Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Zweiter Theil. Leipzig, 1804.p2c_673.001 p2c_673.003 p2c_673.021 p2c_673.001 p2c_673.003 p2c_673.021 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0197" n="673"/><lb n="p2c_673.001"/> . Doch darf man sie deswegen nicht für das <lb n="p2c_673.002"/> <hi rendition="#g">höchste</hi> Kunstwerk halten.</p> <p><lb n="p2c_673.003"/><hi rendition="#g">Anmerk.</hi> 1. Durch die Zusammenwirkung so vieler <lb n="p2c_673.004"/> Künste, die, wie Voltaire sagt, <hi rendition="#aq">de cent plaisirs font un <lb n="p2c_673.005"/> plaisir unique</hi>, kann zwar ein großer Sinnenrausch bewirkt <lb n="p2c_673.006"/> werden. Allein eben durch die Menge von zusammenwirkenden <lb n="p2c_673.007"/> Theilen verliehrt das einzelne an Kraft. Die Gestalt <lb n="p2c_673.008"/> des Ganzen ist schwerer zu fassen, die <hi rendition="#g">ästhetische</hi> <lb n="p2c_673.009"/> Wirkung der Tragödie ist weit größer, die Tragödie selbst <lb n="p2c_673.010"/> ein weit erhabneres Kunstwerk, als die Oper mit allem ihren <lb n="p2c_673.011"/> Sinnenreiz. Hierzu kommt, daß je mehr die Oper auf die <lb n="p2c_673.012"/> Sinnlichkeit <hi rendition="#g">Einfluß</hi> hat, desto mehr auch die Phantasie <lb n="p2c_673.013"/> an eigentlicher Freyheit verliehrt. Den moralischen Werth <lb n="p2c_673.014"/> der Oper schildert Boileau sehr treffend in der zehnten Satyre, <lb n="p2c_673.015"/> <hi rendition="#aq">d'un spectacle enchanteur la pompe harmonieuse, <lb n="p2c_673.016"/> ces danses, ces heros, à voix luxurieuse, <lb n="p2c_673.017"/> ces discours sur l'amour seul roulants, ces doucereux <lb n="p2c_673.018"/> Renauds, ces insensés Rolands et tous ces lieux communs <lb n="p2c_673.019"/> de morale lubrique</hi>, (von Qvinaut) <hi rendition="#aq">que Lulli <lb n="p2c_673.020"/> rechauffa des sons de sa musique</hi>. ─</p> <p><lb n="p2c_673.021"/><hi rendition="#g">Anmerk.</hi> 2. Die Oper erscheint auch zuweilen als <lb n="p2c_673.022"/> Jntermezzo, wo eine einfache Handlung von wenigen Personen <lb n="p2c_673.023"/> durchgeführt wird. Vielleicht gab das Jntermezzo <lb n="p2c_673.024"/> zum ersten Ursprung der Oper Gelegenheit, den man in <lb n="p2c_673.025"/> Jtalien zu Ende des funfzehnten Jahrhunderts setzt. Freylich </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [673/0197]
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. Doch darf man sie deswegen nicht für das p2c_673.002
höchste Kunstwerk halten.
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Anmerk. 1. Durch die Zusammenwirkung so vieler p2c_673.004
Künste, die, wie Voltaire sagt, de cent plaisirs font un p2c_673.005
plaisir unique, kann zwar ein großer Sinnenrausch bewirkt p2c_673.006
werden. Allein eben durch die Menge von zusammenwirkenden p2c_673.007
Theilen verliehrt das einzelne an Kraft. Die Gestalt p2c_673.008
des Ganzen ist schwerer zu fassen, die ästhetische p2c_673.009
Wirkung der Tragödie ist weit größer, die Tragödie selbst p2c_673.010
ein weit erhabneres Kunstwerk, als die Oper mit allem ihren p2c_673.011
Sinnenreiz. Hierzu kommt, daß je mehr die Oper auf die p2c_673.012
Sinnlichkeit Einfluß hat, desto mehr auch die Phantasie p2c_673.013
an eigentlicher Freyheit verliehrt. Den moralischen Werth p2c_673.014
der Oper schildert Boileau sehr treffend in der zehnten Satyre, p2c_673.015
d'un spectacle enchanteur la pompe harmonieuse, p2c_673.016
ces danses, ces heros, à voix luxurieuse, p2c_673.017
ces discours sur l'amour seul roulants, ces doucereux p2c_673.018
Renauds, ces insensés Rolands et tous ces lieux communs p2c_673.019
de morale lubrique, (von Qvinaut) que Lulli p2c_673.020
rechauffa des sons de sa musique. ─
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Anmerk. 2. Die Oper erscheint auch zuweilen als p2c_673.022
Jntermezzo, wo eine einfache Handlung von wenigen Personen p2c_673.023
durchgeführt wird. Vielleicht gab das Jntermezzo p2c_673.024
zum ersten Ursprung der Oper Gelegenheit, den man in p2c_673.025
Jtalien zu Ende des funfzehnten Jahrhunderts setzt. Freylich
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