Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Zweiter Theil. Leipzig, 1804.
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p2c_654.001 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><hi rendition="#g"><pb facs="#f0178" n="654"/><lb n="p2c_654.001"/> schen</hi> Romanen. Der <hi rendition="#g">spanische</hi> Humor hat mehr <lb n="p2c_654.002"/> <hi rendition="#g">Grazie,</hi> der Englische ist philosophischer. ─ Die Alten <lb n="p2c_654.003"/> kannten den <hi rendition="#g">eigentlichen</hi> Roman nicht, weil ihr innerres <lb n="p2c_654.004"/> bürgerliches Leben weder romantisch war noch mit dem <lb n="p2c_654.005"/> Abentheuerlichen im Kampf stand. Die Gelegenheit, die <lb n="p2c_654.006"/> ihre Jugend vorfand, im Kriege wahre Ebentheuer zu bestehn, <lb n="p2c_654.007"/> machte, daß das häusliche innere gesellige Leben <lb n="p2c_654.008"/> wenig phantastisches hatte. Da nun der eigentliche ästhetische <lb n="p2c_654.009"/> Zweck des Romans ist, das <hi rendition="#g">gemeine</hi> Leben in einem <lb n="p2c_654.010"/> romantischen Lichte zu zeigen, so konnten die Alten nicht <lb n="p2c_654.011"/> auf den <hi rendition="#g">sentimentalen</hi> Roman verfallen. ─ Die <lb n="p2c_654.012"/> großen Leidenschaften, welche die höhern bürgerlichen Verhältnisse <lb n="p2c_654.013"/> bey ihnen erregten, ließen die andern, Liebe u. s. <lb n="p2c_654.014"/> w. nicht aufkommen. Erst mit den Verfall der Staatsverfassungen <lb n="p2c_654.015"/> und der Sitten wurden die jonischen, milesischen <lb n="p2c_654.016"/> Fabeln, meistentheils schlüpfrige Romane erfunden, z. B. <lb n="p2c_654.017"/> <hi rendition="#aq">Apuleius de asino aureo</hi>. Aber die platonische Philosophie <lb n="p2c_654.018"/> gab auch der Geschlechtsneigung einen andern Schwung. <lb n="p2c_654.019"/> Man sehnte sich darnach sie zu idealisiren, und da man dies <lb n="p2c_654.020"/> in der bürgerlichen Welt nicht konnte, so entstand eine Art <lb n="p2c_654.021"/> von <hi rendition="#g">Schäferroman,</hi> der aber von dem eigentlichen Geist <lb n="p2c_654.022"/> der <hi rendition="#g">Jdylle</hi> sehr wenig hat. So ist er bey den griechischen <lb n="p2c_654.023"/> Erotikern zu finden, z. B. Longus. Bey den abendländischen <lb n="p2c_654.024"/> Nazionen gesellte sich das Wunderbare zu den Romanen. <lb n="p2c_654.025"/> Sie machten mit dem romantischen Gedichte Eine Gattung <lb n="p2c_654.026"/> aus. König Artus, Karl der Große und ihre Familien waren <lb n="p2c_654.027"/> hier die Helden, bey den Spaniern erhielt sich der Geschmack <lb n="p2c_654.028"/> an diesen Ritterbüchern am längsten. Sie hatten </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [654/0178]
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schen Romanen. Der spanische Humor hat mehr p2c_654.002
Grazie, der Englische ist philosophischer. ─ Die Alten p2c_654.003
kannten den eigentlichen Roman nicht, weil ihr innerres p2c_654.004
bürgerliches Leben weder romantisch war noch mit dem p2c_654.005
Abentheuerlichen im Kampf stand. Die Gelegenheit, die p2c_654.006
ihre Jugend vorfand, im Kriege wahre Ebentheuer zu bestehn, p2c_654.007
machte, daß das häusliche innere gesellige Leben p2c_654.008
wenig phantastisches hatte. Da nun der eigentliche ästhetische p2c_654.009
Zweck des Romans ist, das gemeine Leben in einem p2c_654.010
romantischen Lichte zu zeigen, so konnten die Alten nicht p2c_654.011
auf den sentimentalen Roman verfallen. ─ Die p2c_654.012
großen Leidenschaften, welche die höhern bürgerlichen Verhältnisse p2c_654.013
bey ihnen erregten, ließen die andern, Liebe u. s. p2c_654.014
w. nicht aufkommen. Erst mit den Verfall der Staatsverfassungen p2c_654.015
und der Sitten wurden die jonischen, milesischen p2c_654.016
Fabeln, meistentheils schlüpfrige Romane erfunden, z. B. p2c_654.017
Apuleius de asino aureo. Aber die platonische Philosophie p2c_654.018
gab auch der Geschlechtsneigung einen andern Schwung. p2c_654.019
Man sehnte sich darnach sie zu idealisiren, und da man dies p2c_654.020
in der bürgerlichen Welt nicht konnte, so entstand eine Art p2c_654.021
von Schäferroman, der aber von dem eigentlichen Geist p2c_654.022
der Jdylle sehr wenig hat. So ist er bey den griechischen p2c_654.023
Erotikern zu finden, z. B. Longus. Bey den abendländischen p2c_654.024
Nazionen gesellte sich das Wunderbare zu den Romanen. p2c_654.025
Sie machten mit dem romantischen Gedichte Eine Gattung p2c_654.026
aus. König Artus, Karl der Große und ihre Familien waren p2c_654.027
hier die Helden, bey den Spaniern erhielt sich der Geschmack p2c_654.028
an diesen Ritterbüchern am längsten. Sie hatten
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