p2c_658.001 der Verstand beym niedern Schönen mehr Muße zum rathen p2c_658.002 hat, als bey erhabener Gemüthsstimmung. So wie eines p2c_658.003 Theils die Einfachheit des Plans nicht verlangt, vielmehr p2c_658.004 Mannichfaltigkeit gesucht wird, so ist auch anderntheils p2c_658.005 in Ansehung der Vollkommenheit des Ganzen der Zuschauer p2c_658.006 nicht so streng, als bey der Tragödie. Die Natur p2c_658.007 des Drama fordert zwar auch einen raschen Gang der p2c_658.008 Handlung. Allein da die Seele in geringerer Spannung p2c_658.009 ist, so läßt man sich auch eher episodische Szenen gefallen, p2c_658.010 die mehr Aufschluß über einen Charakter geben, als daß sie p2c_658.011 die Handlung weiter bringen sollten. Nur müssen sie an p2c_658.012 sich einen Werth haben und eine Stelle verdienen, z. B. die p2c_658.013 Szene mit der Dame in Trauer in Lessings Minna von p2c_658.014 Barnhelm konnte wohl füglich wegbleiben.
p2c_658.015 Anmerk. 3. Der ästhetische Jnhalt des Lustspiels p2c_658.016 ist das niedere Schöne. Da es mehrere Gattungen p2c_658.017 und Modificationen des niedern Schönen giebt, so wird p2c_658.018 eine oder die andere vorzüglich in Einem Lustspiele herrschend p2c_658.019 seyn. Es finden sich daher in dieser Rücksicht mehrere Gattungen p2c_658.020 von Lustspielen. 1) Das edle Lustspiel, wo p2c_658.021 die Empfindung des Edeln, und das sanftschöne herrschend p2c_658.022 ist, nach der sich alle übrige modifiziren müssen. Dies p2c_658.023 ist das höchste Kunstwerk der komischen Muse. Man nennt p2c_658.024 einige Stücke dieser Art zuweilen auch Schauspiele im p2c_658.025 engern Sinne, s. jedoch was wir oben bey der Tragödie p2c_658.026 von diesem Ausdruck bemerkten. Die Vollkommenheit des p2c_658.027 Drama muß hier am meisten beobachtet, wider Kostume,
p2c_658.001 der Verstand beym niedern Schönen mehr Muße zum rathen p2c_658.002 hat, als bey erhabener Gemüthsstimmung. So wie eines p2c_658.003 Theils die Einfachheit des Plans nicht verlangt, vielmehr p2c_658.004 Mannichfaltigkeit gesucht wird, so ist auch anderntheils p2c_658.005 in Ansehung der Vollkommenheit des Ganzen der Zuschauer p2c_658.006 nicht so streng, als bey der Tragödie. Die Natur p2c_658.007 des Drama fordert zwar auch einen raschen Gang der p2c_658.008 Handlung. Allein da die Seele in geringerer Spannung p2c_658.009 ist, so läßt man sich auch eher episodische Szenen gefallen, p2c_658.010 die mehr Aufschluß über einen Charakter geben, als daß sie p2c_658.011 die Handlung weiter bringen sollten. Nur müssen sie an p2c_658.012 sich einen Werth haben und eine Stelle verdienen, z. B. die p2c_658.013 Szene mit der Dame in Trauer in Lessings Minna von p2c_658.014 Barnhelm konnte wohl füglich wegbleiben.
p2c_658.015 Anmerk. 3. Der ästhetische Jnhalt des Lustspiels p2c_658.016 ist das niedere Schöne. Da es mehrere Gattungen p2c_658.017 und Modificationen des niedern Schönen giebt, so wird p2c_658.018 eine oder die andere vorzüglich in Einem Lustspiele herrschend p2c_658.019 seyn. Es finden sich daher in dieser Rücksicht mehrere Gattungen p2c_658.020 von Lustspielen. 1) Das edle Lustspiel, wo p2c_658.021 die Empfindung des Edeln, und das sanftschöne herrschend p2c_658.022 ist, nach der sich alle übrige modifiziren müssen. Dies p2c_658.023 ist das höchste Kunstwerk der komischen Muse. Man nennt p2c_658.024 einige Stücke dieser Art zuweilen auch Schauspiele im p2c_658.025 engern Sinne, s. jedoch was wir oben bey der Tragödie p2c_658.026 von diesem Ausdruck bemerkten. Die Vollkommenheit des p2c_658.027 Drama muß hier am meisten beobachtet, wider Kostume,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0182"n="658"/><lbn="p2c_658.001"/>
der Verstand beym niedern Schönen mehr Muße zum rathen <lbn="p2c_658.002"/>
hat, als bey erhabener Gemüthsstimmung. So wie eines <lbn="p2c_658.003"/>
Theils die <hirendition="#g">Einfachheit</hi> des Plans nicht verlangt, vielmehr <lbn="p2c_658.004"/>
Mannichfaltigkeit gesucht wird, so ist auch anderntheils <lbn="p2c_658.005"/>
in Ansehung der <hirendition="#g">Vollkommenheit</hi> des Ganzen der Zuschauer <lbn="p2c_658.006"/>
nicht so streng, als bey der Tragödie. Die Natur <lbn="p2c_658.007"/>
des <hirendition="#g">Drama</hi> fordert zwar auch einen raschen Gang der <lbn="p2c_658.008"/>
Handlung. Allein da die Seele in geringerer Spannung <lbn="p2c_658.009"/>
ist, so läßt man sich auch eher episodische Szenen gefallen, <lbn="p2c_658.010"/>
