Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Zweiter Theil. Leipzig, 1804.

Bild:
<< vorherige Seite

p2c_752.001
mit dem in Klopstok in der Messiade letzten Gesang. - Klopstok p2c_752.002
schwankt zwischen der eigentlichen lyrisch, d. h. andächtig p2c_752.003
gefühlten Jdee und der symbolischen Darstellung, darum p2c_752.004
macht sein Gemälde nicht ganz den Eindruck, als das des p2c_752.005
Dante, welcher hier rein symbolisch, vollkommen mystisch p2c_752.006
gehalten ist. - Milton steht zwischen beyden Dichtern p2c_752.007
in der Mitte, hat mehr Darstellung als Klopstok, und p2c_752.008
höhere erweiterte Begriffe als Dante. Allein Dante dürfte p2c_752.009
doch hier seinem Ziele am nächsten geblieben seyn, wenn p2c_752.010
gleich viele Fehler wider die kosmische Wahrscheinlichkeit und p2c_752.011
überhaupt den Geschmack, z. B. Einmischung von heidnischen p2c_752.012
Bildern überall mit unterlaufen. - Da die höhere p2c_752.013
allegorische
Poesie sich zur Anschauung erhebt, p2c_752.014
so ist es dem Dichter natürlich, sich in die wunderbare Gemüthsstimmung p2c_752.015
der Visionen, der Träume zu versetzen. p2c_752.016
Besonders dem Dante ist es geglückt, einen Schwung p2c_752.017
mit seinem Geiste zu nehmen, wie keiner von den andern p2c_752.018
menschlichen Dichtern. Seine Träume sind in Augenblicken p2c_752.019
geträumt, um mit seinen eignen Worten zu reden, wo die p2c_752.020
Seele von ihrem Körper getrennt, in ihren Gesichten am p2c_752.021
göttlichsten ist.

p2c_752.022
§. 3.

p2c_752.023
Der ästhetische Jnhalt des höhern allegorischen p2c_752.024
Gedichts ist das Erhabene. Das ist die p2c_752.025
herrschende Hauptempfindung. Denn diese entspricht p2c_752.026
dem Selbstbewußtseyn der Vernunft, die sich

p2c_752.001
mit dem in Klopstok in der Messiade letzten Gesang. ─ Klopstok p2c_752.002
schwankt zwischen der eigentlichen lyrisch, d. h. andächtig p2c_752.003
gefühlten Jdee und der symbolischen Darstellung, darum p2c_752.004
macht sein Gemälde nicht ganz den Eindruck, als das des p2c_752.005
Dante, welcher hier rein symbolisch, vollkommen mystisch p2c_752.006
gehalten ist. ─ Milton steht zwischen beyden Dichtern p2c_752.007
in der Mitte, hat mehr Darstellung als Klopstok, und p2c_752.008
höhere erweiterte Begriffe als Dante. Allein Dante dürfte p2c_752.009
doch hier seinem Ziele am nächsten geblieben seyn, wenn p2c_752.010
gleich viele Fehler wider die kosmische Wahrscheinlichkeit und p2c_752.011
überhaupt den Geschmack, z. B. Einmischung von heidnischen p2c_752.012
Bildern überall mit unterlaufen. ─ Da die höhere p2c_752.013
allegorische
Poesie sich zur Anschauung erhebt, p2c_752.014
so ist es dem Dichter natürlich, sich in die wunderbare Gemüthsstimmung p2c_752.015
der Visionen, der Träume zu versetzen. p2c_752.016
Besonders dem Dante ist es geglückt, einen Schwung p2c_752.017
mit seinem Geiste zu nehmen, wie keiner von den andern p2c_752.018
menschlichen Dichtern. Seine Träume sind in Augenblicken p2c_752.019
geträumt, um mit seinen eignen Worten zu reden, wo die p2c_752.020
Seele von ihrem Körper getrennt, in ihren Gesichten am p2c_752.021
göttlichsten ist.

p2c_752.022
§. 3.

p2c_752.023
Der ästhetische Jnhalt des höhern allegorischen p2c_752.024
Gedichts ist das Erhabene. Das ist die p2c_752.025
herrschende Hauptempfindung. Denn diese entspricht p2c_752.026
dem Selbstbewußtseyn der Vernunft, die sich

