnte auf Sinai donnern. p1c_465.015 Aber der Mensch mußte ihn verstehen. Der Glaube an eine p1c_465.016 religiöse Weltgeschichte ist also mehr denn ein blos physischer p1c_465.017 Realglaube an vergangene sinnliche Eindrücke, p1c_465.018 wozu ihn seine Verächter so gern herabwürdigen möchten, p1c_465.019 es ist ein mystischer Glaube, der durch eine höhere Begeisterung p1c_465.020 erweckt wird, in welcher sich die profanen Augen p1c_465.021 schließen, (muo oculos claudo) um das Unsichtbare anzuschauen p1c_465.022 und den Gang des Ewigen zu hören. Diejenigen p1c_465.023 Feinde der Religion, welche, als historische Skeptiker, p1c_465.024 über sie spotten, sind Witzlinge, welche die idealen Wahrheiten p1c_465.025 nicht verstehen. Sie sind als schlechte oder verschrobene p1c_465.026 Köpfe mehr zu bemitleiden, denn als schlechte Herzen p1c_465.027 zu verdammen. Sie haben nicht philosophische Einsicht genug, p1c_465.028 das Ganze zu übersehen, und nicht ästhetischen Sinn
p1c_465.001 wie alles Uebersinnliche, nicht blos für die Sinne, sondern für p1c_465.002 das Auge höherer Begeisterung offenbaren. Sie ist also p1c_465.003 poetisch und nicht blos eine physische Wahrnehmung, p1c_465.004 die von dem Verstande geordnet wird. Durch sie offenbartp1c_465.005 sich das gesetzliche Wesen als eine höhere Einheit, p1c_465.006 welche die Zeiten zusammen hält, wie sich dasselbe durch die p1c_465.007 Natur ahnen läßt. Nur allein Seelen können den zusammenhängenden p1c_465.008 Gang der Zeiten empfinden, also ist die Weltgeschichte p1c_465.009 eine Geschichte für die Seele; nicht für die p1c_465.010 physische Welt, sondern für die moralische. Menschliche p1c_465.011 Denkmähler und Urkunden können die Gedanken des Menschen p1c_465.012 überliefern, aber der Mensch muß sich in den Gedanken p1c_465.013 der Vorwelt erst selbst wiederfinden, wenn er die Denkmähler p1c_465.014 entziffern soll. Gott konnte auf Sinai donnern. p1c_465.015 Aber der Mensch mußte ihn verstehen. Der Glaube an eine p1c_465.016 religiöse Weltgeschichte ist also mehr denn ein blos physischer p1c_465.017 Realglaube an vergangene sinnliche Eindrücke, p1c_465.018 wozu ihn seine Verächter so gern herabwürdigen möchten, p1c_465.019 es ist ein mystischer Glaube, der durch eine höhere Begeisterung p1c_465.020 erweckt wird, in welcher sich die profanen Augen p1c_465.021 schließen, (μυω oculos claudo) um das Unsichtbare anzuschauen p1c_465.022 und den Gang des Ewigen zu hören. Diejenigen p1c_465.023 Feinde der Religion, welche, als historische Skeptiker, p1c_465.024 über sie spotten, sind Witzlinge, welche die idealen Wahrheiten p1c_465.025 nicht verstehen. Sie sind als schlechte oder verschrobene p1c_465.026 Köpfe mehr zu bemitleiden, denn als schlechte Herzen p1c_465.027 zu verdammen. Sie haben nicht philosophische Einsicht genug, p1c_465.028 das Ganze zu übersehen, und nicht ästhetischen Sinn
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Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Erster Theil. Leipzig, 1804, S. 465. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik01_1804/523>, abgerufen am 24.11.2024.
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