Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Zweiter Theil. Leipzig, 1804. p2c_491.001 p2c_491.002 p2c_491.009 p2c_491.019 p2c_491.001 p2c_491.002 p2c_491.009 p2c_491.019 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0015" n="491"/> <p> <hi rendition="#c"><lb n="p2c_491.001"/> §. 3.</hi> </p> <p><lb n="p2c_491.002"/> Da das <hi rendition="#g">religiöse Gewissen</hi> die höchste <lb n="p2c_491.003"/> Quelle alles menschlichen Wissens ist, der Mensch aber <lb n="p2c_491.004"/> nichts <hi rendition="#g">glauben</hi> kann noch darf, was seinem <hi rendition="#g">höhern</hi> <lb n="p2c_491.005"/> Wissen widerspricht, so dürfen <hi rendition="#g">erstlich</hi> diese <lb n="p2c_491.006"/> <hi rendition="#g">Urkunden</hi> des <hi rendition="#g">religiösen Glaubens</hi> dem <hi rendition="#g">religiösen <lb n="p2c_491.007"/> Gewissen</hi> nicht widersprechen, sondern <lb n="p2c_491.008"/> müssen dasselbe bekräftigen.</p> <p><lb n="p2c_491.009"/><hi rendition="#g">Anmerk.</hi> 1. Etwas anders ist zu sagen von dem <lb n="p2c_491.010"/> <hi rendition="#g">niedern</hi> mehr <hi rendition="#g">sogenannten Wissen</hi> der gewöhnlichen <lb n="p2c_491.011"/> nach physischen und Verstandesgesetzen geordneten Erfahrung. <lb n="p2c_491.012"/> Dieses historische <hi rendition="#g">Wissen</hi> beruht ohnedieß nur auf <lb n="p2c_491.013"/> Hypothesen, ist und bleibt ewig Stückwerk, und kann nur <lb n="p2c_491.014"/> von falschem Witze und menschlicher Aufgeblasenheit einer <lb n="p2c_491.015"/> Offenbarung entgegengesetzt werden. Letztere muß sogar <lb n="p2c_491.016"/> ihrer Natur nach dem beschränkten Verstande unwahrscheinlich <lb n="p2c_491.017"/> seyn, weil sie Gegenstände darstellt, welche nicht für <lb n="p2c_491.018"/> sein Forum gehören.</p> <p><lb n="p2c_491.019"/><hi rendition="#g">Anmerk.</hi> 2. Der <hi rendition="#g">religiöse</hi> Glaube ist zwar, wie <lb n="p2c_491.020"/> wir oben bewiesen haben, seiner Natur nach <hi rendition="#g">ästhetisch.</hi> <lb n="p2c_491.021"/> Er unterscheidet sich aber eben dadurch von den profanen <lb n="p2c_491.022"/> ästhetischen Empfindungen, daß er ein <hi rendition="#g">praktisches</hi> Jnteresse <lb n="p2c_491.023"/> hat, und das <hi rendition="#g">Gewissen</hi> bekräftigen soll. Das <lb n="p2c_491.024"/> höhere Leben der Tugend muß sich selbst erscheinen, muß an <lb n="p2c_491.025"/> sich selbst glauben. Da es sich auf eine für den Verstand </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [491/0015]
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§. 3.
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Da das religiöse Gewissen die höchste p2c_491.003
Quelle alles menschlichen Wissens ist, der Mensch aber p2c_491.004
nichts glauben kann noch darf, was seinem höhern p2c_491.005
Wissen widerspricht, so dürfen erstlich diese p2c_491.006
Urkunden des religiösen Glaubens dem religiösen p2c_491.007
Gewissen nicht widersprechen, sondern p2c_491.008
müssen dasselbe bekräftigen.
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Anmerk. 1. Etwas anders ist zu sagen von dem p2c_491.010
niedern mehr sogenannten Wissen der gewöhnlichen p2c_491.011
nach physischen und Verstandesgesetzen geordneten Erfahrung. p2c_491.012
Dieses historische Wissen beruht ohnedieß nur auf p2c_491.013
Hypothesen, ist und bleibt ewig Stückwerk, und kann nur p2c_491.014
von falschem Witze und menschlicher Aufgeblasenheit einer p2c_491.015
Offenbarung entgegengesetzt werden. Letztere muß sogar p2c_491.016
ihrer Natur nach dem beschränkten Verstande unwahrscheinlich p2c_491.017
seyn, weil sie Gegenstände darstellt, welche nicht für p2c_491.018
sein Forum gehören.
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Anmerk. 2. Der religiöse Glaube ist zwar, wie p2c_491.020
wir oben bewiesen haben, seiner Natur nach ästhetisch. p2c_491.021
Er unterscheidet sich aber eben dadurch von den profanen p2c_491.022
ästhetischen Empfindungen, daß er ein praktisches Jnteresse p2c_491.023
hat, und das Gewissen bekräftigen soll. Das p2c_491.024
höhere Leben der Tugend muß sich selbst erscheinen, muß an p2c_491.025
sich selbst glauben. Da es sich auf eine für den Verstand
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