Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Zweiter Theil. Leipzig, 1804.p2c_576.001 p2c_576.001 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0100" n="576"/><lb n="p2c_576.001"/> widerspräche. Hierdurch wird auch den scherzhaften <lb n="p2c_576.002"/> Liedern eine Schranke gesetzt, daß sie nicht des Charakters <lb n="p2c_576.003"/> der Humanität unwürdig werden. 2) Der <hi rendition="#g">Gedankeninhalt</hi> <lb n="p2c_576.004"/> des Liedes ist durch kein äußeres Objekt bestimmt, <lb n="p2c_576.005"/> welches geschildert werden soll, sondern zufällig. Doch <lb n="p2c_576.006"/> kann eine Veranlassung zum Rundgesange da seyn, dies <lb n="p2c_576.007"/> muß Anfangs angegeben werden, und giebt dem Gedicht <lb n="p2c_576.008"/> seine gewisse Einheit. Um den Plan des Liedes faßlicher zu <lb n="p2c_576.009"/> machen, und die Hauptidee herauszuheben, scheinen die <lb n="p2c_576.010"/> Refrains erfunden zu seyn. Die Uebergänge und Jdeenassociationen <lb n="p2c_576.011"/> müssen leicht seyn. Die Empfindungen der <lb n="p2c_576.012"/> Freude, der Traurigkeit, der gesellige Genuß sind der gewöhnliche <lb n="p2c_576.013"/> Stoff der Liederdichter. 3) Der Styl muß natürlich, <lb n="p2c_576.014"/> einfach seyn. Denn nicht der Dichter selbst spricht, <lb n="p2c_576.015"/> sondern es ist ein Gesang für mehrere Menschen in einer <lb n="p2c_576.016"/> gemäßigten Gemüthsstimmung. 4) Das Metrum muß <lb n="p2c_576.017"/> so eingerichtet werden, daß es auf eine leichte faßliche Melodie <lb n="p2c_576.018"/> gesungen werden kann. Daher verlangt keine Dichtungsart <lb n="p2c_576.019"/> mehr Gleichmäßigkeit, fließendern Wohlklang als das Lied. <lb n="p2c_576.020"/> ─ Eine sehr große Mannichfaltigkeit und Lebhaftigkeit der <lb n="p2c_576.021"/> Füße, wie sie bey der Ode statt findet ist für das Lied <lb n="p2c_576.022"/> nicht passend. ─ Trochäische, jambische, kurze Verse <lb n="p2c_576.023"/> sind am besten. Die Verse müssen in Strophen seyn, <lb n="p2c_576.024"/> deren jede die Melodie einmal darstellt. Daher muß der <lb n="p2c_576.025"/> Sinn bey jeder Strophe enden. Noch leichter wirds für <lb n="p2c_576.026"/> den Gesang, wenn jede Strophe aus zwey Perioden besieht, <lb n="p2c_576.027"/> wenn dieselben Einschnitte allemal wiederkehren. <lb n="p2c_576.028"/> 5) Das <hi rendition="#g">Lied</hi> kommt bey den verschiedenen Nazionen unter </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [576/0100]
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widerspräche. Hierdurch wird auch den scherzhaften p2c_576.002
Liedern eine Schranke gesetzt, daß sie nicht des Charakters p2c_576.003
der Humanität unwürdig werden. 2) Der Gedankeninhalt p2c_576.004
des Liedes ist durch kein äußeres Objekt bestimmt, p2c_576.005
welches geschildert werden soll, sondern zufällig. Doch p2c_576.006
kann eine Veranlassung zum Rundgesange da seyn, dies p2c_576.007
muß Anfangs angegeben werden, und giebt dem Gedicht p2c_576.008
seine gewisse Einheit. Um den Plan des Liedes faßlicher zu p2c_576.009
machen, und die Hauptidee herauszuheben, scheinen die p2c_576.010
Refrains erfunden zu seyn. Die Uebergänge und Jdeenassociationen p2c_576.011
müssen leicht seyn. Die Empfindungen der p2c_576.012
Freude, der Traurigkeit, der gesellige Genuß sind der gewöhnliche p2c_576.013
Stoff der Liederdichter. 3) Der Styl muß natürlich, p2c_576.014
einfach seyn. Denn nicht der Dichter selbst spricht, p2c_576.015
sondern es ist ein Gesang für mehrere Menschen in einer p2c_576.016
gemäßigten Gemüthsstimmung. 4) Das Metrum muß p2c_576.017
so eingerichtet werden, daß es auf eine leichte faßliche Melodie p2c_576.018
gesungen werden kann. Daher verlangt keine Dichtungsart p2c_576.019
mehr Gleichmäßigkeit, fließendern Wohlklang als das Lied. p2c_576.020
─ Eine sehr große Mannichfaltigkeit und Lebhaftigkeit der p2c_576.021
Füße, wie sie bey der Ode statt findet ist für das Lied p2c_576.022
nicht passend. ─ Trochäische, jambische, kurze Verse p2c_576.023
sind am besten. Die Verse müssen in Strophen seyn, p2c_576.024
deren jede die Melodie einmal darstellt. Daher muß der p2c_576.025
Sinn bey jeder Strophe enden. Noch leichter wirds für p2c_576.026
den Gesang, wenn jede Strophe aus zwey Perioden besieht, p2c_576.027
wenn dieselben Einschnitte allemal wiederkehren. p2c_576.028
5) Das Lied kommt bey den verschiedenen Nazionen unter
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