p2c_643.001 haben doch die etwas lyrische Rede für das Trauerspiel p2c_643.002 beybehalten. - Die figurirte Sprache, welche bey p2c_643.003 dem Heldengedicht nicht statt hat, findet sich im Trauerspiel, p2c_643.004 besonders die heftigen, starken, leidenschaftlichen Figuren. p2c_643.005 Antithesen, Metaphern, Aufhäufungen, zuweilen p2c_643.006 Sentenzen, nur muß keine übertrieben werden. Die Sentenzp2c_643.007 paßt für das Trauerspiel, weil die Personen der erhabenen p2c_643.008 Handlung selbst im Momente der Leidenschaft p2c_643.009 des Schreckens einen gewissen Blick auf das Ganze und p2c_643.010 Allgemeine behalten müssen. So macht die Sophocleischep2c_643.011 Sentenz immer Eindruck, z. B. Antigone 523. p2c_643.012 Oedip. Colon. 607. - - Allein Euripides liebt schon p2c_643.013 mehr die philosophische Sentenz, wie sie bey Streitigkeiten p2c_643.014 in der sokratischen Schule statt hatte. Diese ist bey p2c_643.015 der Handlung unnatürlich. Die Franzosen pflegen auch zu p2c_643.016 viel allgemeine Maximen aufs Theater zu bringen, damit p2c_643.017 der Zuhörer etwas zu merken habe. Die Antithese paßt p2c_643.018 wo Kampf und Streit ist, weil sie einen Contrast gut darstellt. p2c_643.019 So braucht sie Sophocles, z. B. Antigone vs. 88. p2c_643.020 Bey den französischen Tragikern ist sie aber oft müßiges p2c_643.021 Verstandesspiel. Die Metapher, die vergleichende Zusammenstellung p2c_643.022 ist in Scenen, die Gehalt haben, dem Tragiker p2c_643.023 ganz natürlich. Denn der leidenschaftliche Mensch p2c_643.024 gebraucht die ganze ihn umgebende Natur als Sinnbild p2c_643.025 seiner Gemüthsstimmung, z. B. Othello, der das Leben p2c_643.026 der Desdemona mit dem Lichte in Vergleichung bringt, das p2c_643.027 er in der Hand hat. Wenn Lady Makbeth sagt: scheine die p2c_643.028 Blume, und sey wie die Schlange darunter. So kann das
p2c_643.001 haben doch die etwas lyrische Rede für das Trauerspiel p2c_643.002 beybehalten. ─ Die figurirte Sprache, welche bey p2c_643.003 dem Heldengedicht nicht statt hat, findet sich im Trauerspiel, p2c_643.004 besonders die heftigen, starken, leidenschaftlichen Figuren. p2c_643.005 Antithesen, Metaphern, Aufhäufungen, zuweilen p2c_643.006 Sentenzen, nur muß keine übertrieben werden. Die Sentenzp2c_643.007 paßt für das Trauerspiel, weil die Personen der erhabenen p2c_643.008 Handlung selbst im Momente der Leidenschaft p2c_643.009 des Schreckens einen gewissen Blick auf das Ganze und p2c_643.010 Allgemeine behalten müssen. So macht die Sophocleischep2c_643.011 Sentenz immer Eindruck, z. B. Antigone 523. p2c_643.012 Oedip. Colon. 607. ─ ─ Allein Euripides liebt schon p2c_643.013 mehr die philosophische Sentenz, wie sie bey Streitigkeiten p2c_643.014 in der sokratischen Schule statt hatte. Diese ist bey p2c_643.015 der Handlung unnatürlich. Die Franzosen pflegen auch zu p2c_643.016 viel allgemeine Maximen aufs Theater zu bringen, damit p2c_643.017 der Zuhörer etwas zu merken habe. Die Antithese paßt p2c_643.018 wo Kampf und Streit ist, weil sie einen Contrast gut darstellt. p2c_643.019 So braucht sie Sophocles, z. B. Antigone vs. 88. p2c_643.020 Bey den französischen Tragikern ist sie aber oft müßiges p2c_643.021 Verstandesspiel. Die Metapher, die vergleichende Zusammenstellung p2c_643.022 ist in Scenen, die Gehalt haben, dem Tragiker p2c_643.023 ganz natürlich. Denn der leidenschaftliche Mensch p2c_643.024 gebraucht die ganze ihn umgebende Natur als Sinnbild p2c_643.025 seiner Gemüthsstimmung, z. B. Othello, der das Leben p2c_643.026 der Desdemona mit dem Lichte in Vergleichung bringt, das p2c_643.027 er in der Hand hat. Wenn Lady Makbeth sagt: scheine die p2c_643.028 Blume, und sey wie die Schlange darunter. So kann das
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Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Zweiter Theil. Leipzig, 1804, S. 643. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik02_1804/167>, abgerufen am 16.02.2025.
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