Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Zweiter Theil. Leipzig, 1804.p2c_658.001 p2c_658.015 p2c_658.001 p2c_658.015 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0182" n="658"/><lb n="p2c_658.001"/> der Verstand beym niedern Schönen mehr Muße zum rathen <lb n="p2c_658.002"/> hat, als bey erhabener Gemüthsstimmung. So wie eines <lb n="p2c_658.003"/> Theils die <hi rendition="#g">Einfachheit</hi> des Plans nicht verlangt, vielmehr <lb n="p2c_658.004"/> Mannichfaltigkeit gesucht wird, so ist auch anderntheils <lb n="p2c_658.005"/> in Ansehung der <hi rendition="#g">Vollkommenheit</hi> des Ganzen der Zuschauer <lb n="p2c_658.006"/> nicht so streng, als bey der Tragödie. Die Natur <lb n="p2c_658.007"/> des <hi rendition="#g">Drama</hi> fordert zwar auch einen raschen Gang der <lb n="p2c_658.008"/> Handlung. Allein da die Seele in geringerer Spannung <lb n="p2c_658.009"/> ist, so läßt man sich auch eher episodische Szenen gefallen, <lb n="p2c_658.010"/> die mehr Aufschluß über einen Charakter geben, als daß sie <lb n="p2c_658.011"/> die Handlung weiter bringen sollten. Nur müssen sie an <lb n="p2c_658.012"/> sich einen Werth haben und eine Stelle verdienen, z. B. die <lb n="p2c_658.013"/> Szene mit der Dame in Trauer in Lessings Minna von <lb n="p2c_658.014"/> Barnhelm konnte wohl füglich wegbleiben.</p> <p><lb n="p2c_658.015"/><hi rendition="#g">Anmerk.</hi> 3. Der <hi rendition="#g">ästhetische</hi> Jnhalt des Lustspiels <lb n="p2c_658.016"/> ist das <hi rendition="#g">niedere</hi> Schöne. Da es mehrere Gattungen <lb n="p2c_658.017"/> und Modificationen des niedern Schönen giebt, so wird <lb n="p2c_658.018"/> eine oder die andere vorzüglich in Einem Lustspiele herrschend <lb n="p2c_658.019"/> seyn. Es finden sich daher in dieser Rücksicht mehrere Gattungen <lb n="p2c_658.020"/> von Lustspielen. 1) Das <hi rendition="#g">edle Lustspiel,</hi> wo <lb n="p2c_658.021"/> die Empfindung des <hi rendition="#g">Edeln,</hi> und das <hi rendition="#g">sanftschöne</hi> herrschend <lb n="p2c_658.022"/> ist, nach der sich alle übrige modifiziren müssen. Dies <lb n="p2c_658.023"/> ist das höchste Kunstwerk der komischen Muse. Man nennt <lb n="p2c_658.024"/> einige Stücke dieser Art zuweilen auch <hi rendition="#g">Schauspiele</hi> im <lb n="p2c_658.025"/> engern Sinne, s. jedoch was wir oben bey der Tragödie <lb n="p2c_658.026"/> von diesem Ausdruck bemerkten. Die Vollkommenheit des <lb n="p2c_658.027"/> Drama muß hier am meisten beobachtet, wider Kostume, </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [658/0182]
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der Verstand beym niedern Schönen mehr Muße zum rathen p2c_658.002
hat, als bey erhabener Gemüthsstimmung. So wie eines p2c_658.003
Theils die Einfachheit des Plans nicht verlangt, vielmehr p2c_658.004
Mannichfaltigkeit gesucht wird, so ist auch anderntheils p2c_658.005
in Ansehung der Vollkommenheit des Ganzen der Zuschauer p2c_658.006
nicht so streng, als bey der Tragödie. Die Natur p2c_658.007
des Drama fordert zwar auch einen raschen Gang der p2c_658.008
Handlung. Allein da die Seele in geringerer Spannung p2c_658.009
ist, so läßt man sich auch eher episodische Szenen gefallen, p2c_658.010
die mehr Aufschluß über einen Charakter geben, als daß sie p2c_658.011
die Handlung weiter bringen sollten. Nur müssen sie an p2c_658.012
sich einen Werth haben und eine Stelle verdienen, z. B. die p2c_658.013
Szene mit der Dame in Trauer in Lessings Minna von p2c_658.014
Barnhelm konnte wohl füglich wegbleiben.
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Anmerk. 3. Der ästhetische Jnhalt des Lustspiels p2c_658.016
ist das niedere Schöne. Da es mehrere Gattungen p2c_658.017
und Modificationen des niedern Schönen giebt, so wird p2c_658.018
eine oder die andere vorzüglich in Einem Lustspiele herrschend p2c_658.019
seyn. Es finden sich daher in dieser Rücksicht mehrere Gattungen p2c_658.020
von Lustspielen. 1) Das edle Lustspiel, wo p2c_658.021
die Empfindung des Edeln, und das sanftschöne herrschend p2c_658.022
ist, nach der sich alle übrige modifiziren müssen. Dies p2c_658.023
ist das höchste Kunstwerk der komischen Muse. Man nennt p2c_658.024
einige Stücke dieser Art zuweilen auch Schauspiele im p2c_658.025
engern Sinne, s. jedoch was wir oben bey der Tragödie p2c_658.026
von diesem Ausdruck bemerkten. Die Vollkommenheit des p2c_658.027
Drama muß hier am meisten beobachtet, wider Kostume,
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