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Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Erster Theil. Leipzig, 1804.

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der menschlichen Kenntniß, die aus historischen Aggregaten p1c_020.002
besteht. Doch damit begnügt sich der Mensch nicht. Er p1c_020.003
will die gesammelten Vorstellungen nicht blos nach ihrer p1c_020.004
äußern Aehnlichkeit ordnen, sondern auch nach ihrem innern p1c_020.005
Wesen in einen nothwendigen Zusammenhang von Causalität p1c_020.006
bringen, theils um die wirksame Kraft der Erscheinungen p1c_020.007
zu verstehen, theils um selbst ähnliche Erscheinungen p1c_020.008
hervorbringen zu können. Nun ist er sich innerlich gewisser p1c_020.009
nothwendiger Construktionen von Anschauungen und Kraftbegriffen p1c_020.010
bewußt, die rein dargestellt, einen Zusammenhang p1c_020.011
haben, und sich wechselseitig bestimmen. Diese nothwendigen p1c_020.012
Construktionen paßt er, so gut es gehen will, an p1c_020.013
die zufälligen Naturerscheinungen an, und versucht, ob p1c_020.014
daraus eine entsprechende Einheit hervorgebracht werden p1c_020.015
könne. Es wird eine Hypothese, als Grundsatz gesetzt, p1c_020.016
ein Hauptbegriff, eine Hauptanschauung construirt, und p1c_020.017
daraus die Erscheinungen hergeleitet. Lassen sich nun auf p1c_020.018
diese Art alle ähnlichen Erscheinungen einer Art befriedigend p1c_020.019
erklären, so daß keine der vorausgesetzten Einheit widerspricht, p1c_020.020
so bestätigt sich die Hypothese durch die Erfahrung. p1c_020.021
Eine Zusammenstellung solcher zusammenhängenden Sätze p1c_020.022
mit Belegen aus der Erfahrung verbunden, heißt eine p1c_020.023
Theorie, eine vernünftige Beschauung. Dahin gehören p1c_020.024
die mechanischen, astronomischen, physischen, chemischen, p1c_020.025
psychologischen Theorieen, mit einem Worte, alle p1c_020.026
Versuche, die Erscheinungen in Raum und Zeit, in der p1c_020.027
äußern und innern Natur zu erklären. Jn so fern diese p1c_020.028
Theorieen es dem Menschen oft möglich machen, noch nicht

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der menschlichen Kenntniß, die aus historischen Aggregaten p1c_020.002
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will die gesammelten Vorstellungen nicht blos nach ihrer p1c_020.004
äußern Aehnlichkeit ordnen, sondern auch nach ihrem innern p1c_020.005
Wesen in einen nothwendigen Zusammenhang von Causalität p1c_020.006
bringen, theils um die wirksame Kraft der Erscheinungen p1c_020.007
zu verstehen, theils um selbst ähnliche Erscheinungen p1c_020.008
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bewußt, die rein dargestellt, einen Zusammenhang p1c_020.011
haben, und sich wechselseitig bestimmen. Diese nothwendigen p1c_020.012
Construktionen paßt er, so gut es gehen will, an p1c_020.013
die zufälligen Naturerscheinungen an, und versucht, ob p1c_020.014
daraus eine entsprechende Einheit hervorgebracht werden p1c_020.015
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ein Hauptbegriff, eine Hauptanschauung construirt, und p1c_020.017
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so bestätigt sich die Hypothese durch die Erfahrung. p1c_020.021
Eine Zusammenstellung solcher zusammenhängenden Sätze p1c_020.022
mit Belegen aus der Erfahrung verbunden, heißt eine p1c_020.023
Theorie, eine vernünftige Beschauung. Dahin gehören p1c_020.024
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[20/0078] p1c_020.001 der menschlichen Kenntniß, die aus historischen Aggregaten p1c_020.002 besteht. Doch damit begnügt sich der Mensch nicht. Er p1c_020.003 will die gesammelten Vorstellungen nicht blos nach ihrer p1c_020.004 äußern Aehnlichkeit ordnen, sondern auch nach ihrem innern p1c_020.005 Wesen in einen nothwendigen Zusammenhang von Causalität p1c_020.006 bringen, theils um die wirksame Kraft der Erscheinungen p1c_020.007 zu verstehen, theils um selbst ähnliche Erscheinungen p1c_020.008 hervorbringen zu können. Nun ist er sich innerlich gewisser p1c_020.009 nothwendiger Construktionen von Anschauungen und Kraftbegriffen p1c_020.010 bewußt, die rein dargestellt, einen Zusammenhang p1c_020.011 haben, und sich wechselseitig bestimmen. Diese nothwendigen p1c_020.012 Construktionen paßt er, so gut es gehen will, an p1c_020.013 die zufälligen Naturerscheinungen an, und versucht, ob p1c_020.014 daraus eine entsprechende Einheit hervorgebracht werden p1c_020.015 könne. Es wird eine Hypothese, als Grundsatz gesetzt, p1c_020.016 ein Hauptbegriff, eine Hauptanschauung construirt, und p1c_020.017 daraus die Erscheinungen hergeleitet. Lassen sich nun auf p1c_020.018 diese Art alle ähnlichen Erscheinungen einer Art befriedigend p1c_020.019 erklären, so daß keine der vorausgesetzten Einheit widerspricht, p1c_020.020 so bestätigt sich die Hypothese durch die Erfahrung. p1c_020.021 Eine Zusammenstellung solcher zusammenhängenden Sätze p1c_020.022 mit Belegen aus der Erfahrung verbunden, heißt eine p1c_020.023 Theorie, eine vernünftige Beschauung. Dahin gehören p1c_020.024 die mechanischen, astronomischen, physischen, chemischen, p1c_020.025 psychologischen Theorieen, mit einem Worte, alle p1c_020.026 Versuche, die Erscheinungen in Raum und Zeit, in der p1c_020.027 äußern und innern Natur zu erklären. Jn so fern diese p1c_020.028 Theorieen es dem Menschen oft möglich machen, noch nicht

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Zitationshilfe: Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Erster Theil. Leipzig, 1804, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik01_1804/78>, abgerufen am 10.05.2024.