Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Zweiter Theil. Leipzig, 1804.p2c_659.001 p2c_659.001 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0183" n="659"/><lb n="p2c_659.001"/> Nazivnalsitten u. s. w. nicht verstoßen, und ein gewisser <lb n="p2c_659.002"/> Grad von Jllusion erreicht seyn. Es wird hier am meisten <lb n="p2c_659.003"/> <hi rendition="#g">Charakterzeichnung</hi> verlangt. Daher steht auch gewöhnlich <lb n="p2c_659.004"/> ein Hauptcharakter an der Spitze, z. B. Molieres <lb n="p2c_659.005"/> Misanthrop, welches man für des Dichters Meisterwerk hält, <lb n="p2c_659.006"/> ungeachtet es weniger gefiel, als seine Possen. Diderots <lb n="p2c_659.007"/> <hi rendition="#aq">Pere de famille</hi>, (von dem der deutsche Hausvater eine <lb n="p2c_659.008"/> schwache sehr verfehlte Nachbildung ist). Der Essigkrämer <lb n="p2c_659.009"/> u. s. w. ─ Auch die Alten hatten das <hi rendition="#g">edle</hi> Lustspiel <lb n="p2c_659.010"/> schon. Dies beweist die sogenannte <hi rendition="#g">neue</hi> Komödie der <lb n="p2c_659.011"/> Griechen, von Philemon und Menander, ohne den satyrischen <lb n="p2c_659.012"/> Chor, und der Uebersetzer des Menander <hi rendition="#g">Terenz.</hi> <lb n="p2c_659.013"/> Sein Heavtontimorumenos, seine Adelphi sind hier besonders <lb n="p2c_659.014"/> zu nennen. Bey den Deutschen ist <hi rendition="#g">Minna</hi> von <lb n="p2c_659.015"/> Barnhelm als Hauptmuster anzuführen, wo der <hi rendition="#g">heitere</hi> <lb n="p2c_659.016"/> Charakter der Minna und der edle des Tellheim so glücklich <lb n="p2c_659.017"/> neben einander gestellt sind. Die sogenannten Familiengemälde <lb n="p2c_659.018"/> unserer Bühne sind meist Versuche in dieser Gattung. <lb n="p2c_659.019"/> ─ Jn dem <hi rendition="#g">edlen</hi> Lustspiel kann das <hi rendition="#g">Lächerliche</hi> nur <lb n="p2c_659.020"/> unter großer Einschränkung statt finden, und das grotesk <lb n="p2c_659.021"/> komische, das niedere komische muß ganz daraus verbannt <lb n="p2c_659.022"/> seyn, wenn ästhetische Einheit statt finden soll. Wenn im <lb n="p2c_659.023"/> <hi rendition="#g">Edlen</hi> Lustspiel ein trauriger Ton herrschend ist, und die <lb n="p2c_659.024"/> rührenden Verhältnisse nur am Ende einen glücklichen Ausgang <lb n="p2c_659.025"/> gewinnen, so nennen dies die Franzosen <hi rendition="#aq">Comédie <lb n="p2c_659.026"/> larmoyante</hi>. Man hat diese Art Lustspiele widersinnig finden <lb n="p2c_659.027"/> wollen, andere z. B. Gellert haben sie vertheidigt. Versteht <lb n="p2c_659.028"/> man unter jenem Ausdruck eine Vorstellung, welche </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [659/0183]
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Nazivnalsitten u. s. w. nicht verstoßen, und ein gewisser p2c_659.002
Grad von Jllusion erreicht seyn. Es wird hier am meisten p2c_659.003
Charakterzeichnung verlangt. Daher steht auch gewöhnlich p2c_659.004
ein Hauptcharakter an der Spitze, z. B. Molieres p2c_659.005
Misanthrop, welches man für des Dichters Meisterwerk hält, p2c_659.006
ungeachtet es weniger gefiel, als seine Possen. Diderots p2c_659.007
Pere de famille, (von dem der deutsche Hausvater eine p2c_659.008
schwache sehr verfehlte Nachbildung ist). Der Essigkrämer p2c_659.009
u. s. w. ─ Auch die Alten hatten das edle Lustspiel p2c_659.010
schon. Dies beweist die sogenannte neue Komödie der p2c_659.011
Griechen, von Philemon und Menander, ohne den satyrischen p2c_659.012
Chor, und der Uebersetzer des Menander Terenz. p2c_659.013
Sein Heavtontimorumenos, seine Adelphi sind hier besonders p2c_659.014
zu nennen. Bey den Deutschen ist Minna von p2c_659.015
Barnhelm als Hauptmuster anzuführen, wo der heitere p2c_659.016
Charakter der Minna und der edle des Tellheim so glücklich p2c_659.017
neben einander gestellt sind. Die sogenannten Familiengemälde p2c_659.018
unserer Bühne sind meist Versuche in dieser Gattung. p2c_659.019
─ Jn dem edlen Lustspiel kann das Lächerliche nur p2c_659.020
unter großer Einschränkung statt finden, und das grotesk p2c_659.021
komische, das niedere komische muß ganz daraus verbannt p2c_659.022
seyn, wenn ästhetische Einheit statt finden soll. Wenn im p2c_659.023
Edlen Lustspiel ein trauriger Ton herrschend ist, und die p2c_659.024
rührenden Verhältnisse nur am Ende einen glücklichen Ausgang p2c_659.025
gewinnen, so nennen dies die Franzosen Comédie p2c_659.026
larmoyante. Man hat diese Art Lustspiele widersinnig finden p2c_659.027
wollen, andere z. B. Gellert haben sie vertheidigt. Versteht p2c_659.028
man unter jenem Ausdruck eine Vorstellung, welche
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