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0276" n="752"/><lb n="p2c_752.001"/>
mit dem in Klopstok in der Messiade letzten Gesang. &#x2500; Klopstok <lb n="p2c_752.002"/>
schwankt zwischen der eigentlichen lyrisch, d. h. andächtig <lb n="p2c_752.003"/>
gefühlten Jdee und der symbolischen Darstellung, darum <lb n="p2c_752.004"/>
macht sein Gemälde nicht ganz den Eindruck, als das des <lb n="p2c_752.005"/>
Dante, welcher hier rein <hi rendition="#g">symbolisch,</hi> vollkommen <hi rendition="#g">mystisch</hi> <lb n="p2c_752.006"/>
gehalten ist. &#x2500; Milton steht zwischen beyden Dichtern <lb n="p2c_752.007"/>
in der Mitte, hat mehr Darstellung als Klopstok, und <lb n="p2c_752.008"/>
höhere erweiterte Begriffe als Dante. Allein Dante dürfte <lb n="p2c_752.009"/>
doch hier seinem Ziele am nächsten geblieben seyn, wenn <lb n="p2c_752.010"/>
gleich viele Fehler wider die kosmische Wahrscheinlichkeit und <lb n="p2c_752.011"/>
überhaupt den Geschmack, z. B. Einmischung von heidnischen <lb n="p2c_752.012"/>
Bildern überall mit unterlaufen. &#x2500; Da die <hi rendition="#g">höhere <lb n="p2c_752.013"/>
allegorische</hi> Poesie sich zur <hi rendition="#g">Anschauung</hi> erhebt, <lb n="p2c_752.014"/>
so ist es dem Dichter natürlich, sich in die wunderbare Gemüthsstimmung <lb n="p2c_752.015"/>
der <hi rendition="#g">Visionen,</hi> der <hi rendition="#g">Träume</hi> zu versetzen. <lb n="p2c_752.016"/>
Besonders dem Dante ist es geglückt, einen Schwung <lb n="p2c_752.017"/>
mit seinem Geiste zu nehmen, wie keiner von den andern <lb n="p2c_752.018"/>
menschlichen Dichtern. Seine Träume sind in Augenblicken <lb n="p2c_752.019"/>
geträumt, um mit seinen eignen Worten zu reden, wo die <lb n="p2c_752.020"/>
Seele von ihrem Körper getrennt, in ihren Gesichten am <lb n="p2c_752.021"/>
göttlichsten ist.</p>
            <p> <hi rendition="#c"><lb n="p2c_752.022"/>
§. 3.</hi> </p>
            <p><lb n="p2c_752.023"/>
Der <hi rendition="#g">ästhetische</hi> Jnhalt des höhern allegorischen <lb n="p2c_752.024"/>
Gedichts ist das <hi rendition="#g">Erhabene.</hi> Das ist die <lb n="p2c_752.025"/> <hi rendition="#g">herrschende</hi> Hauptempfindung. Denn diese entspricht <lb n="p2c_752.026"/>
dem Selbstbewußtseyn der Vernunft, die sich
</p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[752/0276] p2c_752.001 mit dem in Klopstok in der Messiade letzten Gesang. ─ Klopstok p2c_752.002 schwankt zwischen der eigentlichen lyrisch, d. h. andächtig p2c_752.003 gefühlten Jdee und der symbolischen Darstellung, darum p2c_752.004 macht sein Gemälde nicht ganz den Eindruck, als das des p2c_752.005 Dante, welcher hier rein symbolisch, vollkommen mystisch p2c_752.006 gehalten ist. ─ Milton steht zwischen beyden Dichtern p2c_752.007 in der Mitte, hat mehr Darstellung als Klopstok, und p2c_752.008 höhere erweiterte Begriffe als Dante. Allein Dante dürfte p2c_752.009 doch hier seinem Ziele am nächsten geblieben seyn, wenn p2c_752.010 gleich viele Fehler wider die kosmische Wahrscheinlichkeit und p2c_752.011 überhaupt den Geschmack, z. B. Einmischung von heidnischen p2c_752.012 Bildern überall mit unterlaufen. ─ Da die höhere p2c_752.013 allegorische Poesie sich zur Anschauung erhebt, p2c_752.014 so ist es dem Dichter natürlich, sich in die wunderbare Gemüthsstimmung p2c_752.015 der Visionen, der Träume zu versetzen. p2c_752.016 Besonders dem Dante ist es geglückt, einen Schwung p2c_752.017 mit seinem Geiste zu nehmen, wie keiner von den andern p2c_752.018 menschlichen Dichtern. Seine Träume sind in Augenblicken p2c_752.019 geträumt, um mit seinen eignen Worten zu reden, wo die p2c_752.020 Seele von ihrem Körper getrennt, in ihren Gesichten am p2c_752.021 göttlichsten ist. p2c_752.022 §. 3. p2c_752.023 Der ästhetische Jnhalt des höhern allegorischen p2c_752.024 Gedichts ist das Erhabene. Das ist die p2c_752.025 herrschende Hauptempfindung. Denn diese entspricht p2c_752.026 dem Selbstbewußtseyn der Vernunft, die sich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription. (2015-09-30T09:54:39Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: nicht übernommen; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): wie Vorlage; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: nicht übernommen; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik02_1804
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik02_1804/276
Zitationshilfe: Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Zweiter Theil. Leipzig, 1804, S. 752. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik02_1804/276>, abgerufen am 21.11.2024.