Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Zweiter Theil. Leipzig, 1804.p2c_723.001 p2c_723.003 p2c_723.012 p2c_723.001 p2c_723.003 p2c_723.012 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0247" n="723"/><lb n="p2c_723.001"/> sind hier mehr erlaubt, als beym höhern Lehrgedicht, <lb n="p2c_723.002"/> weil der Verstand mehr Muße hat.</p> <p><lb n="p2c_723.003"/><hi rendition="#g">Anmerk.</hi> 2. Der <hi rendition="#g">ästhetische</hi> Jnhalt des niedern <lb n="p2c_723.004"/> Lehrgedichts, oder die herrschende Empfindung in demselben <lb n="p2c_723.005"/> muß vorzüglich die <hi rendition="#g">Grazie</hi> seyn, und kann an den <lb n="p2c_723.006"/> feinern Scherz gränzen. Der denkende Verstand muß sich <lb n="p2c_723.007"/> mit Leichtigkeit bewegen. Horaz in seiner <hi rendition="#aq">arte poetica</hi>, <lb n="p2c_723.008"/> die noch dazu in Epistelform geschrieben ist, kommt zuweilen <lb n="p2c_723.009"/> auf das vorige Thema zurück. Die künstliche Unordnung <lb n="p2c_723.010"/> im Plan muß nicht als Schwäche des Verstandes, <lb n="p2c_723.011"/> sondern als Leben der Einbildungskraft erscheinen.</p> <p><lb n="p2c_723.012"/><hi rendition="#g">Anmerk.</hi> 3. Der <hi rendition="#g">Styl</hi> ist beym <hi rendition="#g">niedern</hi> <lb n="p2c_723.013"/> Lehrgedicht besonders zu berücksichtigen. Er muß das <hi rendition="#aq">molle</hi> <lb n="p2c_723.014"/> und <hi rendition="#aq">facetum</hi> haben, was Horaz am Virgil bewundert. <lb n="p2c_723.015"/> Denn freylich ist die poetische Einkleidung bey dem minder <lb n="p2c_723.016"/> wichtigen Stoff eine Hauptsache. Einige Dunkelheiten abgerechnet <lb n="p2c_723.017"/> können die <hi rendition="#g">Künstler</hi> von Schiller hier zum Muster <lb n="p2c_723.018"/> dienen. Doch nähert sich dieses vortreffliche Gedicht <lb n="p2c_723.019"/> dem <hi rendition="#g">höhern</hi> Lehrgedicht, wie wir dies von einem Gedicht <lb n="p2c_723.020"/> <hi rendition="#aq">de arte poetica</hi> verlangten. Das <hi rendition="#g">Metrum</hi> ist wie <lb n="p2c_723.021"/> beym <hi rendition="#g">höhern</hi> Lehrgedicht. Der <hi rendition="#g">zufälligen</hi> Formen <lb n="p2c_723.022"/> für das <hi rendition="#g">niedere</hi> didaktische Gedicht giebts unzählige. <lb n="p2c_723.023"/> Die <hi rendition="#g">Epistel</hi> ist wegen ihres <hi rendition="#g">vertraulichen</hi> Welttons <lb n="p2c_723.024"/> eine vorzüglich gute Form, weil sie den Dichter verhindert <lb n="p2c_723.025"/> <hi rendition="#g">pedantisch</hi> zu werden, und sich den Lehrton zu <lb n="p2c_723.026"/> geben. Jndeß paßt sie doch nicht für alles. Die <lb n="p2c_723.027"/> <hi rendition="#g">Georgica</hi> als ein ländliches Gedicht haben eine mehr </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [723/0247]
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sind hier mehr erlaubt, als beym höhern Lehrgedicht, p2c_723.002
weil der Verstand mehr Muße hat.
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Anmerk. 2. Der ästhetische Jnhalt des niedern p2c_723.004
Lehrgedichts, oder die herrschende Empfindung in demselben p2c_723.005
muß vorzüglich die Grazie seyn, und kann an den p2c_723.006
feinern Scherz gränzen. Der denkende Verstand muß sich p2c_723.007
mit Leichtigkeit bewegen. Horaz in seiner arte poetica, p2c_723.008
die noch dazu in Epistelform geschrieben ist, kommt zuweilen p2c_723.009
auf das vorige Thema zurück. Die künstliche Unordnung p2c_723.010
im Plan muß nicht als Schwäche des Verstandes, p2c_723.011
sondern als Leben der Einbildungskraft erscheinen.
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Anmerk. 3. Der Styl ist beym niedern p2c_723.013
Lehrgedicht besonders zu berücksichtigen. Er muß das molle p2c_723.014
und facetum haben, was Horaz am Virgil bewundert. p2c_723.015
Denn freylich ist die poetische Einkleidung bey dem minder p2c_723.016
wichtigen Stoff eine Hauptsache. Einige Dunkelheiten abgerechnet p2c_723.017
können die Künstler von Schiller hier zum Muster p2c_723.018
dienen. Doch nähert sich dieses vortreffliche Gedicht p2c_723.019
dem höhern Lehrgedicht, wie wir dies von einem Gedicht p2c_723.020
de arte poetica verlangten. Das Metrum ist wie p2c_723.021
beym höhern Lehrgedicht. Der zufälligen Formen p2c_723.022
für das niedere didaktische Gedicht giebts unzählige. p2c_723.023
Die Epistel ist wegen ihres vertraulichen Welttons p2c_723.024
eine vorzüglich gute Form, weil sie den Dichter verhindert p2c_723.025
pedantisch zu werden, und sich den Lehrton zu p2c_723.026
geben. Jndeß paßt sie doch nicht für alles. Die p2c_723.027
Georgica als ein ländliches Gedicht haben eine mehr
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