Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Zweiter Theil. Leipzig, 1804. p2c_669.001 p2c_669.002 p2c_669.012 p2c_669.001 p2c_669.002 p2c_669.012 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0193" n="669"/> <p> <hi rendition="#c"><lb n="p2c_669.001"/> §. 2.</hi> </p> <p><lb n="p2c_669.002"/> Da die <hi rendition="#g">Schauspielkunst</hi> mit der Oper verbunden <lb n="p2c_669.003"/> wird, diese aber wenn auch nicht eine vollkommene <lb n="p2c_669.004"/> Jllusion, wenigstens einen Grad von Täuschung <lb n="p2c_669.005"/> und Wahrscheinlichkeit verlangt, so muß der <hi rendition="#g">Jnhalt</hi> <lb n="p2c_669.006"/> der eigentlichen <hi rendition="#g">Oper</hi> so beschaffen seyn, daß man <lb n="p2c_669.007"/> sich die Theilnahme der Musik als <hi rendition="#g">Hauptkunst</hi> erklären <lb n="p2c_669.008"/> könne. Daher sollte der Stoff der wahren <lb n="p2c_669.009"/> <hi rendition="#aq">opera seria</hi> aus der <hi rendition="#g">Wunderwelt</hi> genommen seyn. <lb n="p2c_669.010"/> Mit der <hi rendition="#aq">opera buffa</hi> braucht man es indeß nicht so genau <lb n="p2c_669.011"/> zu nehmen.</p> <p><lb n="p2c_669.012"/><hi rendition="#g">Anmerk.</hi> St. Evremond und mehrere Kunstrichter <lb n="p2c_669.013"/> haben bekanntlich die Oper für eine ganz <hi rendition="#g">ungereimte</hi> <lb n="p2c_669.014"/> Erfindung ausgeben wollen. Nach St. Evremond ist die <lb n="p2c_669.015"/> Oper nichts anders, als ein lustiges Werk, worinnen Dichter <lb n="p2c_669.016"/> und Tonkünstler sich einander im Wege stehn, und sich <lb n="p2c_669.017"/> gleich stark bemühn, eine schlechte Arbeit zu Stande zu <lb n="p2c_669.018"/> bringen. Dieser Kritiker findet es lächerlich, daß man das <lb n="p2c_669.019"/> ganze Stück absingt, daß man Befehle nach dem Takt giebt <lb n="p2c_669.020"/> u. s. w. Allein es müssen hier viele Fälle unterschieden <lb n="p2c_669.021"/> werden. 1) Die <hi rendition="#aq">Opera seria</hi> oder die ernsthafte Oper verlangt <lb n="p2c_669.022"/> wegen der ernsten Empfindung, die sie in uns erhalten <lb n="p2c_669.023"/> soll, einen Grad von Wahrscheinlichkeit, und einen <lb n="p2c_669.024"/> sorgfältigen Plan. Die <hi rendition="#g">Musik</hi> soll daran als Hauptkunst <lb n="p2c_669.025"/> Theil nehmen. Sie soll gleichsam der <hi rendition="#g">Aether</hi> seyn, in </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [669/0193]
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§. 2.
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Da die Schauspielkunst mit der Oper verbunden p2c_669.003
wird, diese aber wenn auch nicht eine vollkommene p2c_669.004
Jllusion, wenigstens einen Grad von Täuschung p2c_669.005
und Wahrscheinlichkeit verlangt, so muß der Jnhalt p2c_669.006
der eigentlichen Oper so beschaffen seyn, daß man p2c_669.007
sich die Theilnahme der Musik als Hauptkunst erklären p2c_669.008
könne. Daher sollte der Stoff der wahren p2c_669.009
opera seria aus der Wunderwelt genommen seyn. p2c_669.010
Mit der opera buffa braucht man es indeß nicht so genau p2c_669.011
zu nehmen.
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Anmerk. St. Evremond und mehrere Kunstrichter p2c_669.013
haben bekanntlich die Oper für eine ganz ungereimte p2c_669.014
Erfindung ausgeben wollen. Nach St. Evremond ist die p2c_669.015
Oper nichts anders, als ein lustiges Werk, worinnen Dichter p2c_669.016
und Tonkünstler sich einander im Wege stehn, und sich p2c_669.017
gleich stark bemühn, eine schlechte Arbeit zu Stande zu p2c_669.018
bringen. Dieser Kritiker findet es lächerlich, daß man das p2c_669.019
ganze Stück absingt, daß man Befehle nach dem Takt giebt p2c_669.020
u. s. w. Allein es müssen hier viele Fälle unterschieden p2c_669.021
werden. 1) Die Opera seria oder die ernsthafte Oper verlangt p2c_669.022
wegen der ernsten Empfindung, die sie in uns erhalten p2c_669.023
soll, einen Grad von Wahrscheinlichkeit, und einen p2c_669.024
sorgfältigen Plan. Die Musik soll daran als Hauptkunst p2c_669.025
Theil nehmen. Sie soll gleichsam der Aether seyn, in
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