p2c_583.001 die ewigen Wiederholungen und Ausdehnungen der Worte, p2c_583.002 die Vernachlässigung der Recitative, die Ungleichheit in der p2c_583.003 Melodie, die musikalische Mahlerey in Nebendingen, die p2c_583.004 Manieren, Kadenzen, der Lärm der Jnstrumente, welche p2c_583.005 den Gesang unverständlich und unwichtig machen. Noch p2c_583.006 jetzt dauert in den Kantaten, wie in den Opern, diese Despotie p2c_583.007 der Musik fort, und wird nicht eher aufhören, bis p2c_583.008 große Dichter und große Musiker zusammen arbeiten und p2c_583.009 sich wechselseitig beschränken, damit ein höheres Ziel der p2c_583.010 Kunst erreicht werde. Freylich müßte da die Musik von p2c_583.011 ihrem glänzenden Reichthum an übertäubenden Tönen etwas p2c_583.012 nachlassen. Auch nehmen sich einzelne Kantaten, wie p2c_583.013 z. B. Haydns Ariadne, nur für das Fortepiano, sehr gut aus. p2c_583.014 Die Poesie würde gewiß durch diese vereinigten nicht isolirten p2c_583.015 Arbeiten an Neuheit und Wärme und Metrum gewinnen. p2c_583.016 Wie wenig gute Kantaten haben wir, wenn man einige von p2c_583.017 Metastasio, Rousseau, Ramler, Meißner ausnimmt. p2c_583.018 Die Musiker scheinen selbst die guten Texte zur Composition p2c_583.019 zu fliehn, weil sie ihnen zu viele Schranken setzen. - p2c_583.020 Das musikalische Gedicht kann sich zweytens auch deswegen p2c_583.021 noch nicht vervollkommnen, weil man noch in der Meinung p2c_583.022 steht, es müsse für sich ohne Musik bestehen, p2c_583.023 und beurtheilt werden. Dies beschränkt die Freyheit der p2c_583.024 Dichter, und macht, daß sie sich nicht so an die Musik anschmiegen p2c_583.025 können, wie es seyn müßte. Ein eigentlich musikalischesp2c_583.026 Gedicht muß aus ganz kurzen und langen p2c_583.027 Versen und Reimen bestehn können, muß aussehn dürfen, p2c_583.028 wie kein andres das für sich zu beurtheilen wäre. Die ma=
p2c_583.001 die ewigen Wiederholungen und Ausdehnungen der Worte, p2c_583.002 die Vernachlässigung der Recitative, die Ungleichheit in der p2c_583.003 Melodie, die musikalische Mahlerey in Nebendingen, die p2c_583.004 Manieren, Kadenzen, der Lärm der Jnstrumente, welche p2c_583.005 den Gesang unverständlich und unwichtig machen. Noch p2c_583.006 jetzt dauert in den Kantaten, wie in den Opern, diese Despotie p2c_583.007 der Musik fort, und wird nicht eher aufhören, bis p2c_583.008 große Dichter und große Musiker zusammen arbeiten und p2c_583.009 sich wechselseitig beschränken, damit ein höheres Ziel der p2c_583.010 Kunst erreicht werde. Freylich müßte da die Musik von p2c_583.011 ihrem glänzenden Reichthum an übertäubenden Tönen etwas p2c_583.012 nachlassen. Auch nehmen sich einzelne Kantaten, wie p2c_583.013 z. B. Haydns Ariadne, nur für das Fortepiano, sehr gut aus. p2c_583.014 Die Poesie würde gewiß durch diese vereinigten nicht isolirten p2c_583.015 Arbeiten an Neuheit und Wärme und Metrum gewinnen. p2c_583.016 Wie wenig gute Kantaten haben wir, wenn man einige von p2c_583.017 Metastasio, Rousseau, Ramler, Meißner ausnimmt. p2c_583.018 Die Musiker scheinen selbst die guten Texte zur Composition p2c_583.019 zu fliehn, weil sie ihnen zu viele Schranken setzen. ─ p2c_583.020 Das musikalische Gedicht kann sich zweytens auch deswegen p2c_583.021 noch nicht vervollkommnen, weil man noch in der Meinung p2c_583.022 steht, es müsse für sich ohne Musik bestehen, p2c_583.023 und beurtheilt werden. Dies beschränkt die Freyheit der p2c_583.024 Dichter, und macht, daß sie sich nicht so an die Musik anschmiegen p2c_583.025 können, wie es seyn müßte. Ein eigentlich musikalischesp2c_583.026 Gedicht muß aus ganz kurzen und langen p2c_583.027 Versen und Reimen bestehn können, muß aussehn dürfen, p2c_583.028 wie kein andres das für sich zu beurtheilen wäre. Die ma=
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Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Zweiter Theil. Leipzig, 1804, S. 583. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik02_1804/107>, abgerufen am 16.07.2024.
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