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Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Erster Theil. Leipzig, 1804.

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mehreren Karrikaturen auch zu einer Poetik a priori verdammt p1c_IV.002
zu seyn. Die Ursache liegt am Tage.

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Wer einmal angefangen hat zu philosophiren, das gesteht p1c_IV.004
selbst Cicero, kann nicht rückwärts, nicht stehn bleiben p1c_IV.005
auf halben Wege. Einmal hat sich der unselige Dämon der p1c_IV.006
Gründlichkeit unserer bemächtigt. Nachdem wir uns so p1c_IV.007
viele Jahre hindurch mit allumfassenden philosophischen Lehrgebänden p1c_IV.008
und einzig möglichen Standpunkten geplagt haben, p1c_IV.009
sollen wir die ganze lange Zeit unsers mühseligen Nachforschens p1c_IV.010
für verlohren erklären, sollen wir der trägen Oberflächlichkeit p1c_IV.011
den Triumph zugestehn, daß bey allen diesen p1c_IV.012
Anstrengungen die Seele vor wie nach eine tabula rasa geblieben p1c_IV.013
sey, ein glatter Spiegel allenfalls für die gelehrte p1c_IV.014
Eitelkeit, sich davor herauszuputzen?

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Wir sind es müde, wie die Gespennster der verblichnen p1c_IV.016
Schulen wohl noch unter der Hand fortfahren, das Korn p1c_IV.017
des ewigen Lebens aus abgedroschenen Terminologieen herauszusuchen, p1c_IV.018
die täglich leerer und eintöniger werden. Wir p1c_IV.019
haben eingesehn, daß Erdensöhne dem Himmelreich nicht p1c_IV.020
Gewalt anthun, und das System der idealen Wahrheit auf p1c_IV.021
einmal zu Stande bringen können. Nur aus dem Kopfe p1c_IV.022
des Zevs sprang die völlig gerüstete Minerva. Aber müssen p1c_IV.023
wir deswegen schon an der Existenz der gesammten Philosophie

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mehreren Karrikaturen auch zu einer Poetik a priori verdammt p1c_IV.002
zu seyn. Die Ursache liegt am Tage.

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Wer einmal angefangen hat zu philosophiren, das gesteht p1c_IV.004
selbst Cicero, kann nicht rückwärts, nicht stehn bleiben p1c_IV.005
auf halben Wege. Einmal hat sich der unselige Dämon der p1c_IV.006
Gründlichkeit unserer bemächtigt. Nachdem wir uns so p1c_IV.007
viele Jahre hindurch mit allumfassenden philosophischen Lehrgebänden p1c_IV.008
und einzig möglichen Standpunkten geplagt haben, p1c_IV.009
sollen wir die ganze lange Zeit unsers mühseligen Nachforschens p1c_IV.010
für verlohren erklären, sollen wir der trägen Oberflächlichkeit p1c_IV.011
den Triumph zugestehn, daß bey allen diesen p1c_IV.012
Anstrengungen die Seele vor wie nach eine tabula rasa geblieben p1c_IV.013
sey, ein glatter Spiegel allenfalls für die gelehrte p1c_IV.014
Eitelkeit, sich davor herauszuputzen?

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Wir sind es müde, wie die Gespennster der verblichnen p1c_IV.016
Schulen wohl noch unter der Hand fortfahren, das Korn p1c_IV.017
des ewigen Lebens aus abgedroschenen Terminologieen herauszusuchen, p1c_IV.018
die täglich leerer und eintöniger werden. Wir p1c_IV.019
haben eingesehn, daß Erdensöhne dem Himmelreich nicht p1c_IV.020
Gewalt anthun, und das System der idealen Wahrheit auf p1c_IV.021
einmal zu Stande bringen können. Nur aus dem Kopfe p1c_IV.022
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Zitationshilfe: Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Erster Theil. Leipzig, 1804, S. RIV. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik01_1804/8>, abgerufen am 27.04.2024.