Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Zweiter Theil. Leipzig, 1804.p2c_653.001 p2c_653.001 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0177" n="653"/><lb n="p2c_653.001"/><hi rendition="#g">Sentimentale.</hi> ─ Denn was sich der <hi rendition="#g">Konvenienz</hi> <lb n="p2c_653.002"/> und den Sitten der Menschen entgegensetzt, hat den Charakter <lb n="p2c_653.003"/> des Abentheuerlichen, und wird in der Gesellschaft <lb n="p2c_653.004"/> unglücklich. ─ Der Styl muß natürlich seyn, eine leichte <lb n="p2c_653.005"/> Erzählung in ungebundener Rede, Briefform u. s. w. Doch <lb n="p2c_653.006"/> giebt es auch <hi rendition="#g">komische</hi> Romane, welche sich von der <lb n="p2c_653.007"/> komischen versifizirten Erzählung nur durch Mangel des <lb n="p2c_653.008"/> Metrums unterscheiden, und dadurch daß ihre Gegenstände <lb n="p2c_653.009"/> minder <hi rendition="#g">idealisch</hi> gehalten sind. Die <hi rendition="#g">komische</hi> Erzählung <lb n="p2c_653.010"/> in Versen hat oft <hi rendition="#g">idealere</hi> Gestalten, z. B. Wielands <lb n="p2c_653.011"/> griechische Erzählungen ─ aus der Götterwelt. Der <lb n="p2c_653.012"/> <hi rendition="#g">komische</hi> Roman dagegen nimmt die Karrikaturen der gemeinen <lb n="p2c_653.013"/> bürgerlichen Welt, und stellt das <hi rendition="#g">Lächerliche</hi> davon <lb n="p2c_653.014"/> dar, z. B. Peregrine Pikle. Zuweilen nimmt aber <lb n="p2c_653.015"/> auch der <hi rendition="#g">komische</hi> Roman Gestalten aus einer wunderbaren <lb n="p2c_653.016"/> Welt, z. B. die Werke von Rabelais, Swift, Voltaires <lb n="p2c_653.017"/> Micromegas. Zwischen den <hi rendition="#g">sentimentalen</hi> und <lb n="p2c_653.018"/> dem satyrisch <hi rendition="#g">komischen</hi> Romane steht eine Gattung in <lb n="p2c_653.019"/> der Mitte, der <hi rendition="#g">humoristische</hi> Roman, im Geist von <lb n="p2c_653.020"/> Sterne und Jean Paul. Er hat freylich weniger <hi rendition="#g">ästhetische</hi> <lb n="p2c_653.021"/> Einheit, als seine beyden Pole zwischen denen er <lb n="p2c_653.022"/> schwankt, er greift aber tiefer in den Geist des Lebens ein. <lb n="p2c_653.023"/> Denn das Spiel des Schicksals ist Laune, bald Ernst bald <lb n="p2c_653.024"/> Scherz ─ und so eine <hi rendition="#g">Laune</hi> ist der <hi rendition="#g">ästhetische</hi> Jnnhalt <lb n="p2c_653.025"/> des humoristischen Romans. Nur darf er nicht die <lb n="p2c_653.026"/> Phantasie durch zu bunte Arabesken ermüden. Die Engländer <lb n="p2c_653.027"/> sind hierinnen nüchterner als die Deutschen. <hi rendition="#g">Cervantes <lb n="p2c_653.028"/> Don Quixote</hi> gehört zu den <hi rendition="#g">humoristi= </hi></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [653/0177]
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Sentimentale. ─ Denn was sich der Konvenienz p2c_653.002
und den Sitten der Menschen entgegensetzt, hat den Charakter p2c_653.003
des Abentheuerlichen, und wird in der Gesellschaft p2c_653.004
unglücklich. ─ Der Styl muß natürlich seyn, eine leichte p2c_653.005
Erzählung in ungebundener Rede, Briefform u. s. w. Doch p2c_653.006
giebt es auch komische Romane, welche sich von der p2c_653.007
komischen versifizirten Erzählung nur durch Mangel des p2c_653.008
Metrums unterscheiden, und dadurch daß ihre Gegenstände p2c_653.009
minder idealisch gehalten sind. Die komische Erzählung p2c_653.010
in Versen hat oft idealere Gestalten, z. B. Wielands p2c_653.011
griechische Erzählungen ─ aus der Götterwelt. Der p2c_653.012
komische Roman dagegen nimmt die Karrikaturen der gemeinen p2c_653.013
bürgerlichen Welt, und stellt das Lächerliche davon p2c_653.014
dar, z. B. Peregrine Pikle. Zuweilen nimmt aber p2c_653.015
auch der komische Roman Gestalten aus einer wunderbaren p2c_653.016
Welt, z. B. die Werke von Rabelais, Swift, Voltaires p2c_653.017
Micromegas. Zwischen den sentimentalen und p2c_653.018
dem satyrisch komischen Romane steht eine Gattung in p2c_653.019
der Mitte, der humoristische Roman, im Geist von p2c_653.020
Sterne und Jean Paul. Er hat freylich weniger ästhetische p2c_653.021
Einheit, als seine beyden Pole zwischen denen er p2c_653.022
schwankt, er greift aber tiefer in den Geist des Lebens ein. p2c_653.023
Denn das Spiel des Schicksals ist Laune, bald Ernst bald p2c_653.024
Scherz ─ und so eine Laune ist der ästhetische Jnnhalt p2c_653.025
des humoristischen Romans. Nur darf er nicht die p2c_653.026
Phantasie durch zu bunte Arabesken ermüden. Die Engländer p2c_653.027
sind hierinnen nüchterner als die Deutschen. Cervantes p2c_653.028
Don Quixote gehört zu den humoristi=
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