Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Zweiter Theil. Leipzig, 1804.p2c_577.001 p2c_577.001 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0101" n="577"/><lb n="p2c_577.001"/> mancherley Benennungen vor, die von seinen besondern <lb n="p2c_577.002"/> Veranlassungen hergenommen sind. Die Scolien der Alten <lb n="p2c_577.003"/> waren mehr Oden. Doch mögen auch einige Lieder gewesen <lb n="p2c_577.004"/> seyn. Einige Anacreontische Oden nähern sich mehr unsern <lb n="p2c_577.005"/> Liedern. Manche Epipompeutica, die Hymenäi der Alten <lb n="p2c_577.006"/> stehn auf der Gränze zwischen der Hymne und dem Liede. <lb n="p2c_577.007"/> Die Gelegenheit ist festlich, aber ihr Styl, wie wir aus <lb n="p2c_577.008"/> dem Catull und Claudian sehn, mehr scherzhaft und froh, <lb n="p2c_577.009"/> als feyerlich. Es gab Hymenäen welche ernsthafter waren, <lb n="p2c_577.010"/> bey andern wurde die <hi rendition="#aq">fescennina locutio</hi> (Zweydeutigkeiten) <lb n="p2c_577.011"/> u. s. w. mit eingemischt. Die Refrains <hi rendition="#aq">Io Hymen, Hymenaei, <lb n="p2c_577.012"/> Talassio</hi> und andere Acclamationen die dabey <lb n="p2c_577.013"/> waren, sind bekannt. ─ Jn der alten französischen Provenzalpoesie <lb n="p2c_577.014"/> hieß das Lied <hi rendition="#aq">Lais. Soulas</hi> bedeutete insbesondere <lb n="p2c_577.015"/> das lustige Lied. Die Syrventez, wenn man dem <lb n="p2c_577.016"/> Nostradamus trauen darf, mögen satyrische Lieder gewesen <lb n="p2c_577.017"/> seyn. Die Tensonen, oder Partiencen waren Streitfragen <lb n="p2c_577.018"/> über die Liebe, wie sie an den Liebeshöfen abgehandelt wurden, <lb n="p2c_577.019"/> also dramatisirte Lieder. Das eine Catullische Epithalamium, <lb n="p2c_577.020"/> der Wettgesang zwischen den Jünglingen und <lb n="p2c_577.021"/> Mädchen hat vielleicht eine entfernte Aehnlichkeit mit den <lb n="p2c_577.022"/> altfranzösischen Tensonen. ─ Bey den Jtalienern, wie <lb n="p2c_577.023"/> wir schon gesehn haben, hießen die Oden Canzonen. Es <lb n="p2c_577.024"/> gab eine Canzone Pindarica u. s. w. Die Sylbenmaaße <lb n="p2c_577.025"/> waren hier anfangs freyer und keinesweges in Liederform. <lb n="p2c_577.026"/> Doch die Canzone Anacrontica gehört mehr hierher. Oft <lb n="p2c_577.027"/> findet man in der Geschichte der neuern Poesie auch die <lb n="p2c_577.028"/> <hi rendition="#g">Lieder</hi> benannt nach dem Styl, in welchem sie gedichtet </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [577/0101]
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mancherley Benennungen vor, die von seinen besondern p2c_577.002
Veranlassungen hergenommen sind. Die Scolien der Alten p2c_577.003
waren mehr Oden. Doch mögen auch einige Lieder gewesen p2c_577.004
seyn. Einige Anacreontische Oden nähern sich mehr unsern p2c_577.005
Liedern. Manche Epipompeutica, die Hymenäi der Alten p2c_577.006
stehn auf der Gränze zwischen der Hymne und dem Liede. p2c_577.007
Die Gelegenheit ist festlich, aber ihr Styl, wie wir aus p2c_577.008
dem Catull und Claudian sehn, mehr scherzhaft und froh, p2c_577.009
als feyerlich. Es gab Hymenäen welche ernsthafter waren, p2c_577.010
bey andern wurde die fescennina locutio (Zweydeutigkeiten) p2c_577.011
u. s. w. mit eingemischt. Die Refrains Io Hymen, Hymenaei, p2c_577.012
Talassio und andere Acclamationen die dabey p2c_577.013
waren, sind bekannt. ─ Jn der alten französischen Provenzalpoesie p2c_577.014
hieß das Lied Lais. Soulas bedeutete insbesondere p2c_577.015
das lustige Lied. Die Syrventez, wenn man dem p2c_577.016
Nostradamus trauen darf, mögen satyrische Lieder gewesen p2c_577.017
seyn. Die Tensonen, oder Partiencen waren Streitfragen p2c_577.018
über die Liebe, wie sie an den Liebeshöfen abgehandelt wurden, p2c_577.019
also dramatisirte Lieder. Das eine Catullische Epithalamium, p2c_577.020
der Wettgesang zwischen den Jünglingen und p2c_577.021
Mädchen hat vielleicht eine entfernte Aehnlichkeit mit den p2c_577.022
altfranzösischen Tensonen. ─ Bey den Jtalienern, wie p2c_577.023
wir schon gesehn haben, hießen die Oden Canzonen. Es p2c_577.024
gab eine Canzone Pindarica u. s. w. Die Sylbenmaaße p2c_577.025
waren hier anfangs freyer und keinesweges in Liederform. p2c_577.026
Doch die Canzone Anacrontica gehört mehr hierher. Oft p2c_577.027
findet man in der Geschichte der neuern Poesie auch die p2c_577.028
Lieder benannt nach dem Styl, in welchem sie gedichtet
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