Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Zweiter Theil. Leipzig, 1804.p2c_751.001 p2c_751.001 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0275" n="751"/><lb n="p2c_751.001"/> machen. Das ist eben das Wesen der <hi rendition="#g">allegorischen</hi> <lb n="p2c_751.002"/> Poesie, daß der Phantasie das Anschaun der Jdeen erleichtert <lb n="p2c_751.003"/> werde. Hierdurch unterscheiden sich die <hi rendition="#g">religiösen</hi> <lb n="p2c_751.004"/> Gedichte von den <hi rendition="#g">allegorischen. Vidas</hi> Christias, <lb n="p2c_751.005"/> Klopstocks Messias besonders der letztere sind mehr <hi rendition="#g">religiöse</hi> <lb n="p2c_751.006"/> Gefühle. Darum hat auch Klopstock mehr eine <hi rendition="#g">lyrische</hi> <lb n="p2c_751.007"/> Richtung, als daß er <hi rendition="#g">darstellte.</hi> Sein Gedicht, insofern <lb n="p2c_751.008"/> es den Himmel schildert, erweckt mehr Empfindung, <lb n="p2c_751.009"/> als Anschauung. Warum? weil er die <hi rendition="#g">Jdeen</hi> selbst in <lb n="p2c_751.010"/> uns erwecken will. <hi rendition="#g">Jdeen</hi> können aber eigentlich nicht <lb n="p2c_751.011"/> dargestellt, sie können nur <hi rendition="#g">geahnt</hi> werden. Will man <lb n="p2c_751.012"/> der Phantasie ein Bild geben, so ist dies <hi rendition="#g">Symbol.</hi> Daher <lb n="p2c_751.013"/> ist Dante weit unterhaltender für die anschauende Einbildungskraft <lb n="p2c_751.014"/> als Klopstock. Man vergleiche eine Hymne <lb n="p2c_751.015"/> des letztern Dichters auf die Gottheit mit der Vision Dantes <lb n="p2c_751.016"/> im Paradiese, als er sich in den Grundquell der Schöpfung <lb n="p2c_751.017"/> versenkt. „Ewiger, du bist allein, in deiner Größe vollkommen, <lb n="p2c_751.018"/> Jeder Gedanke, mit dem du dein eigenes Wesen <lb n="p2c_751.019"/> durchschauest, ist erhabner und größer, als die stille <lb n="p2c_751.020"/> Betrachtung auf geschaffene Dinge von dir herniedergelassen.“ <lb n="p2c_751.021"/> <hi rendition="#g">Klopstok.</hi> Hier ist heiliges Dunkel, negative Bestimmung, <lb n="p2c_751.022"/> gleichsam das <foreign xml:lang="grc">νουμενον</foreign>. Das Urwesen an sich. <lb n="p2c_751.023"/> <hi rendition="#g">Dante</hi> hingegen, da er einen Blick in die Tiefen der <lb n="p2c_751.024"/> Gottheit thut, erleichtert es der Einbildungskraft. Er sieht <lb n="p2c_751.025"/> die Substanz des großen Lichtes, drey farbige Kreise in demselben, <lb n="p2c_751.026"/> er sieht eine leuchtende Heiligenwelt, in Gestalt einer <lb n="p2c_751.027"/> Rose, von lebendigen Funken und den Engeln umschwebt. <lb n="p2c_751.028"/> ─ Eben so vergleiche man den Triumph Christi im Dante </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [751/0275]
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machen. Das ist eben das Wesen der allegorischen p2c_751.002
Poesie, daß der Phantasie das Anschaun der Jdeen erleichtert p2c_751.003
werde. Hierdurch unterscheiden sich die religiösen p2c_751.004
Gedichte von den allegorischen. Vidas Christias, p2c_751.005
Klopstocks Messias besonders der letztere sind mehr religiöse p2c_751.006
Gefühle. Darum hat auch Klopstock mehr eine lyrische p2c_751.007
Richtung, als daß er darstellte. Sein Gedicht, insofern p2c_751.008
es den Himmel schildert, erweckt mehr Empfindung, p2c_751.009
als Anschauung. Warum? weil er die Jdeen selbst in p2c_751.010
uns erwecken will. Jdeen können aber eigentlich nicht p2c_751.011
dargestellt, sie können nur geahnt werden. Will man p2c_751.012
der Phantasie ein Bild geben, so ist dies Symbol. Daher p2c_751.013
ist Dante weit unterhaltender für die anschauende Einbildungskraft p2c_751.014
als Klopstock. Man vergleiche eine Hymne p2c_751.015
des letztern Dichters auf die Gottheit mit der Vision Dantes p2c_751.016
im Paradiese, als er sich in den Grundquell der Schöpfung p2c_751.017
versenkt. „Ewiger, du bist allein, in deiner Größe vollkommen, p2c_751.018
Jeder Gedanke, mit dem du dein eigenes Wesen p2c_751.019
durchschauest, ist erhabner und größer, als die stille p2c_751.020
Betrachtung auf geschaffene Dinge von dir herniedergelassen.“ p2c_751.021
Klopstok. Hier ist heiliges Dunkel, negative Bestimmung, p2c_751.022
gleichsam das νουμενον. Das Urwesen an sich. p2c_751.023
Dante hingegen, da er einen Blick in die Tiefen der p2c_751.024
Gottheit thut, erleichtert es der Einbildungskraft. Er sieht p2c_751.025
die Substanz des großen Lichtes, drey farbige Kreise in demselben, p2c_751.026
er sieht eine leuchtende Heiligenwelt, in Gestalt einer p2c_751.027
Rose, von lebendigen Funken und den Engeln umschwebt. p2c_751.028
─ Eben so vergleiche man den Triumph Christi im Dante
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