Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Zweiter Theil. Leipzig, 1804.p2c_494.001 p2c_494.001 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0018" n="494"/><lb n="p2c_494.001"/> , welches die Welt zu absolut gesetzlichen Zwecken bestimmt, <lb n="p2c_494.002"/> die Menschen immer deutlicher über diese Bestimmung <lb n="p2c_494.003"/> belehrt, und die Menschheit in die göttliche Gemeinschaft <lb n="p2c_494.004"/> aufnimmt. Da eine <hi rendition="#g">Geschichte</hi> Succession in der <lb n="p2c_494.005"/> Zeit voraussetzt, so kann die <hi rendition="#g">Jdealität</hi> dieser Geschichte <lb n="p2c_494.006"/> nicht auf einmal und in Allen Momenten der Zeit erscheinen, <lb n="p2c_494.007"/> sondern sich nur nach und nach, je mehr sich das Ganze entwickelt, <lb n="p2c_494.008"/> darthun. Die Seelenwelt kündigt sich hier als eine <lb n="p2c_494.009"/> successiv sich organisirende Totalität an, die der absoluten <lb n="p2c_494.010"/> Gesetzlichkeit immer näher kommt. Es ist daher ein sonderbarer <lb n="p2c_494.011"/> Vorwurf, der z. B. dem alten Testamente von vielen <lb n="p2c_494.012"/> Gegnern der Bibel gemacht worden ist, daß darin weder <lb n="p2c_494.013"/> Gott noch die Menschen in einem rein idealen Lichte erscheinen. <lb n="p2c_494.014"/> Gott kann sich den Menschen nicht anders zeigen, <lb n="p2c_494.015"/> als sie ihn verstehen, als sie ihn zu sehen <hi rendition="#g">verdienen.</hi> <lb n="p2c_494.016"/> Christus läßt in einer seiner Parabeln einen Knecht zum <lb n="p2c_494.017"/> Herrn sagen: Herr, ich furchte mich vor dir, denn du bist <lb n="p2c_494.018"/> ein harter Mann. Und der Herr antwortet: Wenn du <lb n="p2c_494.019"/> wußtest, daß ich ein harter Mann bin, so richte ich dich aus <lb n="p2c_494.020"/> deinem Munde, du Schalk. Eben so richtete der Nazionalgott <lb n="p2c_494.021"/> Jehova sein Volk aus dessen Munde, weil die Menschheit <lb n="p2c_494.022"/> einer reinern Ansicht noch nicht würdig war, und vermöge <lb n="p2c_494.023"/> der Gesetze der geistigen Organisation noch nicht seyn konnte. <lb n="p2c_494.024"/> Allein die <hi rendition="#g">ideale</hi> Geschichte muß in so fern <hi rendition="#g">vollständig</hi> <lb n="p2c_494.025"/> seyn, daß alle an sich zufällige Ereignisse eine <hi rendition="#g">vorbereitende <lb n="p2c_494.026"/> weissagende Beziehung</hi> auf irgend eine große <lb n="p2c_494.027"/> Hauptbegebenheit haben, wo das <hi rendition="#g">menschliche</hi> Leben ganz <lb n="p2c_494.028"/> zum <hi rendition="#g">göttlichen</hi> wird, wo die Menschheit erscheint im </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [494/0018]
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, welches die Welt zu absolut gesetzlichen Zwecken bestimmt, p2c_494.002
die Menschen immer deutlicher über diese Bestimmung p2c_494.003
belehrt, und die Menschheit in die göttliche Gemeinschaft p2c_494.004
aufnimmt. Da eine Geschichte Succession in der p2c_494.005
Zeit voraussetzt, so kann die Jdealität dieser Geschichte p2c_494.006
nicht auf einmal und in Allen Momenten der Zeit erscheinen, p2c_494.007
sondern sich nur nach und nach, je mehr sich das Ganze entwickelt, p2c_494.008
darthun. Die Seelenwelt kündigt sich hier als eine p2c_494.009
successiv sich organisirende Totalität an, die der absoluten p2c_494.010
Gesetzlichkeit immer näher kommt. Es ist daher ein sonderbarer p2c_494.011
Vorwurf, der z. B. dem alten Testamente von vielen p2c_494.012
Gegnern der Bibel gemacht worden ist, daß darin weder p2c_494.013
Gott noch die Menschen in einem rein idealen Lichte erscheinen. p2c_494.014
Gott kann sich den Menschen nicht anders zeigen, p2c_494.015
als sie ihn verstehen, als sie ihn zu sehen verdienen. p2c_494.016
Christus läßt in einer seiner Parabeln einen Knecht zum p2c_494.017
Herrn sagen: Herr, ich furchte mich vor dir, denn du bist p2c_494.018
ein harter Mann. Und der Herr antwortet: Wenn du p2c_494.019
wußtest, daß ich ein harter Mann bin, so richte ich dich aus p2c_494.020
deinem Munde, du Schalk. Eben so richtete der Nazionalgott p2c_494.021
Jehova sein Volk aus dessen Munde, weil die Menschheit p2c_494.022
einer reinern Ansicht noch nicht würdig war, und vermöge p2c_494.023
der Gesetze der geistigen Organisation noch nicht seyn konnte. p2c_494.024
Allein die ideale Geschichte muß in so fern vollständig p2c_494.025
seyn, daß alle an sich zufällige Ereignisse eine vorbereitende p2c_494.026
weissagende Beziehung auf irgend eine große p2c_494.027
Hauptbegebenheit haben, wo das menschliche Leben ganz p2c_494.028
zum göttlichen wird, wo die Menschheit erscheint im
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