die mehr Aufschluß über einen Charakter geben, als daß sie <lbn="p2c_658.011"/>
die Handlung weiter bringen sollten. Nur müssen sie an <lbn="p2c_658.012"/>
sich einen Werth haben und eine Stelle verdienen, z. B. die <lbn="p2c_658.013"/>
Szene mit der Dame in Trauer in Lessings Minna von <lbn="p2c_658.014"/>
Barnhelm konnte wohl füglich wegbleiben.</p><p><lbn="p2c_658.015"/><hirendition="#g">Anmerk.</hi> 3. Der <hirendition="#g">ästhetische</hi> Jnhalt des Lustspiels <lbn="p2c_658.016"/>
ist das <hirendition="#g">niedere</hi> Schöne. Da es mehrere Gattungen <lbn="p2c_658.017"/>
und Modificationen des niedern Schönen giebt, so wird <lbn="p2c_658.018"/>
eine oder die andere vorzüglich in Einem Lustspiele herrschend <lbn="p2c_658.019"/>
seyn. Es finden sich daher in dieser Rücksicht mehrere Gattungen <lbn="p2c_658.020"/>
von Lustspielen. 1) Das <hirendition="#g">edle Lustspiel,</hi> wo <lbn="p2c_658.021"/>
die Empfindung des <hirendition="#g">Edeln,</hi> und das <hirendition="#g">sanftschöne</hi> herrschend <lbn="p2c_658.022"/>
ist, nach der sich alle übrige modifiziren müssen. Dies <lbn="p2c_658.023"/>
ist das höchste Kunstwerk der komischen Muse. Man nennt <lbn="p2c_658.024"/>
einige Stücke dieser Art zuweilen auch <hirendition="#g">Schauspiele</hi> im <lbn="p2c_658.025"/>
engern Sinne, s. jedoch was wir oben bey der Tragödie <lbn="p2c_658.026"/>
von diesem Ausdruck bemerkten. Die Vollkommenheit des <lbn="p2c_658.027"/>
Drama muß hier am meisten beobachtet, wider Kostume,
</p></div></div></div></body></text></TEI>
[658/0182]
p2c_658.001
der Verstand beym niedern Schönen mehr Muße zum rathen p2c_658.002
hat, als bey erhabener Gemüthsstimmung. So wie eines p2c_658.003
Theils die Einfachheit des Plans nicht verlangt, vielmehr p2c_658.004
Mannichfaltigkeit gesucht wird, so ist auch anderntheils p2c_658.005
in Ansehung der Vollkommenheit des Ganzen der Zuschauer p2c_658.006
nicht so streng, als bey der Tragödie. Die Natur p2c_658.007
des Drama fordert zwar auch einen raschen Gang der p2c_658.008
Handlung. Allein da die Seele in geringerer Spannung p2c_658.009
ist, so läßt man sich auch eher episodische Szenen gefallen, p2c_658.010
die mehr Aufschluß über einen Charakter geben, als daß sie p2c_658.011
die Handlung weiter bringen sollten. Nur müssen sie an p2c_658.012
sich einen Werth haben und eine Stelle verdienen, z. B. die p2c_658.013
Szene mit der Dame in Trauer in Lessings Minna von p2c_658.014
Barnhelm konnte wohl füglich wegbleiben.
p2c_658.015
Anmerk. 3. Der ästhetische Jnhalt des Lustspiels p2c_658.016
ist das niedere Schöne. Da es mehrere Gattungen p2c_658.017
und Modificationen des niedern Schönen giebt, so wird p2c_658.018
eine oder die andere vorzüglich in Einem Lustspiele herrschend p2c_658.019
seyn. Es finden sich daher in dieser Rücksicht mehrere Gattungen p2c_658.020
von Lustspielen. 1) Das edle Lustspiel, wo p2c_658.021
die Empfindung des Edeln, und das sanftschöne herrschend p2c_658.022
ist, nach der sich alle übrige modifiziren müssen. Dies p2c_658.023
ist das höchste Kunstwerk der komischen Muse. Man nennt p2c_658.024
einige Stücke dieser Art zuweilen auch Schauspiele im p2c_658.025
engern Sinne, s. jedoch was wir oben bey der Tragödie p2c_658.026
von diesem Ausdruck bemerkten. Die Vollkommenheit des p2c_658.027
Drama muß hier am meisten beobachtet, wider Kostume,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription.
(2015-09-30T09:54:39Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination
Weitere Informationen:
Bogensignaturen: keine Angabe;
Druckfehler: keine Angabe;
fremdsprachliches Material: gekennzeichnet;
Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;
Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage;
i/j in Fraktur: wie Vorlage;
I/J in Fraktur: wie Vorlage;
Kolumnentitel: nicht übernommen;
Kustoden: nicht übernommen;
langes s (ſ): wie Vorlage;
Normalisierungen: keine;
rundes r (ꝛ): wie Vorlage;
Seitenumbrüche markiert: ja;
Silbentrennung: nicht übernommen;
u/v bzw. U/V: wie Vorlage;
Vokale mit übergest. e: wie Vorlage;
Vollständigkeit: vollständig erfasst;
Zeichensetzung: wie Vorlage;
Zeilenumbrüche markiert: ja;
Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Zweiter Theil. Leipzig, 1804, S. 658. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik02_1804/182>, abgerufen am 16.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.